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Es gibt tausend gute Gründe. | |
70 Jahre nach der größten Hetzkampagne gegen nicht-arische Menschen den Olympischen Spielen 1936 in Berlin wartet ganz Deutschland auf den Zuschlag für die Fußballweltmeisterschaft 2006. Dabei scheint man sich seitens des DFB in einer Wiedergutmachungsrolle zu wähnen. Die durchweg rassistische Nation ist damals wie heute Würdenträger sämtlicher Werbestrategien. Dabei wird vor allem der tolerante Bundesbürger ins Blickfeld des FIFA-Komitees katapultiert. Daß dieser Schuß jedoch nach hinten losgehen könnte, wird wohl Wunschdenken bleiben. Ein Ausblick.Willkommen im Fußball-Land Entsprechend der geographischen Lage der Bundesrepublik Deutschland ist man seitens der Verantwortlichen geneigt, der Nation die immense Wichtigkeit dieser in bezug zu den übrig gebliebenen Mitbewerbern zu stellen. Daß dies jedoch sogleich den Rückschluß auf den Mittelpunkt Europas mit sich bringt, ist erstaunlich. Einst das Zentrum des Universums darstellend backen die Damen und Herren um Botschafter Franz Beckenbauer heutzutage kleinere Brötchen. Im Bewußtsein der prekären Situation reduziert man im Zuge der Globalisierung seine Slogans auf wirtschaftspolitische Themen. Dabei sind besonders die über sechs Millionen Mitglieder des Deutschen-Fußball-Bundes sowie die unzähligen Anhänger wohlgemerkt unseres Sport darauf erpicht, diese maßlose Selbstinszenierung mit Leben zu erfüllen. Ein immer enger zusammenwachsendes Europa mit Deutschland als Herz sei dabei der ideale Schauplatz. Der Unterstützung einer überwältigenden Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger des Landes entgegensehend, verlieren die Interpreten schnell den Boden unter den Füßen. Optimale Bedingungen mit einem fairen, gastfreundlich und natürlich für politische Parolen zu begeisterndes Publikum wird sämtliche Mannschaften, ihre Fans und die Verantwortlichen der Verbände aus aller Welt mit offenen Armen empfangen und herzlich willkommen heißen. Erst im Mittelpunkt Europas, dann im selbigen der Welt. Zehn Gründe für Deutschland
Parolen 2006 Unter Ausschöpfung aller nur erdenklichen deutschen Tugenden wird auf Teufel komm raus versucht, die anderen Mitbewerber in die Schranken zu verweisen. Die Schwächen dieser kongenial zu Rate ziehen, läßt man sich von erfahrenen Werbestrategen ein Paket zusammenschnüren, daß an Unverschämtheit kaum zu überbieten ist. Stets mit dem Konterfei des Egidius Braun, dessen nomen omen ist, versehen, blickt man unter dem Titel Volksmusik 2006 auf trommelnde Oranjes, unter dem Make Up 2006 auf eine mit brasilianischer Flagge geschminkte Frau. Das Verständnis eines Multi-Kulti-Volkes wird unbekümmert suggeriert und unter Ausnutzung sämtlicher Klischees für Deutschland beansprucht. Wissenschaft, Internet, Mode immer mit der belangreichen Jahreszahl 2006 in Zusammenhang gebracht, stellen die Vorreiterrolle dieses Landes ein für alle mal klar. Da kann niemand mithalten. Bleibt nur noch England, das man auch mit der geschichtsträchtigen Gute(n) Stube 2006 nicht so richtig abschütteln kann. Reisen 2006 im Deutschland in den Grenzen von 1989 erscheint bisweilen auch nicht dermaßen spektakulär zu sein. Also tritt man den kinderunfreundlichen Briten mit einer profanen Lüge entgegen: Kinder 2006 lautet das Motto, und da ist man einhelliger Meinung, mit welchem die Frage des Zuschlags beantwortet sein sollte. Wären auch damit die Erfolgsaussichten nicht steigerbar, gibt es eigentlich nur noch eine Möglichkeit: Ausländer raus 2006. Das klappt bestimmt. Superdeutsche Kaum einer der oben angesprochenen Jugendlichen wird sich mit den bisherigen Botschaftern seines Vaterlandes, namentlich Egidius Braun, Franz Beckenbauer, Gerhard Schröder und Johannes Rau, identifizieren können. Blieb vielleicht von den Anekdoten der Urgroßväter der Name der Lichtgestalt des deutschen Fußballs im allzu oft beschränkten Horizont hängen, wird nach wie vor die Meinung vertreten, Politik habe hierin nichts zu suchen. Also verpflichtete man kurzum Ulknudel Thomas Gottschalk sowie Boris Becker. Einst noch die Kampagne gegen den CDU-Vorstoß bezüglich des Staatsbürgerschaftsrechts unterstützend bieten sie imagefördernd wiederum ehrenamtliche Hilfe an. Im Gleichklang mit dem Präsidenten des FC Bayern München, der möglicherweise seinen Oktoberfestfreund Jörg Haider aus dem Hut zaubern wird, denn an dessen Regierungsbeteiligung in Östereich könne er an sich nichts anrüchiges finden. Bleibt nur abzuwarten, ob die Qualifikation dieses Teams als ehemaliges deutsches Hoheitsgebiet auch von vornherein als gesichert gilt. Finale: Deutschland Österreich. Schiedsrichter: Mussolini. Teleologische Reduktion Fast schon an Gleichschaltung erinnern die Lobpreisungen der Organisatoren. Anläßlich der Deutschland-Tour nicht zu verwechseln mit dem Deutschland-Feldzug meint WM-Bewerbungs-Koordinator Fedor Radmann: Deutschland steht beim Thema WM 2006 über Parteien, Ländern und Städten. Und FIFA-Präsident Joao Havelange faßt noch einmal für alle Mitbewerber, die es immer noch nicht kapiert haben, die Vorzüge des Landes zusammen: Deutschland ist eine großartige Nation, die alles für eine erfolgreiche Fußball-Weltmeisterschaft besitzt eine starke Währung, eine große Kultur, eine ausgezeichnete Infrastruktur, einen vorbildlich organisierten Verband, große Stadien und eine starke Nationalelf. Und natürlich, aber das versteht sich von selbst, eine Geschichte, auf die man mit Stolz zurückblicken kann. Solch eine Begeisterung, sagt Franz Beckenbauer, habe er in diesem Land noch nie erlebt. Angefangen vom Bundeskanzler bis zum kleinsten Fan. Nun er ist gerade 50 Jahre alt. Geboren so um 1950. Wäre er 80, würde er anders reden. Sag mal Franz, hats das damals wirklich gegeben? Teewald |
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