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Wesen leisten keinen Widerstand

Ist der genetische Fingerabdruck eine repressive Maßnahme oder der Beginn der Herstellung von Menschen(wesen) als Ware? (Desoxyribonukleinsäure – engl. Abkürzung DNA)

„Am 19. Juni 1998 verabschiedete der Bundesrat das ‘DNA-Identitätsfeststellungsgesetz’. Damit war die Gen-Datei verfahrensförmig korrekt auf eine entsprechende Rechtsgrundlage gestellt. Bei ‘Straftaten von erheblicher Bedeutung’ können demnach Verdächtige und Verurteilte zur Abgabe einer DNA-Probe gezwungen werden, sofern eine Wiederholungsgefahr angenommen wird. Die Formelcodes der Proben werden in der Datei gespeichert.
Die Bundesrepublik ist damit das vierte europäische Land neben Großbritannien (1995), den Niederlanden (1997) und Österreich (1997), das eine eigene landesweite DNA-Datenbank für forensische Zwecke eingerichtet hat. Belgien, Finnland, Frankreich, Norwegen, Schweden und die Schweiz sollen in Kürze diesem Beispiel folgen. Eine ‘europäische Harmonisierung’ wird nicht nur von der ‘European DNA-Profiling Group’ (EDNAP), einer europäischen Vereinigung gerichtsmedizinischer Labors, angestrebt, sondern auch vom Rat der EU-Innen- und Justizminister. Dabei dürfte dann auch Europol eine Rolle spielen.“ (aus Bürgerrechte & Polizei/CILIP „DNA-Analyse und DNA-Datenbanken“, 61/1998 vom 01.12.1998 von Detlef Nogala)
Das verweist zunächst einmal recht eindeutig auf die repressive Komponente der DNA-Analyse. Wäre da nicht die oftmals gebräuchliche Beschreibung als genetischer Fingerabdruck. Eine Terminologie, der neben einer populären auch noch die verniedlichende oder gar ablenkende implizit ist. Warum aber dies? Ist der Vergleich mit dem allseits bekannten „Klavierspielen“ bei den Bullen gerechtfertigt? Ist das Ganze vielleicht nur einen Zacken schärfer?
Erinnern wir uns, was die Schule über die Atomenergiegewinnung vermittelte. Wem ist nicht das Bild vom Kirschkern, der gespalten wird, noch in Erinnerung und welchen verharmlosenden Effekt es hatte und hat. Nun kann die Frage entstehen, was denn Atom und Gen miteinander zu tun haben. Vielleicht ist das eine das Kleinste oder nur das Zweitkleinste, was wir uns vorstellen können, was wir kennen. Aber nicht die Analogie der formellen, quantitativen Beschreibung, sondern die Qualität der Folgen die aus Technologien entstehen, innerhalb derer Atome als scheinbare physikalische Bausteine unserer gesamten Umwelt und Gene als solche biologischen aller lebenden Phänomene, Warencharakter erhalten, ist das zu Kritisierende. Daß in ihren bekannten oder schon vorstellbaren Folgen Atom- und Gentechnologie jegliches biologisches Leben destruieren indem irreversible Veränderungen (Mutationen oder Manipulationen) in Gang gesetzt werden, ist die nur von KritikerInnen vermittelte Sicht. Und so wie Radioaktivität einst als unerschöpfliche Energiequelle – der russische Atomeisbrecher „Lenin“, so das Klischee, konnte mit einer streichholzschachtelgroßen Menge Uranbrennstoff ein ganzes Jahr fahren – trotz Hiroshima und Nagasaki populär gemacht wurde, so sind es heute angeblich unheilbare Krankheiten, Kriminalität, Hunger in der Welt oder, oder ... die zur Legitimierung der gentechnologischen Theorie und Praxis herangezogen werden. Wie seltsam mutet es doch an, wenn gerade die Krebsforschung, und eine bekannte kausale Folge von radioaktiver Bestrahlung ist bekanntlich die krebsartige Mutation von Zellen, wiederum die genetische Veränderug des Menschen Resistenz, zumindest aber Heilung verspricht. Als bei der Beseitigung der Trümmer am Tschernobylreaktor selbst Roboter von Mannesmann in der Hitze und Strahlung versagten, setzte die damalige sowjetische Havariekommission Soldaten fast ohne Schutzbekleidung ein. Viele von ihnen leiden noch heute an diversen Strahlenerkrankungen und noch mehr sind bereits gestorben. Die Vorstellung, Menschen könnten einst resistent gegen Strahlung und andere schädigende Umwelteinflüsse sein, letztlich doch Folgen kapitalistischer Produktionsweise, reizt sicher nicht nur das deutsche Atomkapital.
Aber bleiben wir bei der DNA-Analyse.
Daß die Einführung des genetischen Fingerabdrucks in das Strafverfahren vor allem den Frauen nütze, weil mit seiner Hilfe Vaterschaften bestimmt und Vergewaltiger überführt werden könnten, ist eine leicht zu widerlegende Behauptung. Mit ihr wird in Wahrheit die These einer genetischen Bedingtheit von Kriminalität und abweichendem Verhalten plausibilisiert. Schon diskutieren Wissenschaftler die Einrichtung von Erbgutkarteien, in denen die genetischen Daten aller Neugeborenen gespeichert werden sollen. Damit könnten, so die Begründung, schließlich alle zukünftigen Täterinnen und Täter präventiv erfaßt werden
„Gentest für Verbrecher – Eindeutige Identifikation nach Vergewaltigung“, mit diesem Aufmacher, der beispielhaft für andere steht, lenkte die Süddeutsche Zeitung im Februar 86 die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ein neues, ein gentechnologisches Verfahren in der Strafverfolgung. Die Schlacht um die Akzeptanz der Genomanalyse ,im Strafverfahren verharmlosend gern als genetischer Fingerabdruck bezeichnet – wird vor allem mit Hilfe der Medien geschlagen. Wieder einmal sind es besonders Frauen, an denen Mann Nutzen und „Chancen“ der Gentechnologie zu demonstrieren versucht. Vergewaltigungsopfer sollen die Einführung des „DNA-Fingerprinting“ legitimieren.
Nun kann sicher niemand behaupten, die bundesdeutsche Justiz und ihr bewaffneter Arm, die Polizei, seien Freunde und Helfer der Frauenbewegung. Durch besondere Frauenfreundlichkeit haben sie sich noch nie ausgezeichnet, ganz im Gegenteil. Auf den Polizeiwachen und in den Gerichtssälen sehen sich Frauen tagtäglich paternalistischer Ignoranz, sexistischer Diskriminierung und demütigender Behandlung ausgesetzt. Die Einrichtung einer immer wieder von Frauen geforderten Sonderabteilung für Vergewaltigungsdelikte bei Polizei und Staatsanwaltschaft scheiterte bisher zumeist am männlichen Widerstand in den Behörden. Und wenn sich diese Justiz nun einer Methode bedient, die direkt den Labors der Gentechnologen entstammt und darüber hinaus schwärmt, „ihr Menschheitstraum“ (der für uns bisher allemal ein Alptraum war) gehe in Erfüllung (siehe Spiegel 33/89), dann ist höchste Vorsicht geboten. Was also ist dran an der Technik, die als der Beginn einer „neuen Dimension“ in der Kriminalistik gehandelt wird (BKA), und was steckt dahinter?
Oftmals kolportiert, die Terminologie vom „gläsernen Menschen“, wieder nur ein Bild welches ans Dresdener Hygienemuseum erinnert, aber so abwegig gar nicht ist. Möglicherweise ist die gen-technologische Menschenkonstruktion auch nicht das letzte konsensuale Ziel aller (?) Gen-, BiotechnologInnen, der BioethikerInnen, HumangenetikerInnen, all jener ForscherInnen, welche alleine in den letzten vier Jahren für eine Verdreifachung der Anzahl der Gentech-Firmen in Deutschland sorgten. Aber in einigen vom wissenschaftlichen Fortschrittswahn gepeitschten Gehirnen von WissenschaftlerInnen mag solche Vorstellung durchaus schon das Stadium schemenhafter Utopie überwunden haben. Alles, auch der letzte genetische Code des Menschen ist dabei wichtig. Nicht anders als würde eine Maschine konstruiert. Nicht anders als die Maschine wird der Mensch, werden all seine differenzierbaren Bestandteile zu Waren oder „Humanresourcen“. Transplantate, ob Haut oder lebenswichtige Organe, sind nicht mehr auf SpenderInnen angewiesen. Jede ethische Debatte um klinischen oder Hirntod könnte entfallen.
Und zwischenzeitlich wird jedes Forschungsergebnis verwertet. Der Gedanke, es könnte noch ‘zig Jahre dauern bis die Konstruktion von Menschen(wesen) möglich ist, tröstet da nur wenig. Und es ist auch keine apokalyptische oder Horrorvision, was alles auf diesem Forschungsweg passieren könnte. Um das berüchtigte Klon-Schaf „Dolly“ herzustellen, mußten über hundert seiner potentiellen Geschwister vorher vernichtet werden. Dabei ist das Klonen nur eine Vorstufe der Konstruktion von Lebewesen und birgt doch schon die Möglichkeit einst sich selber zu begegnen. Goethes „Zauberlehrling“ wurde wenigsten nur seines durchgeistigten Besens nicht Herr, und auch nur weil er einen Spruch nicht gelernt hatte. Menschenkonstruktion, auch partielle, einmal in den unkontrollierbaren, irrationalen Gang gesetzt, fällt dem Kapitalisten dann nur noch eines ein: Harrison Ford, der „Blade runner“, muß her um die Wesen, die doch Widerstand leisten, wenn auch nur als menschliche Form dargestellt, zu exterminieren.
In diesem Sinne: Save the resistance!
andrew


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last modified: 28.3.2007