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Out of control?
Die Linke und der Pop.

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Der linke Diskurs über Pop und Politik gleicht einem guten Alk-Rausch. Was euphorisch beginnt, endet mit dem Schwur, in Zukunft die Finger davon zu lassen. Die Diskussion über das Verhältnis der Linken zur Kultur reicht bis in die Hochzeiten der Arbeiterbewegung zurück. Damals wurde über die revolutionäre Ästhetik, die adäquate Abgrenzung der Arbeiterklasse vom bürgerlichen Kulturbetrieb gestritten. Mit dem Entstehen einer bürgerlichen Massenkultur, dem Wegfall bzw. der lebenswirksamen Verschleierung von Klassengrenzen und der Entstehung einer Linken, die in den hochindustrialisierten Ländern nicht mehr ökonomisch motiviert ist, sind die Aspekte und Positionen um einiges vielfältiger geworden. Geblieben ist der abwechselnde Glaube an die Heilswirkung von Pop/Kultur oder ihre Verteufelung.
Das schwierige Verhältnis läßt sich wohl am besten an einem konkreten und weniger angestaubten Beispiel verdeutlichen. Bis vor drei Jahren galten die Besuche von Hardcore-Konzerten im Conne Island nicht nur als Ausdruck eines spezialisierten Musikgeschmacks, sondern als Teil einer oppositionellen Alltagspraxis. Auch ohne politisch explizite Inhalte und Symbole begriffen sich die Mitglieder der HC-Gemeinde als Teil einer Gegenkultur, die nicht nur eindeutig von einem Mainstream unterschieden werden
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„ ... ästhetische Vermittlung linker Inhalte und Positionen ... „
konnte, sondern diesen subversiv attackierte. Independent-Labels, billige Preise, Selbstausbeutung standen für einen gelebten Antikapitalismus. Klamotten, Style, Sprache, verschiedene Formen des Umgangs mit Drogen (zwischen gar nicht saufen, kiffen etc. und übelst viel saufen, kiffen, etc.) begriff man in der Szene als praktizierbare Formen von Rebellion.
Im Westen war zu diesem Zeitpunkt das Subversionsmodell HC/Punk schon einige Jahre früher erschüttert wurden, hier wie dort sollte es sich aber teilweise bis heute mit anderen Kultursparten (Dance, HipHop, etc.) verknüpfen. Am Beispiel des Conne Island läßt sich aber auch sehr gut nachvollziehen, wie sich die Relationen im Allgemeinen verschoben haben. Der emphatischen Hoffnung auf die Sprengkraft von Subkulturen hängt heute wohl kaum noch jemand an. Vielmehr existiert eine relativ strikte Trennung zwischen einer jeweils desillusionierten politischen und einer kulturellen Fraktion.
Im Gegensatz zum allgemeinen Auseinandertrifften von Pop- und Politikfraktionen erzwingt im Connewitzer Kulturprojekt eine verbindliche Struktur (beim Montagsplenum müssen sich alle treffen, die am Gesamtprojekt teilhaben wollen) immer noch gemeinsame Diskussionen, obwohl es eigentlich kaum Interessen und Handlungsüberschneidungen gibt. Mit anderen Worten, bei einem HC-Gig im Conne Island mobilisiert die Antifa heutzutage tendenziell genau so wenig Teilnehmer für eine Demo wie bei einem Bon Jovi-Konzert. Umgedreht interessieren sich Antifas heute für alle möglichen Musikstile, HC ist, wenn überhaupt, einer unter vielen.
Natürlich gab es auch schon früher spezielle Interessenfelder, allerdings verstanden sich die Kulturschaffenden damals immer auch als Teil einer politischen Bewegung und wurden von den Politniks in dieser Auffassung bestärkt. Die HC-Events wurden gemeinsam von den „Fraktionen“ vorbereitet, gemeinsam wurde auch gefeiert. Zusammen Demonstrieren ging man schon damals seltener.
Der Anfang vom Ende dieser fröhlichen Übereinkunft, die nicht nur dem Conne Island einige Attraktivität brachte, sondern beispielsweise generell für die eine Zeit lang faszinierende Verbindung von Politik und (Lebens-)Kultur bei den Autonomen sorgte, war die Einsicht, daß Jugendkulturen nicht per se ein revoltierendes Moment in sich tragen. Sie verband sich mit der Beobachtung von Malcom-X-Kappen-Trägern, die begeistert an den rassistischen Pogromen in Rostock-Lichtenhagen beteiligt waren.
Programmatisch wurde der Abschied der Linken vom Pop mit der Entdeckung, daß Subkultur nur noch ein Projekt der Unterhaltungsindustrie ist. Immer deutlicher erwies sich der Unterschied zwischen Underground und Mainstream als konstruiert. Der Mainstream inszenierte sich selbst minderheitlich in Form der verschiedensten Musikströmungen. Die partikularen Subsparten offenbarten sich als hervorragende Produktpalette für die Konsumbedürfnisse einer individualsierungshungrigen, weil real gleichgeschalteten Masse. Gemeinsam war den Subszenen ihr kapitalistisches Funktionsprinzip. Der Anspruch auf gelebte Gegenkultur und Subversion der Verhältnisse verkam zur oberflächlichen Phrase, die noch heute den Linken die Repräsentation ihres Handelns erschwert. Spätestens mit dem Start des Musikfernsehens fiel es den Politischen wie Schuppen von den Augen, daß es sich die Protagonisten der Subkultur bequem gemacht hatten. Statt zu unterwandern, partizipierten sie an den bestehenden Verhältnissen. Daß die Vergnügungsindustrie eine kulturelle Freiheit nur vorspiegelt, dieses Trugbild aus entsprechenden Waren zusammengesetzt ist, war an sich keine brandneue Erkenntniss. Nur wurde sie Mitte der Neunziger, als Independent-Bands bereits mit der ersten oder zweiten Platte (z.B. Nirvana) bei einem Major-Label veröffentlichten, deutlicher denn je.
Die Abkehr der Linken vom Subversionsmodell Pop blieb nicht ohne Folgen. Und
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„noch ästhetischere Vermittlung linker Inhalte und Positionen ... „
dies meint eher weniger, daß nun alle, die sich in den jeweiligen Szenen schon lange von den politischen Spaßverderbern genervt fühlten, mit gutem Gewissen ihren Start in der Industrie wagen konnten. Die Langweiler, die sich nun extrem wichtig durch die Produktionsbüros und Verkaufsagenturen drängeln, sind natürlich ähnlich dämlich wie traditionelle Staubsauger-Vertreter. Ihr schlichtes Wesen, welches sich nach Ruhe und beruflichem Erfolg sehnt, erleichtert wenigstens extrem den Umgang mit ihnen. Wo es möglich ist, ignoriert man sie.
Schlimmer schon ist der Niedergang von Projekten, deren Reiz genau in der Verbindung von Politik und Kultur lag. Zeitschriften wie „Die Beute“ oder „17C“ waren vielleicht unter den falschen Voraussetzungen, oder besser, den jetzt geplatzten Blütenträumen von der Subversion angetreten, schafften es aber, einer qualitativ hochwertigen Kulturkritik Gehör zu verschaffen, die aus politischer Perspektive das Kulturelle, also auch den Pop sehr ernst nahmen. Oft gelang es ihnen so ganz nebenbei Politikvermittlung aufzupeppen und sehr angenehm von trister Phrasendrescherei abzuheben.
Am verherensten wirkte der Rückzug der Linken vom Pop allerdings auf dessen Diskursqualität. Man hätte die Pop-Fraktion nicht alleine zu Haus lassen sollen, ein bißchen mehr Aufsicht hätte auf jeden Fall nicht größeren Schaden anrichten können, als er heute zu konstatieren ist. Exemplarisch für einen Teil der Involvierten, der sich über seine Anspruchslosigkeit freut, sich damit brüstet, nur Spaß zu wollen und auf keinen Fall politisch korrekt zu sein, ist, um es auch hier konkret zu machen, TAM-Sänger Donis. In Leipzigs rechtester Tageszeitung (LVZ) bettelt er um Aufnahme in den Club der Big Brother-Doofen. Es ist zugegebenermaßen traurig, daß ehemalige Subkulturheroen ihr kritisches Gespür in irgendeinem verpisstem Backstage zwischen Lugau und Köln verloren haben und sich jetzt zu Werbeträgern der Spaß- und Überwachungsgesellschaft erniedrigen.
Ebenso bitter war die Erfahrung, die das Conne Island vor einem Jahr machen mußte, als sie mit öffentlichem Protest einen HC-Veranstalter in Chemnitz kritisierte, weil stramme Nazis zur geduldeten Klientel gehörten. Die Hoffnung auf einen Grundbestand alter Bedeutungen in der Szene wurde schnell enttäuscht. Statt Entgegenkommen, Verständnis und Solidarität erntete die Initiative im Großen und Ganzen nur feige Ausflüchte und Desinteresse. Ähnlich die Situation bei der regionalen Auflage des Diskurses um nationale Segmentierung des Pop. Unbedarfte Idealisten fuhren mit dem Festival „Neue Beiträge zur deutschen Popkultur“ die nationale Pop-Schiene und mußten sich wundern, als sie von den zur Podiumsdiskussion angetretenen Kultur-Linken, welche man wahrscheinlich nur vom Namen und nicht wegen ihrer Texte kannte, die Leviten gelesen bekam. Auch hier wurde offenbar, daß die Linken mit ihren Rückzug Diskursterrain verloren hatten. Auf einmal war der größte Schwachsinn möglich und das, was noch vor ein paar Jahren als selbstverständlich galt, war heute gleich eine Art Kriegserklärung. Die Liste ließe sich noch eine gute Weile fortsetzen, denkt man beispielsweise an die sich normalisierende Rezeption von Leni Riefenstahl, den verschwindenden Widerstand gegen die Neue Deutsche Härte, den Nazi-Scheiß in der Gruft-Szene, usw., u.s.f.
Jedenfalls dämmert es jetzt einigen Linken, daß der einfach so weggeworfene Pop ganz schnell zu einem unangenehm wirkenden Bummerang werden kann. Das verlorene Diskursterrain wieder zu besetzen, wird sehr schwierig sein. Es fehlt die Leidenschaft, die sich früher aus der Utopie von der popkulturellen Subversion speiste. Ein weniger illusionäres Kulturkonzept ist trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung.
Dahin geht es auch schon. Übereinstimmend stellen linke Publizisten fest, daß mit Kultur Politik gemacht werden kann und muß. Die Vermittlung linker Inhalte und Positionen ist auf eine ästhetische Vermittlung angewiesen. Weil sie sonst gar zu trocken und langweilig daherkommen und im gegenwärtigen Mediengetümmel wie eine trockene Zitrone auf dem Obstmarkt verschmäht würde. Ohne also in Zukunft im Pop automatisch etwas Rebellisches oder großartig anderes zu sehen, sollte sich die Linke wieder daran machen, die Rahmen- und Rezeptionsbedingungen von Kultur zu politisieren. Starre Formalismen sind dabei der falsche Weg, auch der Antifa-Zuschlag auf jede Eintrittskarte im C.I. sollte immer wieder überprüft und gegebenenfalls gerechtfertigt werden. Hauptsache ist jedoch, daß die Pop-Fraktion nicht mehr einfach in Ruhe gelassen wird, wie es bisher vor allem außerhalb des Conne Islands der Fall war.
Gegenteiliges könnte dann so aussehen wie der Protest gegen die Nationalisierung des Pop vor dem Werk II; ein Beispiel für die Beeinflussung eines Pop-Diskurses oder wie die „Tanz den Antifa“-Party des Antifaschistischen Schulnetz im C.I., wo symbolisch der Verständniszusammenhang schon durch annähernd 50 aufgehängte Transparente aufgedrängt war und damit auch der Versuch, politische Inhalte ästhetisch zu vermitteln. Und falls es immer noch eines richtungsweisenden Beispiels bedarf, so kann auch das Verhältnis von Pop und Politik in jedem CeeIeh-News-Flyer dafür herhalten.
Ob sich im jetzt etablierten Pop-Spektrum für solche Repolitisierungsstrategien noch offene Ansprechpartner finden ist sehr fraglich. Wenn nicht, dann bleibt die ganze „Wir wollen doch nur Spaß“-Bagage zwar kein Adressat für Kritik, die nur bei Diskussionsbereitschaft Sinn macht, aber als negatives Objekt, von dem sich Besseres vorzüglich abgrenzen kann, taugt sie dann um so besser.
ulle

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last modified: 28.3.2007