Dass rechtsradikale Gesinnungen in den Stadien Europas
keine Seltenheit darstellen, ist nicht neu. Die Umgehensweise damit indes
schon. Während hierzulande geleugnet wird, was das Gewissen hergibt, ist
man in Italien schon ein wenig weiter. Dieser Fortschritt ist aber
nichtsdestotrotz nicht mehr als eine Ausuferung völliger Hilflosigkeit und
permanenter personenbezogener Inkompetenz.
Die weiße Weste der italienischen
Fußballlandschaft ist nicht erst seit dem Drogenskandal um Diego Maradona
beschmutzt. Währenddem die Gerüchte um selbige
leistungsfördernden Mittel auch nach Deutschland und ganz speziell auf den
designierten Bundestrainer Christoph Daum überschwappten, sind
ständig neue Skandale an der Tagesordnung. Als tragende Säule der
Berichterstattung kann dabei vor allem der sogenannte
Passfälscher-Skandal geltend gemacht werden. Hintergrund
dessen ist die Versorgung von Fußballprofis aus fernen Ländern,
wobei hauptsächlich die südamerikanischen Nationen in Frage kommen,
mit Identitäten, welche den Geburtsort oder die Wurzeln der Abstammung in
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verlagern, um so die heiß
begehrten Plätze für Spieler, die nicht EU-tauglich sind,
freizuhalten. Auch eine kleine, aber unterschwellige Art des positiven
Rassismus. Mithin werden die drei erlaubten richtigen
Ausländerplätze mit der creme de la creme des
Fußballsports besetzt. Schwächere Akteure werden somit gezwungen,
auf eigene Gefahr ihre Herkunft nachzuweisen. Bevor es also auf dem Platz zur
Sache geht, auf welchem man dann unter einer anderen, weil verfälschten,
Identität seine Ergebenheit zum jeweiligen Arbeitgeber kundtut, hat man
einen Kampf sui generis zu bestreiten. Wer dieses Vorspiel als Verlierer
beendet, hat keine Chance mehr zu siegen.
Eine etwas andere Art des Kampfes um Arbeitsplätze bestreiten derzeit auch
die Verantwortlichen des italienischen Fußballvereins Hellas Verona.
Rädelsführer im uneigentlichen Sinne ist dabei dessen Präsident.
Der mit dem wohlklingenden Namen Giambattista Pastorello. Er ist einer
derjenigen, welcher die Ideologie der Fans seines Klubs der breiten
Öffentlichkeit zugänglich macht. Ohne dabei nur den Hauch einer
Kritik verlauten zu lassen. Public relations ist eben nicht sein Hobby. Zu
sagen, was man denkt, kann aber zuweilen sich selbst und sämtliche
Institutionen des italienischen Sports an den Rande des Abgrundes führen.
Als er vor kurzem von einem regionalen Fernsehsender über den anstehenden
Wechsel des afrikanischen Fußballers des Jahres 2000 vom AC Parma zu
seinem eigenen Verein Hellas Verona befragt wurde, nahm er erstmalig zu diesem
einem heiklen Thema öffentlich Stellung. Hierbei handelt es sich um
Patrick Mboma, kamerunischer Nationalspieler, dunkler Hautfarbe und ein
Sportler, dessen Leistungsvermögen das der gesamten Mannschaft Veronas
weit übersteigt. Vor laufender Kamera gab Pastorello zu, dass er den
Stürmer nur deswegen nicht in die Mannschaft aufnehme, weil die
rechtsradikalen Fußballfans von Verona einen afrikanischen Spieler nicht
akzeptieren würden: Wenn Bonazzoli (ein italienischer Spieler des
eigenen Vereins) gehen würde, drehen die Fans mir den Hals um. Wenn er
dann auch noch gegen einen schwarzen Spieler eingetauscht würde ... Die
Fangemeinde von Verona ist schlimm, jedenfalls was farbige Spieler
betrifft. Schlimm so bezeichnet er also dieses durchweg
fremdenfeindliche Verhalten seiner Anhängerschar. Wem dazu nicht mehr
einfällt, ist keinen Pfifferling wert. De facto ist die rechtsradikale
Gesinnung der Fans im Veroneser Bentegodi-Stadion kein Geheimnis. Dass die
norditalienische Stadt eine der Hochburgen der rechten Lega Nord von Umberto
Bossi ist, spiegelt ein Besuch des dortigen Fußballstadions nur allzu
deutlich wider. Die rechte Fangemeinde hat Tradition, und nicht nur dort. Auch
bei Lazio Rom werden spieltäglich Reichskriegsflaggen gehisst, die
White-Power-Bewegung ist stets präsent. Ihren Rassismus tragen
die Fans der Erstliga-Mannschaft Hellas Verona offen zur Schau: Ebenso verhielt
es sich 1996 mit dem dunkelhäutigen holländischen Spieler Michel
Ferrier. Nachdem das Vorhaben des Vereins um seine Verpflichtung die Runde
gemacht hatte, wurde in symbolträchtiger Manier am nächstfolgenden
Spieltag eine schwarz gefärbte Puppe im Stadion zur Schau gestellt und
hochgehalten. Offensichtlich, 90 Minuten lang ohne das von Seiten des
Vereins eingegriffen wurde. Dieser Puppe nun ward ein Strick um den Hals
gelegt. Ein Großteil der Fans hatte es sich anlässlich dieser
Präsentation vorbehalten, im modischen Chic anzutreten. Beliebt dabei, vor
allem das gesamte Ku Klux Klan-Arsenal. Und um jedes Missverständnis
auszuschließen, war am Stadionzaun ein Transparent befestigt, auf dem in
veronesischem Dialekt stand: >>Den Neger haben sie euch geschenkt, damit
er euch das Stadion putzt.<< Erst vor zwei Jahren verhinderte die
rechtsextreme Fangemeinde, dass der farbige Brasilianer Ze Maria in die
Mannschaft geholt wurde. Nun Pastorello, der Präsident, gab unlängst
freimütig zu, zu Zugeständnissen gegenüber den rechtsextremen
Fans bereit zu sein. Dies allerdings löste einige Empörung in Italien
aus. Die Bürgermeisterin von Verona bot dem Vereinspräsidenten an,
sie und die Sicherheitskräfte würden ihm dabei helfen, die Mannschaft
aufzustocken und Verona vor dem Abstieg zu bewahren, >>sollte es wahr
sein, dass ein paar Dutzend Personen den Präsidenten unter Druck
setzen<<. Sollte aber Mboma wegen seiner Hautfarbe nicht bei Verona
spielen können, handele es sich um eine regelrechte Straftat, kommentierte
die Bürgermeisterin die offene Diskriminierung. Es zeugt schon fast von
Scheinheiligkeit, in diesem Falle von ein paar Dutzend Individuen auszugehen.
Geschätzt wird die inoffizielle Zahl rechtsradikaler Fußballfans in
Italien auf mittlerweile fast 50.000. Da ist Verona mit seinen, sagen wir mal
vielleicht 800 ein kleines Licht dagegen. Auch die Sportministerin Giovanna
Melandri reagierte aufgebracht und richtete einen Protestbrief an den
nationalen Fußballverband, von dem sie eine klare Stellungnahme zu
Pastorellos Äußerung verlangte. Denn diese unterstütze
sicherlich nicht die Bemühung der Regierung und der Welt des
Fußballs, gegen das beunruhigende Phänomen der Gewalt und des
Rassismus vorzugehen. Der anfangs bezeichnete Präsident hatte wohl
kaum mit so viel Aufregung gerechnet. Schließlich hatte er eigentlich
nichts Neues vorgebracht. Ich habe auch schon zuvor gesagt, dass der
Rassismus unter den Fans ein nicht länger tolerierbares Ausmaß
erreicht hat, rechtfertigte er seine Worte im Nachhinein. Und versprach,
es werde kein Zurückweichen vor diesen Auswüchsen des Rassismus
geben, der nichts mit Fußball zu tun hat, obwohl er genau das doch
zugegeben hatte.
Der unfreiwillige Mittelpunkt des Falls, der Stürmer Patrick Mboma, ist
derzeit in Afrika. Für die Nationalelf von Kamerun spielt er bei den
Qualifikationsspielen zur Weltmeisterschaft 2002. Einer ansässigen
Tageszeitung sagte Mboma über Pastorellos Versprecher: >>Er hat
leider Recht. In Italien geht man ins Stadion, um andere zu beleidigen.<<
Bei Spielen gegen Verona seien er und andere schwarze Spieler schon immer
ausgepfiffen worden. Dasselbe passiere bei Lazio Rom. Die rechtsradikale
Gesinnung der römischen Fans ist geradezu sprichwörtlich.
Organisierte Lazio-Fanclubs wie die Irreducibili (die Unbeugsamen)
präsentieren sich gern mit keltischen Kreuzen auf ihren Fahnen. Die extrem
rechten Lazio-Fans, deren Zahl auf 5 000 geschätzt wird, greifen auch zu
Hakenkreuz- oder SS-Fahnen, tragen Transparente mit antisemitischen und
rassistischen Parolen oder Mussolini-Zitaten und zeigen den faschistischen
Gruß. Auch Führungskader der Forza Nuova, über deren Verbot
derzeit in Italien diskutiert wird, werden häufig im Olympiastadion
gesehen. Der Einfluss der Organisation in der Nordkurve nimmt seit Jahren
kontinuierlich zu. So ist es kaum verwunderlich, dass auch Lazio seit drei
Jahren auf schwarze Spieler verzichtet. Außerhalb der Stadien sind die
Supporter ebenfalls aktiv. Erst Mitte Januar gingen in Verona
Hunderte aus Rom und Triest gemeinsam mit den heimischen Hools gegen angereiste
Supporter aus Neapel, die dem anderen politischen Lager
zugehörig sind, vor. Auf das Konto rechter Hooligans gingen auch zwei
kleinere Bombenanschläge in Rom im November 1999, bei denen zwar niemand
verletzt wurde, die aber beide offensichtlich antisemitisch motiviert waren.
Diese Bombenanschläge veranlassten die Spieler von Lazio und Juventus
Turin, bei einem Spiel im Olympiastadion in weißen T-Shirts aufzulaufen,
auf denen >>Nein zu Antisemitismus, Gewalt, Rassismus<< stand. Vor
Spielbeginn verlasen die Kapitäne der Teams ein kurzes gemeinsames
Statement, in dem sie sich gegen Rechtsextremismus, nicht nur in den Stadien,
aussprachen. Der italienische Fußballverband steht dem Phänomen der
immer gewalttätiger und offen rassistisch agierenden Fans ziemlich ratlos
gegenüber. Diskutiert wird nun darüber, ob man die auffälligen
Vereine damit bestrafen soll, dass man sie nur unter Publikumsausschluss
spielen lässt. Als vor einem Jahr im Lazio-Fanblock bei einem Spiel gegen
AS Rom ein Transparent mit den Worten >>Auschwitz euer Vaterland, die
Öfen eure Häuser<< erschien, schritt die italienische Regierung
ein und erließ eine neue Regelung: Wenn rassistische oder antisemitische
Plakate im Stadion hochgehalten werden, kann das Spiel bis zu 45 Minuten
unterbrochen werden. Falls sie dann noch immer nicht beseitigt sind, verliert
der Verein mit den jeweiligen Fans die Begegnung einfach mit 0:2. Doch
angewandt wurde diese in Europa einmalige Sanktionsmaßnahme bisher nie.
Auch die Spieler selbst haben zugestanden, bei den fraglichen Aktionen der Fans
das Spiel in Eigeninitiative zu unterbrechen oder gar abzubrechen. Wem
hierfür allerdings der sogenannte siebente Sinn fehlt, wird bei aller
sportlichen Inanspruchnahme auf dem Rasen weder hören noch sehen wollen,
was auf den Rängen passiert. Und seinen Stammplatz wäre man ohnehin
los. Den hat die Anhängerschar der Vereine Hellas Verona und Lazio Rom
längst inne. In der Nordkurve der Stadien. Und wahrscheinlich auch im
Herzen der Spieler, deren Leistungsdruck durch fehlende Alternativen so ein
wenig gelindert wird.
Teewald
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