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kultur-logo, 6.8k

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Sehtestbögen und Decodierung

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Eine Flyerparade der „besonders gelungenen“ Art.

Inhalt und Form gehören zusammen, das weiß jedes Layouter-Kind. Insbesondere gilt das, will man denn politische oder vermeintlich politische Aussagen wahlweise eindeutig oder hinterhältig an die Zielpersonen übermitteln. Im Regelfall, und das ist leider so, handelt es sich um einen Versuch, vereinzelten Gutmenschen zu dem Gefühl zu verhelfen, zu einer moralisch legitimierten Mehrheit zu gehören. Oft, zu oft artikuliert sich diese moralische Legitimation durch das Gefühl des gut seins, manifestiert durch simulierte Selbsterleuchtung a la wir sind die Guten – auch bei Linksradikalen bestens bekannt. Im besten Fall registriert man diese Gefühle als Notlüge, ansonsten und mehrheitlich sind sie eine Projektion, Fiktion und eine feste Einbildung. Zum Guten und dessen Vorstellung bedarf es natürlich auch ein Feindbild. Die Kriterien dafür existieren nicht, sind rigoros, meist wird das Naheliegendste verwandt, das, was die individuellen Freiräume am offensichtlichsten einschränkt. Ein Gebot, mit dem zu 99 Prozent die eigene Schieflage charakterisiert wird.

Drei Beispiele, deren Ursprung im weitesten Feld Alternativ-Connewitzer Ängste und Erfahrungen zu finden ist, letztlich aber nur drei von Hunderten sind, dienen nachfolgend zur Vorführung alberner Ikonen und Aktionsfelder.
Flyer, 10.9kAt first der Flyer zur Ausstellung „Hass – Schmierereien fotografiert und vernichtet“ im Kulturbundhaus Elsterstraße. Stilistisch ein Paradebeispiel, eventuell nicht einmal die Originalbewerbung, sondern das engagierte Werk zivilcouragierter Trittbrettfahrer, da handschriftliche Ergänzungen. Das Layout besticht durch collagenartige Unroutiniertheit, einer Art Symbiose aus Schnipselkleisterei und Commodore-PC 20. Der Flyer ist kopiert, daß es bei der Vervielfältigung allerdings eine Kontrasteinstellung gibt, scheint den Machern entgangen zu sein. Inhaltlich wird die alte Schublade Toleranz vs. Hass aufgemacht. Die Aussage, die Ausstellung soll in erster Linie betroffen machen, denn Betroffenheit erzeugt Erkenntnis, beweist die Anwärterschaft auf das Bundesverdienstkreuz. Knüller ist allerdings die handschriftliche Notiz, daß sich die Antifas, gemeint sind die autonomen, nicht die staatlichen, doch trotz Hass-technischer Gleichsetzung bittschön trotzdem die Bilder anschaun sollten. Danke, nein und nochmals nein – wir lehnen ab. Sozialkitsch und Gesellschaftskritik als Kunst verpackt, das ging bisher niemals gut. Flyer, 30.5k
Flyer, 17.9k Part two ist gleichzeitig auch der zweite Teil der Aktion Z wie Zivilcourage. Ein Demoauruf aus Leipzig, der überlegt, eine Party zu sein und gleichzeitig eine Party mit Demo-Formation. Egal, TAZ-LeserInnen wissen mehr und erfinden getreu dem Motto „für eine bunte welt mit bunten Menschen“ gleich mal die Rechtschreibung neu. Mit jugendlichem Charme ließe sich vielleicht noch entschuldigen, daß Gewalt mit doppeltem „L“ geschrieben wurde und man aus dem guten Rio Reiser ein „Reißer“, nicht ohne Wortwitz kreierte. Wer allerdings das Connewitzer Kreuz mit „tz“ verulkt und die Tradition diese heiligen Ortes dermaßen verunglimpft, der muß bestraft werden, notfalls mit Ausschluß vom Kunstunterricht. Ansonsten: Feindbildanalyse vereinfacht und extrem ausbaufähig. Den weiten Weg zur Revolution aber bitte nicht über die Farbenlehre gehen. Setzen.
Flyer, 15.4k Last but not least. Der Bringer schlechthin. Costa Cospuda, unser Lieblingsgewässer in den Fängen gewinnträchtiger Spekulanten. Demo, Blockaden, Aufstand – komme was wolle, auf jeden Fall kein Event-Park am Cospudener See. So mobilisiert die unheilige Allianz aus Ökolöwe, Pfarrer Führer und Alternativen aller Couleur seit Wochen via Flyer und Plakat zum zivilen Ungehorsam. Das Ideal der unberührten Natur sich auf die wehenden Fahnen schreibend, folgt eine Predigt gegen Betonparkplätze und Lärmbelästigung nach der anderen. Auch hier wird kopiert was das Zeug hält, zigtausende A4 Zettelchen fliegen durch die schöne Heimat. Mühevoll von Pfarrer Führers Sekretärin layoutet und dabei die Grenzen des Textverarbeitungsprogramms AmiPro ausgelotet. Von Schriftgröße 8 bis 40, von Kursiv bis Fett, da hält keine Werbeagentur mit. Jetski statt Südraum – nur so kann eine angemessene Antwort lauten. Denn wenn Natur- und Heimatschützer sich über die Mülltrennung hinaus um Politik scheren, wird’s gefährlich, nicht nur ästhetisch.
Inhalt und Form gehören eben zusammen, und gelegentlich entlarven sie sich gegenseitig. Gute Absichten taugen meist wenig und enden im Minenfeld der Moralisten.
Also Propagandisten, die ihr was erreichen wollt, bleibt dran! Getreu dem Motto: Vierfarbdruck statt Billigkopie – für eine stilsichere Revolution!
Lars

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last modified: 28.3.2007