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Randale, Zerstörung, Blut, Terror, Tod, – Der lange Schatten der "hooligan streetwear"
Das Zeitalter von Big Brother und Regina Zindler lässt einen so manch einmal glauben, die totalitäre Massenverdummung hätte den Sieg über die Epoche der „Emanzipation des Menschen“ bereits vollständig errungen, das Ende der Geschichte sozusagen wäre erreicht. Doch immer wieder, Tag für Tag bemerkt man bei Betrachtung seiner näheren Umwelt, dass der Wahnsinn der modernen Welt immer noch einen drauflegen kann.
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Bierdeckel, 11.7k hooligan is attitude, style and truth
Neulich geschehen einmal wieder in Leipzig. Dort werden, zumindest was die linksradikale bis -alternative Szene anbelangt, seit Jahren Modetrends gesetzt. Verbat man sich schon vor Jahren in Lokalitäten wie dem Conne Island Bekleidungsstücke nach dem Modestandard der autonomen West-Linken der 80er Jahre zugunsten einer peppigen Marken-Klamotten-Kultur, ist die Einforderung dieses Standards mittlerweile zu einem überflüssigen Relikt geworden. Die Ästhetik der Marke nicht verleugnend, werden nun jedoch wieder inhaltliche Maßstäbe gesetzt. Die neue Bekleidungsmarke „hooligan“ oder unter Szenekennern auch gern „hooligan streetwear“ genannt, hält Einzug im autonomen Milieu der Leipziger Südnachstadt. Ein paar Aufrechte, kapitalistische Marktstrategen würden sie Trendsetter nennen, tragen sie bereits und geben einen kleinen Einblick in das neue Zeitalter der „radikalen Linken“, wie sie sich am liebsten selbst bezeichnet.
Hier haben sich einige, so scheint es, aber ganz schön verarschen lassen. Das Label „hooligan“ auf dem 150 DM-Sweat-Shirts soll die Zugehörigkeit zur Szene dokumentieren. Das ist in ungefähr so lächerlich, wie ein „Ich bin Punk“-T-Shirt über den gewaschenen Leib zu ziehen. Beide haben eines gemeinsam. Sie sollen „Vorsicht, ich bin böse“ suggerieren, um stolz-geschwellter Brust, erhobenen Hauptes und bösen Blickes durch die Welt zu stolzieren. Wechselt die 40-jährige einkaufstaschenbewaffnete Frau die Straßenseite oder krallt die Omi ihre Handtasche an sich, ist ein Teilerfolg errungen. Einen Unterschied weist das ganze jedoch schon auf. Würden Gymnasiasten, Studis oder andere Gestalten, die so etwas nötig haben, sich „Punk“ aufs T-Shirt drucken lassen, würden sie vermutlich von Punks verkloppt werden – und das sogar zu recht.
Im Zeitalter des prosperierenden Kapitalismus ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis auch die letzte Nische kapitalistisch noch nicht verwerteter Jugendkulturen aufgeteilt und ausgebeutet wird. Dass es nun auch im Bereich Zahnschutz, 9.0k „Hooliganismus“ dazu kommt, ist nicht weiter verwunderlich. Dass die Selbstdarstellung auf T-Shirts, Sweat-Shirts, Pullovern, Mützen, Rucksäcken etc. von Hooligans nicht angenommen wird, fällt dabei nicht weiter ins Gewicht. Schließlich gibt es genug Idioten, die zwar mit Hooligans nichts am Hut haben, dafür aber einen fetten Geldbeutel besitzen und sich nach ein bisschen respektvoller Anerkennung sehnen. Diesen Markt abzugrasen gelingt dem Label „hooligan“ vorzüglich.
Die ganze Lächerlichkeit der Marke „hooligan“ und deren Träger zeigt sich im Bekleidungskatalog. Um dem Klischee des Bösen gerecht zu werden, beginnt der Einleitungstext stilgerecht: „Hooligans: Born in the streets and grounds of Europe. Hooligan is attitude, style and truth“. Nach diesen markerschütternden Worten wird einem das Reich der Gewalt, der Wahrheit, der Straßen und Plätze Europas eröffnet: „Wir haben wieder alle Anstrengungen unternommen, damit Ihr auf der Arbeit, an der Uni, in der Schule, im Stadion, in Eurer Stammkneipe oder im Nightlife topaktuell gekleidet seid.“ Sätze, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen: auf Arbeit, an der Uni, in der Schule topaktuell gekleidet sein, ein Wunsch, dessen Realisierung im grauen, harten kapitalistischen Alltag nicht jedem vergönnt ist.
Doch Hooligan wird man nicht nur, indem man auf irgendwelchen verschissenen Plätzen und Straßen Europas geboren wird oder wenn man Studi oder Schüler ist, es darf schon ein bisschen mehr sein. Die Realisierung dieses Unterfangens bietet „hooligan streetwear“ auf vielen bunten Seiten: T-Shirts, Jacken, Hosen, Sweat-Shirts, Mützen usw. Die ganze Palette wird einem geboten. Als weitere Schmeckerchen gibt es Bierdeckel, Zahnschutz, Schlüsselanhänger, Aschenbecher und der ganze Firlefanz, der zu einem guten Hooligan nun einmal dazugehört.
Sogar Frauen dürfen sich der Marke bedienen, eine eigene Rubrik ist für diese sogar reserviert: Hooligirl. Wem das noch nicht genug ist, der/dem sei gesagt, dass alle Artikel dieser Seiten garantiert „körperbetont“ sind.
Wer sich mit der Marke „hooligan“ außer den Trendsettern der Leipziger Linken noch identifiziert, verraten eigentlich deutlich die Internetseiten, speziell das Gästebuch der beliebten Marke. Dass Hooligans per se Nazis sind, behaupten seit jeher jene Demokraten, Linke etc., die von Hooligans keinen Schimmer haben. Doch Menschen, die es nötig haben, sich ein böses Image auf die Kleidung zu pinseln, sind (siehe Hehl, der mit einem „Faschist“ T-Shirt durch die Gegend rennt) in der Regel eher im rechten Lager zu finden.
Obwohl erstens mit dem Hinweis versehen, dass man weder „Fascho, Stasi, Antifa“ will und zweitens bereits durch die Webmaster-Zensur gegangen, finden sich im Gästebuch dennoch Zeilen wie diese zu Hauf. „Bist wohl Hooligirl, 3.7k sonne scheiss Zecke?“, „du Hurensohn“, „blöde Fotze, ich fick’ dich tot“, „Tötet alle Magdeburger Schwanzlutscher!“, „Schalker Hurensohn, Dich machen wir platt wie ne Flunder“, „laßt euch in den Arsch ficken. Asoziales Pack!“, „Du kleine ... Schlampe!!! Du Nutte willst mich aus dem Land verjagen. Ich jage dir eher deine Fotze aus dem Leib, du dreckiges Luder. Du hast doch schon bestimmt die Krätze an deiner Muschi!“, „schwules Türkenschwein, ... Antifaheini“ und so weiter und so fort.
Um das Geschäft nicht weiter zu stören, wird das beliebte Gästebuch nun abgeschafft, der „politische Müll“ wäre zu viel geworden. Dem kleinen „Antifaheini“, der sich die Klamotten noch immer voll Stolz auf die Brust heftet, kommt dies, aus Rechtfertigungsgründen, natürlich gelegen. Ansonsten ist den Trägern solcher T-Shirts eigentlich nur zu wünschen, dass sie mal zur Abwechslung auf richtige Hooligans treffen, die ihnen den Blödsinn dann wieder austreiben und auch ausziehen.
o.i.


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last modified: 28.3.2007