Michael Kurth: Curse (for alarm)
Eines ist sicher, so wie das Amen in der Kirche wir wissen nichts. Nicht einmal, wer er ist. Seine Identität scheint uns ähnlich verborgen zu bleiben, wie seine Herkunft. Einzig und allein sein Exposé tut er kund. Und das reicht auf den ersten Blick gerade für einen Sendeplatz neben den schönsten Bahnstrecken Europas.
Philosophy And Storm
Von der philosophischen Lehre der Wirklichkeitsbestimmung durch zwei
entgegengesetzte Grundlagen weit entfernt, gehört es mittlerweile schon
zum know-how der Rapgesetze seine Person teurer zu verkaufen als es der Markt
überhaupt hergibt. Den Tatbestand des Wuchers objektiv wie subjektiv
vorschriftsmäßig verwirklichend werden allzu oft gar abstruse
Theorien aus der Versenkung hervor geholt um nur irgend eine Besonderheit
gängiger Interpreten im Gleichklang mit ihren zu denunzierenden Kollegen
der Beweisaufnahme zugängig zu machen. Vorliegend wird ganz ungeniert vom
Prinzip des Dualismus geplaudert, so als ob es sich um die tägliche
Prozedur des Zähneputzens handeln würde. Metaphernreichtum soll dem
Philosophen des neuen Millenium desweiteren eine Zukunft versprechen wie sie
nicht einmal Hegel, Kant und Schopenhauer gemeinsam zu träumen wagten.
Dualismus bedeutet nun aber nichtsdestotrotz etwas mehr als kooperative Worte
wie Feuer und Wasser, Liebe und Hass oder Licht und Schatten ans Mikrophon
weiterzugeben. Im Fall der Einteilung von Frauen in Ischen und Fotzen sowieso.
Auf politische Grundsätze zurückgeführt würde daher das
konfliktreiche Nebeneinander zweier Kräfte in einem System dem Genre etwas
besser zu Gesicht stehen. Die beiden Duellanten könnten somit nach
Belieben ausgesucht und definiert werden. Doch wer sich auf Ebenen eines Platon
begibt, muß neben einschlägigen Zitaten aus der Bibel eben auch das
gegensätzliche Prinzip im Weltgeschehen bezeichnen. Daß es daran
mangelt, ist kein Geheimnis. Wem schon das Vereinen von Geist und Materie
schwer fällt, wird mit einer Definition von Gut und Böse Spott
ernten. Von Gott und der Welt. Denn der religiöse Glaube an einen
bösen und einen guten Geist wird den Sprung in hiesige Charttabellen wohl
eher bremsen als einer Beschleunigung aussetzen. Denn diese ist, wie
hinlänglich bekannt, Kraft geteilt durch Masse. Die optimalste
Voraussetzung beider physikalischen Größen im Verlauf der
umgekehrten Proportionalität läßt sich mit den schwerbeladenen
kraftlosen Heroen im Biz, wie zu sagen gepflegt wird, nicht fixieren. Es sei
denn, man ist wie der große Unbekannte Verfechter der Quantentheorie.
Dieser folgend gehen Zustandsänderungen in Atomen und Molekülen nicht
stetig, sondern sprunghaft vor sich. Mit dieser fundamentalen Annahme
würden selbst all die Kriechtiere im HipHop überholt
werden. Die einst von Planck entwickelte Theorie von der Hohlraumstrahlung
läßt berechtigte Rückschlüsse auf den deutschen
Rap-Mikrokosmos zu. So soll zumindest beim Übergang eines Atoms, hier
setzen wir sinnbildlich die Absoluten Beginner ein, von einem Energiezustand in
den anderen stets ein gewisser, aber man höre und staune, nur endlicher
Energiebetrag abgegeben oder aufgenommen werden. Man beachte nur den Anspruch
und die Wirklichkeit dieser einst hochgelobten pseudoanarchisten Band, die
vielleicht irgendwie, irgendwo und irgendwann verlorengegangene Energie
aufnimmt, um sich fortan einer universellen Naturkonstante, dem Plankschen
Wirkungsquantum zu bedienen. Der Welt des Kleinen im Gegensatz zum Makrokosmos,
besonders dem Mensch und seiner Innenwelt, gelang es, eine vollständige
Theorie aufzustellen. Getragen vom Atombau, dem lichtelektrischen Effekt, dem
Verhalten der Körper bei tiefen Temperaturen und den Erscheinungen der
Fluoreszenz und Phosphoreszenz. Doch dies hat eben nichts mit textlichem
Tiefgang und Opium fürs Volk gemein, beruht vielmehr auf
wissenschaftlichen Grundlagen, dessen Ergebnisse meist nur sehr schwerlich mit
kultureller Augenwischerei vereinbar sind. Der abgedroschenen Bauernweisheit
Probieren geht über Studieren unterlegen, dürfte sich
auch kaum die für alle Lebewesen essentiellste Frage nach Leben und
Tod gleichermaßen stellen. Welch andere Daseinsform von organischer
Materie, die sich in körperlichen Stoffwechsel, Wachstum und Fortpflanzung
kundtut, sei auch nur fähig, diese zu formulieren, sich gar darüber
in Gedanken zu verlieren. Einzig und allein der Mensch, dessen Privileg, die
schöpferische, zielbewußte geistige Tätigkeit, solch
Exkursionen erst zuläßt. Die Essenz dieser Frage sei dahingestellt.
Ihre Antwort nicht. Anfang und Ende können nicht außerhalb eines
jeden gesucht werden, vielmehr muß dies in uns selbst geschehen. Dies
lehrt allein die Unterscheidung der Erscheinung vom Ding an sich
(Kant). Zwischen den Dingen und uns steht der Intellekt, weshalb sie nicht nach
dem, was sie selbst sein können, erkannt werden. Und allein deswegen sind
auch die zehn, von Curse aufgestellten, Rapgesetze kein Manifest, denn ihren
Charakter als Kundgebung noch wohlwollend hinnehmend sind sie bei weitem keine
öffentliche Erklärung auf Grundlage einer Darlegung von
Grundsätzen oder Programmen, die das Erkennbarwerden einer Revolution
gesellschaftlicher Strukturen mit Hilfe von Doktrinen innehat. Der Sturm bleibt
aus, Schlußstriche werden gezogen und wer noch Fragen hat, stellt sie
besser nicht. Teewald
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