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Protestrenaissance contra Salon-Dasein
Die Linke ist anwesend oder sie ist nicht. Reicht diese Feststellung schon, um gegen IWF und Weltbank zu protestieren?
Von Ralf

Prag1, 21.5k
contra, 1.5k
Prag2, 14.7k
„Ich glaube, daß bei einem Großteil des Publikums, bis in die Autonomen hinein, gerade ein Prozeß der Wertschätzung des Keynsianismus stattfindet.“
(Thomas Ebermann)
„Das Herz schlägt links.“
(Oskar Lafontaine, Keynseanist)

Der Widerstand gegen die seit über 50 Jahren existenten Institutionen IWF und Weltbank war in den westlichen Metropolen nie einer, der von Kontinuität geprägt war. Erst im Vorfeld der 1988 staffgefundenen IWF- und Weltbanktagung in West-Berlin kam es insbesondere innerhalb der deutschen Linken zu einer längerfristigen und tiefergehenden kampagnenhaften Vorbereitung von gezielten und gebündelten Gegenaktivitäten. Insbesondere auch bezüglich einer nachholenden Theoretisierung der aktionistischen autonomen Praxis.(1)
Die Schwerpunkte der neuen Metropolenlinken lagen eigentlich immer woanders. So auf dem Vietnamkrieg, der Uni, den Spontis und ihren ganzheitlichen Lebensentwürfen, dem bewaffneten Kampf von RAF, RZ und der Bewegung 2.Juni, dem nationalen antiimperialistischen Befreiungskampf oder später dann auf den Neuen sozialen Bewegungen wie Anti-AKW, Neue Frauenbewegung, Häuserkämpfen oder der Friedensbewegung.

Nach Seattle: Wer ist dieser Widerstand heute
Der allenthalben kolportierte Mummenschanz, die Protestbewegung der sogenannten Globalisierungsgegner sei eine durchweg virtuell kommunizierende ist so an den Haaren herbeigezogen wie Baron Münchhausen dereinst flunkerte, als er behauptete, er hätte sich selbst beim Schopfe gepackt und aus dem Morast gezogen.
Auch die angeblich so funkelnagelneue Protestbewegung kann die Gesetze der Kommunikationsschwerkraft, nämlich daß Menschen mit Menschen kommunizieren und dafür ganz simpel zur Verfügung stehende technologische Möglichkeiten nutzen, nicht aushebeln. Und, was nicht zu verachten ist, die Individuen dieser Bewegung erheben auch keineswegs den Anspruch, dies überhaupt zu wollen. So betrachtet wird schnell deutlich, daß die Kolonnen an Protestierern auch nur mit Wasser kochen.
„Eine bunte Vielfalt widerständiger Gruppen“ macht so auch die „Koordination Prag 2000“ aus, die in ihrer „Mobilisierungszeitung (...) gegen den IWF- und Weltbankgipfel“ schreibt, daß „die Proteste von Seattle gegen die Welthandelsorganisation (WTO) für viele Widerstandsbewegungen und vor allem für die Linke in Deutschland nach vielen Jahren wachsenden Ohnmachtsgefühls einen Wendepunkt“ darstellten.
So motiviert redet man sich dann schnell den Rest schön: „Die

Der inflationäre Gebrauch der Begriffe Globalisierung oder Neoliberalismus gehört dringend vom Kopf auf die Füße gestellt.

Belebung von sozialen und antikapitalistischen Bewegungen ist auf dem ganzen Globus zu beobachten. In den letzten Wochen haben wir Generalstreiks in Argentinien, Südafrika, Nigeria, große Landlosenproteste in Brasilien, Straßenschlachten wegen Gebührenerhebungen in Guatemala und Streiks im Öffentlichen Dienst in Norwegen gesehen. In Millau (Frankreich) kamen aus Solidarität mit Jose’ Bove’, einer führenden Figur der Kleinbauern-Gewerkschaft, der in Frankreich McDonalds-Scheiben zertrümmet hatte, über 50 000 Menschen zu einem Festival gegen Neoliberalisierung zusammen.“
Als im April diesen Jahres in Washington massive Proteste gegen das Frühjahrstreffen von IWF und Weltbank stattfanden, stellte sich das so dar: „15 000 Menschen hatten (...) demonsriert – unter ihnen viele vom US-amerikanischen Dachgewerkschaftsverband AFL-CIO. Für sie ging es weniger um IWF und Weltbank, dafür mehr um den Beitritt Chinas zur Weltandelsorganisation (WTO) – und wie man ihn verhindern kann.
Die US-Gewerkschaften befürchten, daß durch den Feihandel mit dem Billiglohnland in den Vereinigten Staaten Jobs verloren gehen. Um ihr Anliegen dennoch mit den Anti-IWF-Protesten zu verbinden, gingen die Gewerkschafter recht pragmatisch vor: ‘Kein Blankoscheck für China!’ stand auf der Vorderseite ihrer Plakate, der Slogan ‘Die Weltwirtschaft muß für arbeitende Familien funktionieren’ prägte die Rückseite. Diese nationalistischen Forderungen der Gewerkschaften waren schon Teil der Proteste von Seattle im Spätherbst des letzten Jahres gewesen.“(2)
Der Franzose Christophe Aguiton, einer der zahlreichen Aktivposten der Organisatoren von Protesten gegen WTO, IWF und Weltbank, sieht durchaus eine gemeinsame Basis der verschiedenen Protest- und Widerstandsströmungen „in drei Hauptgruppen“ als gegeben an: „Erstens im Kampf gegen die soziale Ungleichheit, die die neoliberale Globalisierung mit sich bringt. Zweitens in der Sorge um Umweltzerstörungen, vor allem die Verbreitung gentechnisch manipulierter Organismen und Nahrungsmittel. Und drittens in der

Die letzten überlebenden Traditionslinken wittern Morgenluft, die ihnen den Geruch der Massen in die Nasen steigen läßt. ‘Ole’-ole’-ole’-ole’ – der Massenansatz ist noch okay’, so könnten sie agitatorisch-propagandistisch trällern.

Sorge um den Abbau von Demokratie durch die neoliberale Reorganisierung der Welt über Organisationen wie IWF, die WTO oder die Weltbank.“
Der Tagesspiegel(3) porträtierte im Vorfeld der Tagung in Prag die deutsche Anti-IWF-Aktivistin Isabel, die wochenlang vor Ort in Prag die Proteste mit vorbereitete: „Für Isabel und die anderen (...) vereinen IWF und Weltbank alles Unheil dieser Welt. Sie sind Schuld an der Verelendung der Dritten Welt, sie zwingen den armen Ländern ihre Strukturanpassungsmaßnahmen auf und sie sorgen dafür, daß die ganze Welt nur McDonalds ißt, Nike trägt und Coca Cola trinkt. Das Schlimme ist aber, daß die meisten gern Cola trinken und Nike-Turnschuhe tragen – die ganze Welt vereint im Konsumrausch. Nur was kommt nach dem Konsum? ‘Leere’, sagt Isabel. (...) Zu McDonalds geht sie seit Jahren nicht mehr. Trotzdem konsumiere auch sie noch, sagt sie leise: ‘Kino und Bücher vor allem’. Es klingt, als müsse sie sich dafür entschuldigen, als habe sie den Kampf gegen ihr verführbares Unterbewußtsein noch nicht gewonnen.“
Die Stuttgarter Gruppe Internationaler SozialistInnen hat im Vorfeld zu Prag ein Mobilierungsflugblatt herausgebracht, das in linken Kreisen seinesgleichen sucht. Unter anderem heißt es da: „Die sogenannte Globalisierung hat (...) ein sehr diffuses Spektrum von Kritikern hervorgerufen, die zuweilen sogar mit redlichen Motiven und herzzereißender Rhetorik die Praktiken der global players und multinationalen Konzerne beklagen. In diesen Debatten steht in letzter Zeit besonders der französische Soziologe Pierre Bourdieu im Rampenlicht. Er gilt bis ins Spektrum der radikalen Linken als intellektueller Hoffnungsträger im Kampf gegen die Ideenmacht des Mythos ‘Globalisierung’, die ‘neoliberale’ Invasion und die ‘neue Weltordnung’. Bourdieu versteht sich als Verteidiger der in früheren Kämpfen errungenen sozialen Rechte, blieb allerdings bei allen seinen Interventionen bisher die Erklärung schuldig, wer für das Elend, die Armut, den Sozialabbau etc. verantwortlich sei. Die Deregulierung? Die Regierung? Der Kapitalismus? Im Endeffekt denunziert Bourdieu lediglich eine unbestimmte Technokratie und deren Strukturen, die seiner Meinung nach der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Demokratie entgegensteht. Aus diesem Sichtwinkel hat der Staat immer zwei Seiten –

Welche abstrakte Analyse und Theorie repräsentiert man im Konkreten?

eine rechte und eine linke Hand. Folglich müsse also diese ‘linke’ Hand des Staatsapparates unterstützt werden, damit dieser ‘die Verteidigung des Allgemeinwohls in die Hand nimmt’. Bourdieu und seine Anhänger bleiben verschwommen in ihrer Argumentation und enden beim längst gescheiterten Lösungsansatz: dem legendären ‘Marsch durch die Institutionen’.“
Zu konstatieren bleibt, daß sich an den Protesten gegen IWF, Weltbank und WTO die unterschiedlichsten Strömungen beteiligen: Verrückte, Okaye, weniger Verrückte, Sozialdemokraten, Konservative, Nationalisten, Linsradikale, Umweltschützer, Tierschützer, Menschenschützer und und und. Läßt sich deshalb oder dennoch von einer neuen sozialen (Protest-)bewegung mit globalem Charakter sprechen? Im traditionellen Sinne ja, denn neue soziale Bewegungen waren schon immer von inhaltlicher Diffusität geprägt, die auch gleichzeitig immer ihre relative Kurzlebigkeit beinhaltete. Dem stimmt, nicht gerade überraschend, auch die ehemalige RAF-Symphatisantin – lang, lang ist’s her – Sybille Tönnies zu. In der taz(4) schreibt sie: „Die Frage, was ‘rechts’ und was ‘links’ noch bedeutet, hängt (...) ganz davon ab, ob man die Begriffe eng und ökonomisch definiert – dann ist der fanzösische Biobauer sicherlich kein Linker – oder ob man sie weit und sozial faßt und danach fragt, wie sich die Sympathien zwischen Groß und Klein und Oben und Unten verteilen – dann ist er einer. Insofern handelt es sich um eine unfruchtbare terminologische Streitfrage. (...) Entkleidet man die linke Denkwelt nämlich ihrer ökonomischen Basisannahmen, löst man sie ab von der Frage Privat- oder Volkseigentum, so verliert sie ihre traditionellen Züge ebenso wie ihren theoretischen Charakter und wird ein schwammiges Gebilde. Mit ‘links’ bezeichnet man dann zwar, wo das Herz schlägt, aber kein ökonomisches Konzept.“
Insbesondere die linke Motivation für die Proteste und den Widerstand sind in der Hauptsache vom traditionslinken Ansatz getrieben. Nicht zufällig mobilisierten linke Gewerkschaftskreise, linksdominierte Initiativen und Splittergrüppchen wie Linksruck nach Prag. Deren ideologisches Weltbild enstpringt zuvorderst den traditonsmarxistischen Sichtweisen zwischen

Der allenthalben kolportierte Mummenschanz, die Protestbewegung der sogenannten Globalisierungsgegner sei eine durchweg virtuell kommunizierende, ist so an den Haaren herbeigezogen, wie Baron Münchhausen dereinst flunkerte, als er behauptete, er hätte sich selbst beim Schopfe gepackt und aus dem Morast gezogen.

potentiell verschwörerisch-personifiziertem oder gar antisemitisch „verkürztem“ Antikapitalismus – der Abtrennung des Finanzkapitals vom restlichen Kapitalbegriff und der Verteufelung alleinig der sogenannten multinationalen Konzerne – und dem traditionellen Klassenkampfschema von Ausbeuterklasse und Ausgebeuteten.
Es ist nicht zu übersehen, daß die letzten überlebenden Traditionslinken Morgenluft wittern, die ihnen den Geruch der Massen in die Nasen steigen läßt. ‘Ole’-ole’-ole’-ole’ – der Massenansatz ist noch okay’, so könnten sie folgerichtig agitatorisch-propagandistisch trällern.
Die Klassenkampfromantiker treffen sich darüberhinaus hervorragend mit den vornehmlich libertär-anarchistischen autonomen Revolutionsromantikern – auf Demos immer unschwer durch die Fahnen mit der diagonal schwarz-roten Farbteilung zu verorten –, deren verklärter Blick beispielsweise auf die Zapatistas, die Landlosenbewegungen und andere eher mit der wohlstandschauvinistischen Vorliebe für die dortigen naturbelassenen Landschaften und tourifreien Gegenden zu tun hat, als mit einer realistischen Sicht auf den Charakter bewaffneter sogenannter nationaler Befreiungsbewegungen.

Und nun? Beteiligung an den Protesten – ja oder nein?
Offensichtlich sehen traditionslinke Zirkel die Protestrenaissance als ein taugliches neues altes zu revolutionierendes Subjekt. Im krassen Gegensatz dazu steht die Konsequenz, die von den Resten der radikalen neuen deutschen Linken seit den 90ern stark ausgeprägt ist. Bevor man sich nämlich mit den Falschen gemein machen könnte, glänzt man lieber durch vollständige Abwesenheit. Dieses kultivierte Salon-Dasein hat derzeit insbesondere bei der Wochenzeitung Jungle World, deren Umfeld und bei großen Teilen ihrer Leserschaft Hochkonjunktur. Und es wird, so es weitergeführt werden sollte, diesen Teil der restlichen Linken dem endgültigen Scheitern zuführen oder jenen sich gar das Existenzrecht quasi von selbst entziehen lassen.
Adornos Diktum, wonach die Präzisierung des Falschen bereits ein Index des Richtigen sei, verbietet einer wirklich radikalen Linken grundsätzlich konstruktive gesellschaftliche Mitgestaltung oder Verbesserungsvorschläge. Und um sich nicht mit Rechten, Nationalisten oder Verrückten gemein zu

An den Protesten beteiligen sich die unterschiedlichsten Strömungen:

machen, gilt, was Moishe Postone in seinem wichtigen Aufsatz „Antisemitismus und Natonalsozialismus“ feststellte: „Jeder Antikapitalismus, der die unmittelbare Negation des Abstrakten versucht und das Konkrete verklärt – anstatt praktische und theoretiche Überlegungen darüber anzustellen, was die historische Überwindung von beiden bedeuten könnte – kann angesichts des Kapitals bestenfalls gesellschaftlich unwirksam bleiben. Schlimmstenfalls wird es jedoch politisch gefährlich; selbst dann, wenn die Bedürfnisse, die der Antikapitalismus ausdrückt, als emanzipatorische interpretiert werden können. Die Linke machte einmal den Fehler zu denken, daß sie ein Monopol auf Antikapitalismus hätte oder umgekehrt, daß alle Formen des Antikapitalismus zumindestens potentiell fortschrittlich seien. Dieser Fehler war verhängnisvoll, nicht zuletzt für die Linke selbst.“
Der nun schon seit Jahren inflationäre Gebrauch der Begriffe Globalisierung oder Neoliberalismus als terminierte Schreckgespenster eines sich barbarisierenden Turbo-, Kasino- oder sonstwas Kapitalismus, gehört dringend vom Kopf auf die Füße gestellt, weil beide Termini in weiten Teilen der verbliebenen traditionellen wie sogenannten neuen Linken den Charakter des Kapitalismus nicht erhellen, sondern verklären.
„Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz ihrer Produkte“, so schreiben Marx und Engels im Kommunistischen Manifest, „jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarktes die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch umgestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch tagtäglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr

Adornos Diktum, wonach die Präzisierung des Falschen bereits ein Index des Richtigen sei, verbietet einer wirklich radikalen Linken konstruktive gesellschaftliche Mitgestaltung oder Verbesserungsvorschläge.

einheimische Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander.“
Aus diesem Verständnis der Kapitalzirkulation nun leitet sich ein notwendiges dialektisches Denken pro Globalisierung ab, das nichts mit der verblichenen Stamokap-Fraktion(5) zu tun hat, die alle Hoffungen des Übergangs zum Sozialismus auf die beschleunigte Monopolisierung des Kapitals setzte, und auch nicht mit den leidigen protektionistischen Heilserwartungen so mancher harmoniesüchtiger Romantiker.
Nicht gegen sogenannten Neoliberalismus und auch nicht gegen die angeblich so neue Globalisierung gilt es zu Felde zu ziehen, sondern gegen den Kapitalismus, dessen Charakter nicht von der Ausbeutung einer Klasse geprägt ist, sondern von der unanbdingbaren profitabwerfenden Konkurrenz im Mehrwert-schaffenden Warentausch, die alles und jeden dazu zwingt, sich dem kapitalistischen Vergesellschaftungszwang zu unterwerfen.
Wie sich weiter oben bezeichnetes dialektisches Denken hinsichtlich der Bewertung von IWF und Weltbank ausdrückt, erläuterten Gerd Kuhnen und Holger Schlüter mit einem kurzen historischen Verweis in der Zeitschrift Bahmas(6): „Der Weltmarkt entstand nicht durch abenteuerliche friedliche Händler, und Kolonien entstanden nicht, weil die einen besser handeln oder tauschen konnten als die anderen. Tauschwert besaßen die Waren nur für die Kolonialisten. Den Kolonien wurden sie einfach geraubt und nicht, auch nicht gegen Glasperlen, eingetauscht. Genau das aber ist der Unterschied zum Weltmarkt mit IWF und Weltbank, wie wir ihn in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. (...) Die Funktion der Peitsche des Kolonialherren übernahmen nun die Zinssätze und die ‘Terms of Trade’. Das Kommando fiel dem in Weltbank und IWF organisierten internationalen Kapital zu, das inzwischen das durchgesetzt hat, was den Kolonialisten nur in Ansätzen gelungen war: die Ablösung der Subsistenzproduktion in die Produktion von ‘Crash-Crops’. Die naturwüchsige Gebrauchswertproduktion wurde also vollständig durch eine abgelöst, die sich ausschließlich an der Verwertung des Werts orientiert.“
Die Frage, die es sich zu stellen lohnt, lautet wie folgt. Welche abstrakte Analyse und Theorie repräsentiert man im Konkreten? Da es nicht möglich ist und auch nicht möglich sein darf, auf symbolische Orte und Ereignisse zu verzichten, wenn man als Linke überhaupt noch wahrgenommen werden möchte, war es auch nicht falsch, in Prag dabei zu sein. Die Ablehnung des bestehenden Gesellschaftsmodells Kapitalismus dabei im richtigen Kontext und nicht losgelöst zu präsentieren, wäre eine der wichtigsten Aufgaben einer sich erneuern wollenden radikalen Linken. Und sie müßte es auch bleiben, wenn diese Linke darüberhinaus mit Kontinuität existent sein soll.

(Der Text ist die überarbeitete Fassung eines Referates, das der Autor auf einer Mobilisierungsveranstaltung zu den Protesten gegen die IWF- und Weltbanktagung in Prag mitte September in Leipzig gehalten hat und die von der Roten Antifaschistischen Aktion Leipzig organisiert wurde.)

Fussnoten:
(1) Näheres zu den 88er IWF-Protesten findet sich bei Geronimo in: Feuer und Flamme – Zur Geschichte und Gegenwart der Autonomen; Edition ID-Archiv Berlin 1990
(2) in: Jungle World Nr. 17 v. 19. April 2000
(3) Ausgabe v. 04. September 2000
(4) Ausgabe v. 20. September 2000
(5) stamokap=staatsmonopolistischer Kapitalismus
(6) Ausgabe Nr. 11/ 1993



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last modified: 28.3.2007