im folgenden dokumentieren wir einen offenen Brief des Roten Stern an den FC
Sachsen Leipzig, Auszüge aus MDR-online und die Reaktion vom FC Sachsen
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Offener Brief an den FC Sachsen Leipzig zu den
wiederholten verbalen vom Verein unkommentierten Ausartungen
gegen MigrantInnen, Juden und Homosexuelle durch Anhänger des Clubs
Als Chemie-Fans im und beim Roten Stern Leipzig und als regelmäßige
Besucher der Heim- und Auswärtsspiele des FC Sachsen Leipzig fällt
uns immer häufiger auf, daß große Teile des Publikums sich im
Stadion mit rassistischen und antisemitischen Parolen und Gesängen
artikulieren. Zum Beispiel symbolisiert die Äußerung Nur ein
Leutzscher ist ein Deutscher (auch gebraucht von Präsident Thomas
Till) einen eindeutigen nationalistischen Hintergrund. Dies impliziert eine
Ausgrenzung von Menschen, die sich nicht als deutsch begreifen wollen oder
einem anderen Kulturkreis angehören. Man bemerke an dieser Stelle,
daß der FC Sachsen Leipzig mehrere Spieler aus eben anderen Kulturkreisen
unter Vertrag hat.
Außerdem sind antisemitische Liedtexte wie jener von der U-Bahn nach
Auschwitz, welche vom Verein und der Vereinsführung kommentarlos
hingenommen werden, für uns nicht tragbar. Wir können und wollen uns
nicht mit einer Fankultur identifizieren, welche den geschichtlichen
Hintergrund von Auschwitz den Holocaust nicht begreift und
verharmlost, und sich damit revisionistischer, nationalsozialistischer
Ideologien bedient.
Desweiteren können wir nicht akzeptieren, daß Homosexuelle
diskriminiert werden, indem ihre sexuellen Neigungen für
Schimpfwörter herhalten müssen (schwule Sau,
Schwuchtel usw.).
Deshalb fordern wir eine Stellungnahme zu den angeführten
Mißständen, in der sich der Verein öffentlich von diesen zur
Normalität gewordenen Gegebenheiten distanziert. Ebenso
fordern wir eine interne Auseinandersetzung mit den Problemen sowie eine
Diskussion mit den Fans.
Chemie Fans i.u.b. RSL
c/o Roter Stern Leipzig 99 e.V.
Koburger Str. 3
04277 Leipzig
Tel.: 0173 - 4545415
FC Sachsen distanziert sich von antisemitischen Sprüchen
Der FC Sachsen hat sich von ausländerfeindlichen und antisemitischen
Sprechchören einiger Zuschauer distanziert. Zugleich wies der
Regionalligist die Kritik von sich, er nehme entsprechende
Äußerungen kommentarlos hin.
Von allen Formen von Diskriminierung distanzieren wir uns entschieden.
Prinzipiell von Sprechchören und Gesängen beleidigender Art, welche
sich gegen ausländische Mitbürger, Menschen jüdischer Abstammung
oder Homosexuelle wenden, teilte Sachsen-Präsident Till am Freitag
in einer Presseerklärung mit.
Vorwürfe und Gegenvorwürfe
Anhänger des FC Sachsen, die Chemie-Fans Roter Stern Leipzig,
hatten in einem Offenen Brief kritisiert, der FCS nehme nationalistische und
antisemitische Sprüche kommentarlos hin. Dazu gehörten das Lied von
der U-Bahn nach Auschwitz und der Ruf Nur ein Leutzscher ist
ein Deutscher. Letzteren Spruch habe auch Präsident Till von sich
gegeben.
Till verteidigte den letzteren Spruch. Die Kritiker hätten nicht die
geringste Ahnung. Nur ein Leutzscher ist ein Deutscher sei in den
80er Jahren, aus Protest gegen in der DDR verpönte Deutschtümelei
entstanden. Till vermutet hinter dem Offenen Brief eine gezielte Attacke, um
vor den entscheidenden Spielen im Kampf um die dritte Liga Unruhe im Umfeld des
Vereins zu schüren.
Bestätigung von anderer Seite
Ein anderer Leutzscher Fanclub, Die Weitegreisten, bestätigte,
dass im Alfred-Kunze-Sportpark das antisemitsischen Lied eine U-Bahn
bauen wir... gesungen wird. Die FCS-Anhänger wiesen aber darauf hin,
dass dies in vielen deutschen Stadien der Fall sei. Kritik am Verein
ließen sie wie auch Till nicht zu. Sie nehmen an, dass die Sachsen-Fans
vom Roten Stern aus der linken Szene kommen, was wohl
aussagekräftig genug ist...
aus mdr-online, vom 06.05.2000
Stellungnahme des Präsidiums des FC Sachsen Leipzig 1990 e.V. zu einem
Offenen Brief von Chemie-Fans (Roter Stern Leipzig)
Der FC Sachsen Leipzig nimmt Stellung zu den Vorwürfen von Chemie-Fans,
die sich zu Ausartungen gegen MigrantInnen, Juden und Homosexuelle durch
Anhänger des Clubs äußern.
Das Präsidium des FC Sachsen Leipzig distanziert sich schon immer und
prinzipiell von Sprechchören und Gesängen beleidigender Art, welche
sich gegen ausländische Mitbürger, Menschen jüdischer Abstammung
oder Homosexuelle wenden. Dies entspricht nicht den Grundsätzen und Ideen,
welche in unserem Verein gelebt und umgesetzt werden.
Beim FC Sachsen spielen etwa 300 Kinder, Jugendliche und Erwachsene
Fußball. Wir können mit Bestimmtheit sagen, dass es bei der Aufnahme
in unseren Verein keine Rolle spielt, wer welche Neigungen, Herkunft oder
Ansichten hat. Dies beweist auch die Tatsache, dass mittlerweile Menschen aus
13 Nationen beim FC Sachsen arbeiten und spielen.
Der in Istanbul geborene Trainer und Nachwuchsleiter des FC Sachsen, Volkan
Uluc (30), distanziert sich ebenfalls von den Vorwürfen: Ich muss
solche Unterstellungen entschieden zurückweisen.
Ausländerfeindlichkeit beim FC Sachsen ist eine reine Erfindung. Im
Gegenteil: die bei mir in der A-Jugend spielenden Jungs aus Bosnien, Angola,
der Ukraine und Vietnam sind genau wie ich sehr offen und freundlich im Klub
aufgenommen worden. Es macht Riesenspaß, hier zu arbeiten! Wenn es
unter den Fans einzelne Äußerungen diskriminierender Art geben
sollte, so Uluc, sei das eine verschwindend geringe Minderheit, die es
überall gebe und denen nicht zu helfen sei.
Präsident Thomas Till kommentiert die Vorwürfe zum Spruch Nur
ein Leutzscher ist ein Deutscher so: Uns wegen dieses Spruches
heute Ausländerfeindlichkeit vorzuwerfen, ist ungeheuerlich und zeigt nur,
dass diese Leute, von denen das kommt, nicht die geringste Ahnung haben.
Der Spruch entstand Mitte der 80er Jahre als provokante Reaktion der Fans
auf die von der DDR verfolgte und verpönte Deutschtümelei. Das
war reine Provokation gegenüber dem DDR-Staat, genau wie Gesänge
Ran an die Roten oder andere, so Thomas Till. Dass sich der
Spruch bis heute erhalten habe, wo man eine andere Bedeutung
hineininterpretieren könne, ist nur schwer zu ändern.
Zu den weiteren Vorwürfen meint der Präsident: Von allen Formen
von Diskriminierung distanzieren wir uns entschieden. Das aber bereits seit
Jahren und sehr bestimmt, beispielsweise über unser Programmheft.
Desweiteren gab es auch schon eine Aktion FC Sachsen gegen Rassismus und
Ausländerfeindlichkeit, als sich der Verein 1994 gegen jede Form der
Diskriminierung wandte. Einen Text, der den Holocaust und Auschwitz zum Inhalt
hat, kennt der Präsident nicht: Von so etwas habe ich noch nie
gehört. Das glaube ich auch nicht, dass es so etwas gibt.
Das Präsidium des FC Sachsen gibt vielmehr seiner Verwunderung Ausdruck,
dass ein solcher Brief wie von den angeblichen Chemie-Fans, gezielt
an die Öffentlichkeit gebracht wurde und an Zeitungen,
Nachrichtenagenturen sowie Radiosender geschickt wurde. Wenn es ein
solches Problem wirklich gäbe und sich jemand ehrlich darum Gedanken
machen würde, wäre es doch logisch gewesen, sich direkt an uns zu
wenden, sagt Thomas Till. Er vermutet hinter dem verbreiteten Brief eine
gezielte Attacke und Verleumdung, um Unruhe vor den entscheidenden Spielen um
die Erreichung der 3. Profiliga zu schüren.
Leutzsch, am 5.5.2000
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