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das letzte, 1.8k
Die Sachkompetenz von Bild ist ja so eine Sache. Die Berichterstattung über Parteitage der Grünen leider nicht mehr. Vorbei die Zeiten, als ein J. Fischer die meinungs-freie spätere Kanzler-Gattin verteidigte, welche damals noch nicht mit Schröder, sondern mit Springers Blatt liiert war.
Die Sachkompetenz von Bild allerdings hat darunter nicht gelitten. Sie ist so abwesend wie ehedem.
Ein
„U. Brüssel und V. Müller“
berichten vom Grünen-Parteitag in Stuttgart:
„Mit knapper Mehrheit wurde der Antrag durchgedrückt, das Asylrecht wieder zu lockern.“
Was ist das überhaupt, dieses
„Asylrecht“,
das da scheinbar so festgezurrt wurde, daß es wirkliche Gründe geben müsse, es
„zu lockern“?
Bilden wir uns also eine Meinung:
„Die Grünen wollen die sogenannte ‘Drittstaatenregelung’ erneut einführen. Dies hatte der Bundestag 1993 mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP abgeschafft.“
Daß es genau umgedreht war, also das, was laut Bild
„abgeschafft“, man
„mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP einführen“
konnte, ist völlig egal. Jedenfalls
„seither können Asylbewerber, die aus einem sicheren Drittland einreisen, sofort zurückgeschickt werden.“
Die Stärke des Springer-Blattes ist nicht etwa die Manipulation. Nein, es ist die perfekte Bewußtlosigkeit seiner Schreiberinnen und Schreiber, die somit erst gar keinen Nerv ihrer Leserschaft mehr treffen müssen, weil sie selbst keinen mehr verspüren.
Zeitungsartikel, 27.5k
„Nicht etwa Manipulation. Nein, die perfekte Bewußtlosigkeit der Schreiberinnen und Schreiber“ –
FAZ vom 15.03.2001 (oben) und vom 10.03.2001
Anders ist es da um die Grüne Renate Künast bestellt – der neuen
„Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft“.
Deren Klassen-Bewußtsein spielt selbstredend etwas verrückt in Zeiten von Rinderwahn.
In einem seitenlangen Text unter der Überschrift
„Global denken, lokal essen“
teilt sie in der FAZ mit:
„In der Regierungserklärung zur neuen Verbraucher- und Landwirtschaftspolitik wurde das Leitbild ‘Klasse statt Masse’ entwickelt.“
Wir ahnen da also, daß sich hier von falscher Massenpolitik verbschiedet werden soll und der
„Klasse statt Masse“
hingewendet. Das freut einen ja erstmal. Und besonders fortschrittlich gehts weiter:
„Es soll den Akteuren“,
den Angehörigen einer Klasse also vermutlich,
„Orientierung gegeben werden“.
Nun drängt sich allerdings die Frage aller Fragen auf, an denen ganze Revolutionen bisher gescheitert sind. Auch Künast stellt sie sich natürlich:
„Was ist Klasse?“
Als Querdenkerin, die die Frau Ministerin nun mal ist, antwortet sie so sachkompetent wie die Bild-Redakteure es gern wären. Sie macht ganz pragmatisch die Klassenfrage zur Kassenfrage. So wird sie in den Augen der Bild-Redakteure erst recht sympathisch.
„Was“
also
„ist Klasse“
und wie konstituiert sie sich? Künasts Antwort muß verblüffen. Sie ist so genau, daß Marx und Engels ins Schwärmen kämen:
„Etwa 60 Prozent des amerikanischen Beefs werden durch den Fleischwolf gedreht, um anschließend zwischen zwei Weißbrothälften als Burger verkauft zu werden.“
Die Metapher der
„zwei Weißbrothälften“
weist hier die Klassengesellschaft als das aus, was sie ist – eine
„als Burger“.
Daß die Künast die Dinge rigoros beim Namen nennt, darf uns nicht erschrecken, denn die Wahrheit muß auf den Tisch. Und so stellt sie fest, ob
„Beefs“
oder
„Burger“ –
„Klasse ist beides nicht.“
Denn, so metaphorisiert sie weiter,
„Lebensmittelsicherheit allein stellt noch keine Klasse dar.“
Hätte das die Kommunistische Internationale von einst begriffen, wir stünden heute vor ganz anderen historischen Herausforderungen.
Künast analysiert die Fehler jedoch noch scharfsinniger. Der größte Fehler auf dem Weg zur Revolution wäre demzufolge,
„auf Rohmilchkäse zu verzichten und statt dessen nahezu aseptischen und unbegrenzt haltbaren Käse zu servieren.“
Als Taktikerin läuft sie selbst Mao den Rang ab. Besagter
„Käse“
würde
„den Geschmackssinn aber verkümmern lassen“,
so daß
„ein globaler Einheitsgeschmack“
drohte. Die geniale Dialektikerin deckt den Zusammenhang zwischen
„Geschmackssinn“
und
„Einheitsgeschmack“
auf und weist auf die so entstehenden Möglichkeiten hin:
„Wir kommen weg von der Masse und hin zur Klasse.“
Und so bestimmt das Schwein das Bewußtsein – ob als
„Beef“
oder aus dem
„Fleischwolf“:
Hauptsache
Welt-
„Burger“.

Bei FDP-Guido Westerwelle überlagert ein Quentchen zuviel Heimatliebe das gute Klassenbewußtsein. Auf die Frage von Bild
„Darf ich als Deutscher stolz sein auf mein Land?“ –
nennt Guidochen endlich mal einen weiteren Grund, es nicht zu sein:
„In Deutschland wurde Honecker mit Kerzen aus dem Amt gejagt. Auf diese Deutschen und dieses Deutschland bin ich stolz.“
Man merke sich für die Zukunft, was Westerwelle nicht so richtig begreifen kann: Nur wenn der Kapitalismus den Strom abstellt, kann ein
„Honecker mit Kerzen aus dem Amt gejagt“
werden.

In der Musik-Zeitschrift Intro wird
„die Entmystifizierung des Pop“
proklamiert. Sie entpuppt sich einmal mehr als die geistige Entblödung, auf die die Welt nicht gewartet hat:
„Pop ist viel- und einfältig zugleich, das wissen wir alle. Was aber bedeutet Pop für jeden von uns persönlich, was verstehen wir, die wir Pop leben, darunter, und was verstehen auf der anderen Seite diejenigen darunter, die gleichzeitig oder gar ausschließlich von einem distanzierten Standpunkt aus über Pop schreiben? Sind es einzelne Momente, ist es Musik im allgemeinen, sind es die Strukturen, in denen wir leben oder die wir uns schaffen ...? Mit Pop verbinden viele von uns etwas anderes, und es gibt nur noch wenige, die eine gleiche oder auch nur ähnliche Vorstellung davon haben.“
So, so. Die,
„die wir Pop leben“,
meinen vielmehr, daß sie entweder schon VON
„Pop leben“
oder gerne von
„Pop leben“
würden. Weil man das so aber nicht sagen darf, vernebelt die Blödheit
„jeden von uns persönlich“
die Birne. Ob nun als
„einzelne Momente, Musik im allgemeinen“
oder als
„Strukturen, in denen wir leben oder die wir uns schaffen“.
Weil angeblich mit Pop
„viele von uns etwas anderes verbinden“,
meinen allesamt dasselbe – Managergebärden, Geld, Ruhm und Marktwirtschaft. Wem es immer noch nicht bewußt geworden ist: Bei der nächsten Jugend-Rebellion, das ist inzwischen klar wie Kloßbrühe, steht die Pop-Fraktion gesamtheitlich auf der andern Seite der Barrikade. Denn die nächste Rebellion, wenn sie denn mal irgendwann kommt, wird mit Sicherheit eine von Popperkloppern. Und dann erwischt es gerechterweise zuerst die,
„die wir Pop leben“.
Ralf


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last modified: 28.3.2007