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HC-Y2K ist, wenn man trotzdem lacht
cromags, 11.9k Sicher kann man das Szenario des düsteren New York City im Jahr 1980 entwerfen, als fast alle Kids sich mit Heroin und Kokain zuknallten, die Häuser immer höher gebaut wurden, Gangs die Straßen beherrschten und zu guter letzt sich niemand auch nur ein wenig um die kids kümmerte. Ihr Ausweg war die Musik, welche in Anbetracht der gesellschaftlichen Umstände nicht hart und schnell genug sein konnte. Ab jetzt wurde alles besser – die „harten“ Drogen wurden nicht mehr so exzessiv genutzt wie vorher. Doch ohne ging es verständlicherweise nicht – also jeden Tag Bier und Jack Daniels. Ihre Probleme mit sich und der Welt wurden in die Clubs getragen, um sie der eingeschworenen HC-Gemeinde zu präsentieren. Das ist heute auch noch so – zumindest die mehr oder minder spannenden Probleme der kids werden der eingeschworenen Gemeinschaft dargelegt.
Was ein Großteil genau dieser verpasst hat, ist nicht, daß das System in welchem wir uns bewegen nach wie vor scheiße ist, sondern die Bewegung auf dem Zeitstrahl – um 20 Jahre nach vorn. Wenn also Cro-Mags im Jahre 2000 – als HC-Geschichtsunterricht – das Bild des NYC von 1980 wiederbelebt, ist es noch im Rahmen des Verständlichen. Wenn aber Disrespect – gegründet 1994 in Berlin – so oder ähnliche Szenarien heute entwirft, sollte den kids mit ein wenig logischem Denken nur bedingt das Lachen im Halse stecken bleiben. Bedingt meint hier, daß die Texte zum ausstoßen eines durchaus lauten Lachens geeignet wären, aber die Musik auf alles, was mit Hass und Gewalt verbunden wird, problemlos projizierbar ist. Auf jeden Fall kann das Ernstnehmen solch Inhaltlicher Ausrichtung nur in die Sackgasse führen – Weltverschwörungstheorien gekoppelt mit dem Einpassen in vorgefertigte Opferrollen liegen nahe. Die Musik, welche nach wie vor nützlich für Gefühle der etwas härteren Sorte ist, erlangt ausschließlich damit (Hass-Gefühle) ihre Berechtigung. Von Hardcore heute abverlangen zu wollen, er müsse gesellschaftliche Mißstände aufzeigen und somit angreifbar machen, ist eine Illusion. Dies kann nur erreicht werden, wenn Subkultur nicht mehr als Durchlauferhitzer für linke Politik betrachtet wird – sondern als Subkultur für das freizeitliche Vergnügen nach dem politischen Engagement. Am besten sich alsbald von dem Begriff Subkultur trennen und die Dinge beim Namen nennen – Mainculture. Worauf diese Schlussfolgerung abziehlt, ist, sich nicht mehr dem schönen Leben in einer Nische zu widmen, weil die Welt da draußen so „schlimm“ ist, sondern die Welt verändern zu wollen mit der Gewissheit, momentan selbst ein Teil dieses Systems zu sein. Hardcore kann somit auch nicht mehr als Widerstand gegen bestehende Verhältnisse betrachtet werden, sondern kann – im Zeichen der neuen Beliebigkeit, musikalischer Vorlieben – als individueller Musikgeschmack fungieren. Aus genau diesem Grund ist das Konzert von Cro-Mags und Disrespect eine Veranstaltung, die nicht verpasst werden sollte, um erstens das Level der Ernsthaftigkeit beider Bands in Erfahrung bringen zu können, damit entweder lauthals gelacht oder der persönliche Frust-Stau abgebaut wird. Und um zweitens die Erkenntnis zu erlangen, dass persönliches Vergnügen nach den täglichen politischen Arbeiten um Längen besser ist, als zu meinen, dass das persönliche Vergnügen die politische Arbeit wäre.
Mausi
disrespect, 16.2k


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last modified: 28.3.2007