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Fussball für's Vaterland

Für viele hat der Besuch eines Fussballstadions seinen Reiz verloren bzw. war eben jener noch nie vorhanden. Hier Ursachenforschung zu betreiben, ist sicherlich Müssiggang, aber dennoch teilweise interessant.
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nazi, 10.6k Zum einen mag es an dem mannigfaltigen visionären Überangebot durch hiesige Medien liegen. Andererseits könnten auch ganz andere Gründe ausschlaggebend sein. Richtig ist, dass sich die beliebteste Sportart weltweit in keinem gesunden Zustand befindet: Schuldenspirale, Abhängigkeit von Sponsoren, Abkoppelung vom traditionellen Fussballmilieu, Eingriffe in das Regelwerk, um die Vermarktungsstrategen zu befriedigen – das sind nur einige Themen in der gegenwärtigen Krisendebatte. Ein Ausdruck seines ungesunden Zustands ist aber sicherlich auch, daß einige Fussballstadien zu Orten rassistischer Kundgebungen geworden sind.
Opfer sind vor allem die nicht-deutschen Kicker. Hier Fussballfans pauschal als „rechtsradikale Masse“ zu denunzieren fällt nicht schwer. In der Regel ist es zwar nur eine (wenn auch nicht gerade kleine) Minderheit, die sich rassistisch gebärdet, diese ist aber leider sehr lautstark und ergreift nicht selten die Initiative, während die Mehrheit oft sprachlos und indifferent bleibt. Doch gerade das Verhalten der „normalen Besucher“, welches durch Gleichgültigkeit, gepaart mit latentem Rechtsradikalismus, gekennzeichnet ist, gilt es zu bekämpfen. Das Erfolgsrezept der selbsternannten Fussballfaschisten ist indes kein explizit revolutionäres. „Schreien fürs Vaterland“ lautet die Devise. Unter Berufung auf die stillschweigende Akzeptanz aller Umherstehenden, denen der Erfolg ihrer Mannschaft, mit allen fantechnischen Mitteln erzwungen, weitaus erstrebenswerter erscheint als ein verlorenes Spiel, in welchem einem sogar der Anblick fliegender Bananen entgehen könnte. Daß sich nicht alle am Showprogramm der „Vaterlandsvertreter“ beteiligen, liegt zum einen an beruflichen zum anderen an familiären Zwängen. Denn im Stadion trifft man sich. Hier ist Volksfeststimmung angesagt. Das bekannte „Sehen und gesehen werden“ könnte dem ein oder anderen auch zum Nachteil gereichen.
Das Phänomen ist nicht unbedingt neu. Rassistische Schreihälse machten sich bereits in den Stadien breit, bevor die ersten Flüchtlingsunterkünfte in Flammen aufgingen. Allerdings läßt sich das Problem längst nicht mehr auf kleine Gruppen organisierter Rechtsradikaler, die in den Stehkurven nach Sympathisanten Ausschau halten, reduzieren. Der Rassismus kommt aus der Mitte dieser Gesellschaft.
Dass die Rekrutierung von Fussballfans durch rechtsradikale Organisationen und Parteien mäßig funktionierte und dies auch heute noch tut, sagt allerdings nichts über das politische Weltbild der Fans aus. Als Beleg für eine latente Ausländerfeindlichkeit unter Fussballfans lassen sich weitere Quellen zitieren. Ein Grossteil der Fans bekennt sich zu einem „rechten Einschlag“ und beschreibt zum Teil sehr detailliert, warum sie MigrantInnen reserviert bis feindselig gegenüberstehen. Die Haltungen werden einerseits durch persönliche Erfahrungen begründet, andererseits führen sie abstrakte Argumente aus einer längst nicht mehr zeitgemäßen politischen und wirtschaftlichen Diskussion an.
Doch ist Internationalität und Integration für den DFB auch alles andere als oberstes Ziel. Als in den 80er Jahren die Idee beruflicher Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft auch für Profifussballer geltend gemacht wurde, sagte der damalige DFB-Präsident Neuberger: „Es ist eine Identitätsfrage des Fussballsports, daß er überwiegend von Angehörigen der eigenen Nation ausgeübt und präsentiert wird. Das gilt mit Selbstverständnis für die Nationalmannschaft, jedoch auch für den Fussballsport in der Spitzenklasse. Er erhält seine Eigenart und damit seine Akzeptanz gerade durch das ausschließliche oder stark überwiegende nationale Element.“ Die Fussballoberen gaben sich lange Zeit damit zufrieden, die Herausforderung zu bagatellisieren oder gar schlichtweg zu leugnen. Rassismus wurde als verbaler Fussball-Hooliganismus abqualifiziert, den Schmähungen gleichsam ihre politische Note abgesprochen. Die Funktionäre haben damit dazu beigetragen, dass sich der Rechtsradikalismus in diesem Lande abermals ausbreiten konnte. Die Funktionäre schwiegen auch, als sich nach dem WM-Sieg 1990 die ersten pogromartigen Massenausschreitungen gegen Ausländer ereigneten.
Anfang der 80er Jahre läßt sich in den Fussballstadien eine gehäufte Verwendung ausländerfeindlicher, rassistischer und nationalistischer Symbole und Parolen beobachten. Jugendliche, die sich selbst für vollkommen unpolitisch halten und ihr Handeln als pure Provokation oder als ganz alltäglichen Vorgang interpretieren, schwenkten im Stadion Reichskriegsfahnen, trugen Aufnäher wie „Deutschland den Deutschen“, beschimpfen Schiedsrichter als „Judensau“ und dunkelhäutige Spieler als „Bimbos“. Fussballfans reflektieren sozusagen ungefiltert. Was im Alltag an Fremdenhass nur hinter vorgehaltener Hand geflüstert wird, das wird auf den Rängen offen und provokativ herausgelassen. Der stillen Billigung ihres kalkulierten Tabubruchs durch manch braven Bürger können sich die Fans sicher sein.
Wenn allerdings die Provokation zu gross wird, meldet sich das öffentliche Gewissen. In Dortmund machte zu Beginn dieser Zeit der Fanclub „Borussenfront“ von sich reden. Dieses militant und unverhohlen rechtsradikale Sammelbecken prägte mit ausländerfeindlichen Gesängen und Übergriffen auf türkische Dortmunder nachhaltig das Image der Borussia-Fans als rechtslastig. Sicher ist, daß die mit Hakenkreuztätowierungen und martialischen Gesängen aufgetretene Gruppe in der BVB-Fankurve so etwas wie die „Avantgarde“ bildete. Wie stark die Ideologie der gut drei Dutzend Männer umfassenden Gruppierung aber tatsächlich auf den Rest der Fans ausstrahlte, ist schwerlich zu beurteilen. Auf einen Schlag bekannt wurde die „Borussenfront“ 1983, als sich der „stern“ ihrer annahm. „Blut, Blut muss fließen...“, mit diesem Schlachtgesang als Titelzeile entpuppte sich der Fanclub als paramilitärische rechtsradikale Vereinigung mit Kontakten oder Mitgliedschaften zur oder in NPD und FAP. Im Stadion wurde gegen Ausländer gehetzt („Schlagt die Türken tot!“), auf der Strasse Türken verfolgt und zusammengeschlagen, auf wöchentlichen Sitzungen die Truppe eingeschworen, Abtrünnige vors „Frontgericht“ gestellt. Fussball erschien indes für die
umfrage, 7.3k

"Entpolitisierung führt nach rechts" – eine repräsentative Erhebung unter Fussballfans
Mitglieder die unwichtigste Sache der Welt zu sein. Die vergleichsweise straffe Organisation wurzelte sicher in den Parteizugehörigkeiten ihrer Leitfiguren. Das geistige Oberhaupt war bei den Landtagswahlen 1985 FAP-Spitzenkandidat.
Anhand dieses Beispiels konnten vermehrt linientreue Nazis in einen der vielen nacht rechts abtriftenden Fan-Clubs eindringen und die an und für sich unpolitische Lust am gemeinsamen „Saufen und Raufen“ für politisch motivierte Aktionen nutzen. Diese Anfang der 80er Jahre sogar von den Politikern öffentlich befürchtete Unterwanderung und Rekrutierung von Fanclubs durch Rechtsradikale sollte durchschlagend lediglich in einem Punkt erfolgreich werden: Auf relativ breiter Ebene konnten sich alsbald rechtsradikale Parteien brüsten, sympathisierende Fussballfans als schlagkräftige „Ordner“ für Parteiveranstaltungen gewonnen zu haben. Die Vision eines Michael Kühnen hingegen, daß Fussballfans als potentielle Gesinnungsgenossen fest in die Parteien eingebunden werden könnten, entpuppte sich als kurzsichtig. Auf einen Nenner gebracht: Die straffe Organisation, die die rechtsradikalen Kader forderten, widersprach dem selbstbestimmten Sauf- und Raufethos vieler Fans. Für das Gros der Fanclubs jedoch ist die politische Orientierung ihrer Mitglieder weitgehend Privatsache eines jeden einzelnen. Gut organisiert, doch das Herz an der falschen Stelle, so die Einschätzung der meisten deutschen Faninitiativen, die fast ausschliesslich unpolitischen Charakter aufweisen, aber dennoch für alle Fans zugänglich sind. Nur wenige werden offensichtliche politische Arbeit leisten, gar Nazis den Zutritt in ihre lokalen wie auch ideellen Bereiche verwehren.
Auch die Maxime, Politik und Fussball haben nichts miteinander zu tun, die vielerorts auf offene Ohren stösst, macht die Situation transparent. Für die meisten zählt einzig und allein der Erfolg „ihrer Mannschaft“, welche sich durch territoriale Dimensionen bestimmt. Das Gemeinschaftserlebnis eines Fussballspiels sollte möglichst nicht zum Wahlkampf einiger Intellektueller verkommen. Offen geäusserte faschistische Parolen werden des Friedens willen gebilligt. Tendenziell rechtslastige Formulierungen gar mitgegrölt und auch ausserhalb des Stadions propagiert. Doch wer anderweitiges Gedankengut an den Tag legt, hat beim Fussball nichts zu suchen.
Hinter dieser Maxime und deren Aussage verbirgt sich meist pure Dummheit oder eine Strategie, denn die angebliche Entpolitisierung führt letztendlich ausnahmslos nach rechts. Und so äusserte sich der Vizepräsident des DFB Gerhard Mayer-Vorfelder auch richtungsweisend ganz unpolitisch, dass es nicht schaden könnte, wenn Schüler alle drei Strophen des Deutschlandliedes beherrschen und singen würden. Und obendrein: “Die Chaoten in Berlin, in der Hafenstraße in Hamburg und in Wackersdorf, springen schlimmer herum als die SA jemals.”
Hier geht es längst nicht mehr um Fussball. Diese Zeiten sind vorbei. Und ehe sie jemals wiederkommen sollten, muss den Nazis der Kampf angesagt werden. Vielleicht werden dann alle erkennen, daß sich Fussball und Politik wunderbar verbinden lassen. Denn diese irgendwo aussen vor zu lassen, dürfte kaum möglich sein. Schon gar nicht beim Fussball.
TeeWald


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last modified: 28.3.2007