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Protestrenaissance contra Salon-Dasein | |||||||
Die Linke ist anwesend oder sie ist nicht. Reicht diese
Feststellung schon, um gegen IWF und Weltbank zu protestieren? Von Ralf
(Thomas Ebermann) Das Herz schlägt links. (Oskar Lafontaine, Keynseanist)
Der Widerstand gegen die seit über 50 Jahren existenten Institutionen IWF
und Weltbank war in den westlichen Metropolen nie einer, der von
Kontinuität geprägt war. Erst im Vorfeld der 1988 staffgefundenen
IWF- und Weltbanktagung in West-Berlin kam es insbesondere innerhalb der
deutschen Linken zu einer längerfristigen und tiefergehenden
kampagnenhaften Vorbereitung von gezielten und gebündelten
Gegenaktivitäten. Insbesondere auch bezüglich einer nachholenden
Theoretisierung der aktionistischen autonomen Praxis.(1)
Nach Seattle: Wer ist dieser Widerstand heute
Als im April diesen Jahres in Washington massive Proteste gegen das Frühjahrstreffen von IWF und Weltbank stattfanden, stellte sich das so dar: 15 000 Menschen hatten (...) demonsriert unter ihnen viele vom US-amerikanischen Dachgewerkschaftsverband AFL-CIO. Für sie ging es weniger um IWF und Weltbank, dafür mehr um den Beitritt Chinas zur Weltandelsorganisation (WTO) und wie man ihn verhindern kann. Die US-Gewerkschaften befürchten, daß durch den Feihandel mit dem Billiglohnland in den Vereinigten Staaten Jobs verloren gehen. Um ihr Anliegen dennoch mit den Anti-IWF-Protesten zu verbinden, gingen die Gewerkschafter recht pragmatisch vor: Kein Blankoscheck für China! stand auf der Vorderseite ihrer Plakate, der Slogan Die Weltwirtschaft muß für arbeitende Familien funktionieren prägte die Rückseite. Diese nationalistischen Forderungen der Gewerkschaften waren schon Teil der Proteste von Seattle im Spätherbst des letzten Jahres gewesen.(2) Der Franzose Christophe Aguiton, einer der zahlreichen Aktivposten der Organisatoren von Protesten gegen WTO, IWF und Weltbank, sieht durchaus eine gemeinsame Basis der verschiedenen Protest- und Widerstandsströmungen in drei Hauptgruppen als gegeben an: Erstens im Kampf gegen die soziale Ungleichheit, die die neoliberale Globalisierung mit sich bringt. Zweitens in der Sorge um Umweltzerstörungen, vor allem die Verbreitung gentechnisch manipulierter Organismen und Nahrungsmittel. Und drittens in der
Der Tagesspiegel(3) porträtierte im Vorfeld der Tagung in Prag die deutsche Anti-IWF-Aktivistin Isabel, die wochenlang vor Ort in Prag die Proteste mit vorbereitete: Für Isabel und die anderen (...) vereinen IWF und Weltbank alles Unheil dieser Welt. Sie sind Schuld an der Verelendung der Dritten Welt, sie zwingen den armen Ländern ihre Strukturanpassungsmaßnahmen auf und sie sorgen dafür, daß die ganze Welt nur McDonalds ißt, Nike trägt und Coca Cola trinkt. Das Schlimme ist aber, daß die meisten gern Cola trinken und Nike-Turnschuhe tragen die ganze Welt vereint im Konsumrausch. Nur was kommt nach dem Konsum? Leere, sagt Isabel. (...) Zu McDonalds geht sie seit Jahren nicht mehr. Trotzdem konsumiere auch sie noch, sagt sie leise: Kino und Bücher vor allem. Es klingt, als müsse sie sich dafür entschuldigen, als habe sie den Kampf gegen ihr verführbares Unterbewußtsein noch nicht gewonnen. Die Stuttgarter Gruppe Internationaler SozialistInnen hat im Vorfeld zu Prag ein Mobilierungsflugblatt herausgebracht, das in linken Kreisen seinesgleichen sucht. Unter anderem heißt es da: Die sogenannte Globalisierung hat (...) ein sehr diffuses Spektrum von Kritikern hervorgerufen, die zuweilen sogar mit redlichen Motiven und herzzereißender Rhetorik die Praktiken der global players und multinationalen Konzerne beklagen. In diesen Debatten steht in letzter Zeit besonders der französische Soziologe Pierre Bourdieu im Rampenlicht. Er gilt bis ins Spektrum der radikalen Linken als intellektueller Hoffnungsträger im Kampf gegen die Ideenmacht des Mythos Globalisierung, die neoliberale Invasion und die neue Weltordnung. Bourdieu versteht sich als Verteidiger der in früheren Kämpfen errungenen sozialen Rechte, blieb allerdings bei allen seinen Interventionen bisher die Erklärung schuldig, wer für das Elend, die Armut, den Sozialabbau etc. verantwortlich sei. Die Deregulierung? Die Regierung? Der Kapitalismus? Im Endeffekt denunziert Bourdieu lediglich eine unbestimmte Technokratie und deren Strukturen, die seiner Meinung nach der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Demokratie entgegensteht. Aus diesem Sichtwinkel hat der Staat immer zwei Seiten
Zu konstatieren bleibt, daß sich an den Protesten gegen IWF, Weltbank und WTO die unterschiedlichsten Strömungen beteiligen: Verrückte, Okaye, weniger Verrückte, Sozialdemokraten, Konservative, Nationalisten, Linsradikale, Umweltschützer, Tierschützer, Menschenschützer und und und. Läßt sich deshalb oder dennoch von einer neuen sozialen (Protest-)bewegung mit globalem Charakter sprechen? Im traditionellen Sinne ja, denn neue soziale Bewegungen waren schon immer von inhaltlicher Diffusität geprägt, die auch gleichzeitig immer ihre relative Kurzlebigkeit beinhaltete. Dem stimmt, nicht gerade überraschend, auch die ehemalige RAF-Symphatisantin lang, lang ists her Sybille Tönnies zu. In der taz(4) schreibt sie: Die Frage, was rechts und was links noch bedeutet, hängt (...) ganz davon ab, ob man die Begriffe eng und ökonomisch definiert dann ist der fanzösische Biobauer sicherlich kein Linker oder ob man sie weit und sozial faßt und danach fragt, wie sich die Sympathien zwischen Groß und Klein und Oben und Unten verteilen dann ist er einer. Insofern handelt es sich um eine unfruchtbare terminologische Streitfrage. (...) Entkleidet man die linke Denkwelt nämlich ihrer ökonomischen Basisannahmen, löst man sie ab von der Frage Privat- oder Volkseigentum, so verliert sie ihre traditionellen Züge ebenso wie ihren theoretischen Charakter und wird ein schwammiges Gebilde. Mit links bezeichnet man dann zwar, wo das Herz schlägt, aber kein ökonomisches Konzept. Insbesondere die linke Motivation für die Proteste und den Widerstand sind in der Hauptsache vom traditionslinken Ansatz getrieben. Nicht zufällig mobilisierten linke Gewerkschaftskreise, linksdominierte Initiativen und Splittergrüppchen wie Linksruck nach Prag. Deren ideologisches Weltbild enstpringt zuvorderst den traditonsmarxistischen Sichtweisen zwischen
Es ist nicht zu übersehen, daß die letzten überlebenden Traditionslinken Morgenluft wittern, die ihnen den Geruch der Massen in die Nasen steigen läßt. Ole-ole-ole-ole der Massenansatz ist noch okay, so könnten sie folgerichtig agitatorisch-propagandistisch trällern. Die Klassenkampfromantiker treffen sich darüberhinaus hervorragend mit den vornehmlich libertär-anarchistischen autonomen Revolutionsromantikern auf Demos immer unschwer durch die Fahnen mit der diagonal schwarz-roten Farbteilung zu verorten , deren verklärter Blick beispielsweise auf die Zapatistas, die Landlosenbewegungen und andere eher mit der wohlstandschauvinistischen Vorliebe für die dortigen naturbelassenen Landschaften und tourifreien Gegenden zu tun hat, als mit einer realistischen Sicht auf den Charakter bewaffneter sogenannter nationaler Befreiungsbewegungen.
Und nun? Beteiligung an den Protesten ja oder nein?
Der nun schon seit Jahren inflationäre Gebrauch der Begriffe Globalisierung oder Neoliberalismus als terminierte Schreckgespenster eines sich barbarisierenden Turbo-, Kasino- oder sonstwas Kapitalismus, gehört dringend vom Kopf auf die Füße gestellt, weil beide Termini in weiten Teilen der verbliebenen traditionellen wie sogenannten neuen Linken den Charakter des Kapitalismus nicht erhellen, sondern verklären. Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz ihrer Produkte, so schreiben Marx und Engels im Kommunistischen Manifest, jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarktes die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch umgestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch tagtäglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr
Aus diesem Verständnis der Kapitalzirkulation nun leitet sich ein notwendiges dialektisches Denken pro Globalisierung ab, das nichts mit der verblichenen Stamokap-Fraktion(5) zu tun hat, die alle Hoffungen des Übergangs zum Sozialismus auf die beschleunigte Monopolisierung des Kapitals setzte, und auch nicht mit den leidigen protektionistischen Heilserwartungen so mancher harmoniesüchtiger Romantiker. Nicht gegen sogenannten Neoliberalismus und auch nicht gegen die angeblich so neue Globalisierung gilt es zu Felde zu ziehen, sondern gegen den Kapitalismus, dessen Charakter nicht von der Ausbeutung einer Klasse geprägt ist, sondern von der unanbdingbaren profitabwerfenden Konkurrenz im Mehrwert-schaffenden Warentausch, die alles und jeden dazu zwingt, sich dem kapitalistischen Vergesellschaftungszwang zu unterwerfen. Wie sich weiter oben bezeichnetes dialektisches Denken hinsichtlich der Bewertung von IWF und Weltbank ausdrückt, erläuterten Gerd Kuhnen und Holger Schlüter mit einem kurzen historischen Verweis in der Zeitschrift Bahmas(6): Der Weltmarkt entstand nicht durch abenteuerliche friedliche Händler, und Kolonien entstanden nicht, weil die einen besser handeln oder tauschen konnten als die anderen. Tauschwert besaßen die Waren nur für die Kolonialisten. Den Kolonien wurden sie einfach geraubt und nicht, auch nicht gegen Glasperlen, eingetauscht. Genau das aber ist der Unterschied zum Weltmarkt mit IWF und Weltbank, wie wir ihn in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. (...) Die Funktion der Peitsche des Kolonialherren übernahmen nun die Zinssätze und die Terms of Trade. Das Kommando fiel dem in Weltbank und IWF organisierten internationalen Kapital zu, das inzwischen das durchgesetzt hat, was den Kolonialisten nur in Ansätzen gelungen war: die Ablösung der Subsistenzproduktion in die Produktion von Crash-Crops. Die naturwüchsige Gebrauchswertproduktion wurde also vollständig durch eine abgelöst, die sich ausschließlich an der Verwertung des Werts orientiert. Die Frage, die es sich zu stellen lohnt, lautet wie folgt. Welche abstrakte Analyse und Theorie repräsentiert man im Konkreten? Da es nicht möglich ist und auch nicht möglich sein darf, auf symbolische Orte und Ereignisse zu verzichten, wenn man als Linke überhaupt noch wahrgenommen werden möchte, war es auch nicht falsch, in Prag dabei zu sein. Die Ablehnung des bestehenden Gesellschaftsmodells Kapitalismus dabei im richtigen Kontext und nicht losgelöst zu präsentieren, wäre eine der wichtigsten Aufgaben einer sich erneuern wollenden radikalen Linken. Und sie müßte es auch bleiben, wenn diese Linke darüberhinaus mit Kontinuität existent sein soll. (Der Text ist die überarbeitete Fassung eines Referates, das der Autor auf einer Mobilisierungsveranstaltung zu den Protesten gegen die IWF- und Weltbanktagung in Prag mitte September in Leipzig gehalten hat und die von der Roten Antifaschistischen Aktion Leipzig organisiert wurde.)
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