Nationalismus, Abwehraggression und Antisemitismus in der
Finkelstein-Kontroverse.
Diskussionsveranstaltung und Buchvorstellung mit Alfred Schobert
(Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung)
am: 26.04.01
Ort: Universität Leipzig Hörsaal (auf Flyer achten)
Zeit: 19.00 Uhr
Eine Veranstaltung des BgR/Leipzig
| Die alte antisemitische Behauptung, daß die Juden für das
Unglück der Deutschen verantwortlich sind, hat einen neuen, hierzulande
gefeierten, Verkünder. Norman Finkelstein, Politologe aus den USA,
präsentiert in seinem Buch über die Holocaust-Industrie
eine breite Palette struktureller, latenter und offener Formen antisemitischer
Ressentiments. Seine Haupthese: Weltweit operierende,
erpresserische jüdische Organisationen nutzen die
Vergangenheit des Dritten Reiches um sich materielle Vorteile zu verschaffen.
Mit anderen Worten: Die Juden beuten die Deutschen aus.
In den Staaten wurde das Buch entweder von der Kritik zerrissen oder der Autor
wurde mitsamt seinen Verschwörungstheorien ignoriert. In Deutschland ist
Finkelstein ein Medienstar. Zwar gibt es ab und an auch einen kritischen
Kommentar zu lesen, doch unübersehbar ist, daß der Autor mit seinen
Tiraden über angeblich maßlose Entschädigungszahlungen nicht
nur der deutschen Wirtschaft, sondern breiten Bevölkerungskreisen aus der
Seele spricht. Nach Walser gibt es nun endlich wieder einen neuen Kronzeugen
mit hohem legitimatorischen Wert, auf den man sich in geschichtspolitischen
Fragen berufen kann. Egal ob es um den Schlußstrich unter die
Vergangenheit, die angebliche politische Macht gewisser Kreise oder
die Relativierung des Holocaust geht Finkelstein taugt zum Zitat.
Fragt sich nur, wie sich die positive bis euphorische Rezeption hierzulande
erklärt, wo doch seit dem letzten Sommer Antifaschismus zum
Staatsprogramm erklärt wurde und nicht nur System-Propagandisten die
Zivilgesellschaft verwirklicht sehen? Die Finkelstein-Kontroverse steht
für die begrenzte Wirksamkeit einer politischen Inszenierung. Und nicht
nur das. Die Enttabuisierung antisemitischer Ideologeme schreitet auch in ihrem
Fahrwasser weiter voran.
Alfred Schobert ist Mitarbeiter am Duisburger Institut für Sprach- und
Sozialforschung und gilt als ausgewiesener Experte für diskursanalytische
und ideologikritische Studien zu Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus.
Er schreibt unter anderem für die Zeitschrift konkret und die
Wochenzeitung Jungle World.
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