Feminismus als Grundlage
Frauen müssen sich überlegen, wo und wie sie rumlaufen, welche Verkehrsmittel
und Wege sie benutzen, um die Gefahr der Vergewaltigung, sexueller Belästigung
und Erniedrigung einzugrenzen das ist ihr Alltag ebenso wie die Realität von
Eßstörungen und Selbsthaß, die aus der Reduzierung auf Körperlichkeit folgen.
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Feminismus, also Frauenkampf, zielt auf die Emanzipation der Frauen und damit
auf die Überwindung des Patriarchats, der Männerherrschaft.
Patriarchat bedeutet, daß es materielle Strukturen und allgemeine Werte
und Normen gibt, durch die Frauen als Geschlecht ausgebeutet und
unterdrückt werden.
Feminismus thematisiert die Geschlechterverhältnisse und ist damit gleich
in dreifacher Weise grundlegend für linke Politik: mit der Kampfstellung
gegen Biologismus wird ein rechtes Kernkonzept bekämpft; zudem
geht es um Frauenorganisierung, die unmittelbar interne Konsequenzen in der
gemischten Linken erfordert.
Das letzte Glücksversprechen
Für die meisten ist das Geschlecht einer Person, mit der sie in Beziehung
treten, das als erstes registrierte Merkmal. Das steht im Zusammenhang mit der
Bedeutung von Intimbeziehungen als letztem Band im Bereich des Sozialen, wo
ansonsten völlige Gleichgültigkeit vorherrscht. Mit der
gesellschaftlich geförderten Illusion der Aufhebung individueller Grenzen
und Verschmelzung der Einzelnen wird auf Ideale eines utopischen Kollektivismus
zurückgegriffen. In diesem Bereich soll der Einzelne entschädigt
werden für die Entbehrungen im kapitalistischen Alltag. Sexualität
soll Beziehungen zusammenhalten, Selbstverwirklichung ermöglichen und
Selbstwert geben, in einer Gesellschaft, die es zunehmend schwerer macht, sich
etwas wert zu fühlen. Alle Unzufriedenheit, politisch, gesellschaftlich,
persönlich, soll ins Private abgelenkt, auf dem sexuellen Beziehungsgebiet
kompensiert werden.
Innerhalb der Machtbeziehungen gehört Sexualität zu den am
vielseitigsten einsetzbaren Elementen. Besonders deutlich zeigt sich dies in
der Ökonomie: In der Sexualisierung der Werbung, oder in dem boomenden
Sextourismus in Billiglohnländer als Fortsetzung der
Kolonialisierungsgeschichte. Weder Video-Rekorder noch Pay-TV hätten sich
ohne Erotikangebote derart schnell durchgesetzt. Die Schwerpunktsetzung auf das
optische Erscheinungsbild fördert zudem Moden und Körperkult der
Werbeästhetik. So dient Sexualität als motivierendes letztes
mögliches Abenteuer, als übriggebliebenes Glücksversprechen.
Marx und Freud
Mit der Verknüpfung von sexueller und politischer Befreiung wurde von der
68er Linken die Rolle von Sexualität zum Thema gemacht. Die Auflehnung
gegen die in den 50ern vorgefundene gesellschaftliche Erstarrung beinhaltete
die Infragestellung der konservativen Sexualmoral und ihrer gesellschaftlichen
Funktion. Für die Konservativen funktioniert der Kapitalismus am besten,
wenn der zerstörerische Verwertungsdruck der Kapitallogik auch ideologisch
und erzieherisch begleitet wird durch den Versuch, das Individuum klein zu
kriegen durch Moral, Pflichten, Religion. Dies geht grundsätzlich
mit Einschränkungen und Verboten sexueller Aktivitäten einher.
Zentrales Anliegen der tonangebenden Neomarxisten war die Verknüpfung von
Marx und Freud und dessen Psychoanalyse. Aus heutiger Sicht ist Freuds Bild von
Frauen als Mängelwesen überholt. Entscheidend war aber der neue
Aspekt in Freuds Theorie: Die gesellschaftliche Bedeutung von Sexualität.
Die Enttabuisierung von Sexualität wurde Teil der Strategie der 68er, den
gesellschaftlichen Normalzustand aus den Angeln zu heben. Im Vordergrund stand
die Propagierung von freier Sexualität, d.h., Sexualität
unabhängig von Familienverhalten und Fortpflanzung als eine Art der
sozialen Kommunikation zu definieren. Orientierung am Lustgewinn stand im
Vordergrund, also an Entspannung und Zufriedenheit, der Schaffung von Nähe
und der Aufgabe von trennenden Hemmungen. Damit einher ging die Propagierung
von Formen des Zusammenlebens, unabhängig von Kleinfamilie und
Überbetonung von Intimbeziehungen als einzig verbindliche Bindungsform.
Als linke Ansätze ergaben sich desweiteren: Das Eintreten für die
Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen und die freie Wahl des
Sexualpartners.
Eingeleitet durch die Bestrebungen der 68er setzten sich in allen westlichen
Industriestaaten liberale Strömungen durch. Für die Liberalen
funktioniert der Kapitalismus am besten, wenn den Leuten ihre kleinen
Freiheiten und Eitelkeiten gelassen werden, in Bezug auf das äußere
Erscheinungsbild, Lebensstil und sexuelle Orientierung. Sexualität ist in
dieser Logik durch ihre Allgegenwart als Warenform für eine subversive
Strategie untauglich geworden.
Patriarchat ist der tägliche Krieg gegen Frauen
Fahndungsplakat Ulrike Meinhof (RAF)
Eine der grundlegenden Regeln jeder Anti-Terror-Ausbildung lautet in diesem Zusammenhang
erschießt zuerst die Frauen: Diese Erfahrung teilen auf die eine
oder andere Art alle Frauen, im privaten wie im öffentlichen Leben.
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Sinnvoller ist unter diesen Bedingungen die Agitation gegen gesellschaftliche
Verhältnisse, in denen Frauen auf ihre Sexualität reduziert, dadurch
auf eine bestimmte Rolle festgelegt und als minderwertig behandelt werden.
Diese Erfahrung teilen auf die eine oder andere Art alle Frauen,
im privaten wie im öffentlichen Leben.
Frauen müssen sich überlegen, wo und wie sie rumlaufen, welche
Verkehrsmittel und Wege sie benutzen, um die Gefahr der Vergewaltigung,
sexueller Belästigung und Erniedrigung einzugrenzen das ist ihr
Alltag ebenso wie die Realität von Eßstörungen und
Selbsthaß, die aus der Reduzierung auf Körperlichkeit folgen.
Deutlichster Ausdruck dieser Verhältnisse ist die Gewalt, die immer noch
zum Alltag vieler Frauen gehört. In der BRD wird alle drei Minuten eine
Frau vergewaltigt, sexueller Mißbrauch ist die Realität jedes
dritten Mädchens.
Ökonomisch dienen Frauen, ausgeschlossen aus dem öffentlichen Leben
und festgelegt auf ihren privaten Zuständigkeitsbereich, der
Wiederherstellung männlicher Arbeitskraft durch unbezahlte Hausarbeit, die
Zuständigkeit für das seelische Wohlergehen der Familien und der
sexuellen Befriedigung des Mannes. In Notsituationen bilden sie im Kapitalismus
eine industrielle Reservearmee, auf die je nach Bedarf nach billigen
Arbeitskräften zurückgegriffen wird. Immer noch bekommen Frauen
für dieselbe Arbeit weniger Geld als Männer und betrachten sich oft
als Dazuverdienerinnen. In Kriesenzeiten sind sie als erste von
Entlassungen und Kürzungen im Sozialbereich betroffen.
Biologisierung als rechtes Programm
Die Rolle der Frau wird als naturgegebenes Schicksal dargestellt. Dabei beweist
schon ein historischer Vergleich die Hinnfälligkeit vieler
Wesenszuschreibungen. So ist die angeblich angeborene Mutterliebe eine
bürgerliche Erfindung. Bis ins achtzehnte Jahrhundert wurden
ungewünschte Neugeborene einfach getötet. Frauen, die es sich
finanziell leisten konnten, übergaben das Kind einer Amme, bis es alt
genug war, um nicht mehr störend zu wirken.
Auch die Erziehung der Kinder ergibt sich nicht aus der Biologie.
Selbstverständlich unterscheiden sich die Körper der Geschlechter in
ihren Funktionen zur Produktion der Gattung. Aber in einer nach den simpelsten
Gerechtigkeitskriterien organisierten Gesellschaft müßte es
selbstverständlich sein, daß nach der Geburt des Kindes der Vater
die Staffette übernimmt, von kollektiven Lösungen ganz zu schweigen.
Es gibt keinen physischen Grund, der dem angeborenen Kind die leibliche Mutter
unentbehrlich machte.
Der Rückgriff auf die angebliche Natur als Erklärung
für gesellschaftliche Zustände ist ein Kernkonzept der Rechten unter
dem Namen Biologismus. Natur wird dabei als eine Metapher für
Unveränderbarkeit eigesetzt; Menschen werden auf ihre Körper
reduziert. Das dahinterstehende Menschenbild ist das eines Wesen, das sich
über alle Zeiten und Orte hinweg nur im Rahmen seiner zugeschriebenen
biologischen Grundausstattung entfalten kann. Biologismus funktioniert stark
suggestiv und arbeitet häufig mit Gleichsetzungen, insbesondere zwischen
menschlichen und tierischen Verhalten oder zwischen gesellschaftlichen und
organischen Strukturen. So wird Verhalten als statisch-naturgegeben
interpretiert, meist zur Entschuldigung der eigenen Praxis, z.B. von
Brutalität und Egoismus als Kampf ums Überleben. Ihre
Extremform findet dieses Konzept im Faschismus mit dem Rassenwahn, dem
soldatischen Mann und der Verherrlichung des Krieges als
Gesetz der Natur. Doch der Mensch ist nicht das Vollzugsorgan
seiner Biologie. Er ist Verwandlung, Veränderung, Entwicklung. Der
menschliche Körper ist ein Schlachtfeld sozialer Betsimmungen und eben
keine überzeitliche Triebressource. Alle Verhaltensweisen sind biologisch
interpretierbar und trotzdem in freiwilligen Entschlüssen verwurzelt.
Die Gene sind es nicht
Darum setzt die Linke auf Lernfähigkeit und Weiterentwicklung, also vor
allem auf die Veränderung der äußeren Einflüsse, der
gesellschaftlichen Strukturen. Welcher Bestandteil menschlichen Verhaltens
biologisch begründet ist, läßt sich beim momentanen Stand der
Wissenschaft nicht beantworten, denn weder Gene noch Hormone noch die
Beschaffenheit des Gehirns entfalten ihre Wirkung unabhängig von
Umwelteinflüssen. Der trotzdem ständig stattfindende Versuch,
gesellschaftliche Realitäten wie Rassismus oder Sexismus mit
Natur zu begründen, ist ein Hauptangriffsfeld der
Feministinnen.
Das Private ist politisch
Innerhalb der Linken ergibt sich die Bedeutung des Feminismus vor allem durch
die Thematisierung der eigenen sozialen Rollen im Alltag. Dies ist ein guter
Gradmesser für die Bereitschaft, sich selbst zu verändern. Von
feministischer Theorie herausgearbeitet wurde vor allem Kommunikation als
Machtfaktor. Dies reicht von der dominanten männlichen Körpersprache
über die gesprochene Sprache, in der die Frauen oft zum Verschwinden
gebracht werden durch männlich definierte Begriffe (der
Mensch) bis hin zum Diskussionsverhalten. Frauen kann es aufgrund ihrer
Formung zu Gefühlsbetontheit und Harmoniestreben schwerer fallen,
sachlich-konfrontativ zu argumentieren, während Männer sich oft
sinnlos gegenseitige Redeschlachten über Nebensächlichkeiten liefern,
um sich zu profilieren. Weiterhin werden Frauen öfter unterbrochen als
Männer, reden seltener und kürzer. Frauen werden allgemein weniger
ernst genommen und ihnen wird weniger zugehört.
Frausein allein ist kein Programm
Der als Männerkult kritisierte symbolische Schwarze Block in Adelsleben 1993
die vorderen Reihen waren prinzipiell quotiert: Emanzipation ist, Verhalten zu üben,
das sich alle Möglichkeiten bewahrt dominantes Auftreten genauso wie Einfühlung,
offen gezeigte Schwäche genauso wie Militanz.
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Viele autonome Frauen organisierten sich in den achtziger Jahren in
Frauengruppen. Ziel war die eigene Emanzipation, um politisch wirksam werden zu
können, d.h. die Passivität und andere Rollenzuschreibungen
abzulegen. Doch in beinahe allen Gruppen entstanden bald Fraktionen: Die einen
wollten revolutionäre Politik im Frauenzusammenhang, die anderen
arbeiteten Weiblichkeit als positiven Wert heraus. Durch zweites wurde die
Reduzierung der Lebensmöglichkeiten auf die Geschlechterrollen nicht
aufgehoben, sondern in den Bedeutungen umgekehrt im Mittelpunkt stand
jetzt geduldiges Zuhören als Selbstwert, Emotionalität usw.
Emanzipation ist, Verhalten zu üben, das sich alle Möglichkeiten
bewahrt dominantes Auftreten genauso wie Einfühlung, offen gezeigte
Schwäche genauso wie Militanz.
Es geht nicht um Haltungen, die man sich zulegen kann. Entscheidend ist der
Wille zur Selbstrevolutionierung und der zeigt sich in der politischen und
sozialen Praxis.
Konsequenzen für die Antifa
Eine gemischte Gruppe wie die Antifa hat aus feministischen Ansätzen ihre
Konsequenzen zu ziehen. Da es um keine gönnerhaften Zugeständnisse
gehen kann, müssen strukturelle Sicherheiten gegeben sein. Dazu
gehört eine Redeleitung mit quotierter Redeliste genau so wie die
Möglichkeit für Frauen, in Streitfragen mit der Mehrheit der Frauen
die Stimmenmehrheit der Gesamtgruppe zu blockieren. In Entscheidungsfunktionen
und dem Auftreten in Vorzeigerollen (öffentliche Diskussion, Anleiter in
Jugendgruppen) dürfen Frauen nicht fehlen. Dies ist ebenso wie die
Beschäftigung mit feministischer Theorie ein notwendiger, wenn auch nicht
genügender Ausgangspunkt. Doch statt endloser Problematisierungen setzen
wir auf das möglichst weitgehende Aufgreifen feministischer Politik im
Rahmen einer gemischten Gruppe.
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