Fernsehen macht schön.[Jeden letzten Sonntag im Monat in Ilses Erika] |
Es wird keiner gross mitgekriegt haben bzw. jemals
mitkriegen, dass dies hier bereits der dritte [3te] Beitrag in der Rubrik
reviewcorner film im Flyer darstellt. Eigentlich wollten wir
am Anfang definieren, was solch eine Rubrik überhaupt soll, zumal doch
jeder Film mit Hilfe von zehn Hauptsätzen im Kreuzer oder
wahlweise player abgehakt scheint. Also, haben wir zu viel Zeit
oder erliegen dem Bedürfnis nach Selbstdarstellung? Zweimal nein. Uns kam
mehr der Gedanke, eine Rubrik einzurichten, die sich allgemein mit dem Medium
Film beschäftigen soll, und nach dem zwoten Getränk wurde
programmatisch ergänzt: >Filme, die für Linke wichtig sein
könn[t]en.< Dabei dachten wir nicht an ein chronologisches
Abarbeiten cineastischer Werke im linken [Selbst-]Verständnis,
sprich von Eisensteins Oktober oder Wie der Stahl
gehärtet wurde (1) bis zur computeranimierten roten
Fahne in Ken Loachs Land and Freedom. Es ging uns [im Moment]
auch noch nicht darum, Film als Waffe zu verstehen oder als pädagogisches
Mittel zu missbrauchen. Wir fangen klein an. Zuerst Film als Medium, über
das sich Kritik vieler Art übermitteln lässt, aktiv wie passiv.
Natürlich geht es uns um die politische Komponente in Filmen, aber wir
sind keine Jünger des didaktischen Agitationsfilms, in dem die
ästhetischen Momente und das Kinovergnügen negiert werden. Wir
müssen ja auch unsere Sehgewohnheiten pflegen...
Hier ein wager Versuch, unsere groben Inhaltsvorstellungen in eine
definitiv unvollständige Reihe zu bekommen: unorthodoxer Umgang mit
dem fertigen Filmprodukt, incl. Aufzeigen, was sich in der nicht-kommerziellen
und politischen Film- und Video-Szene so tut. [Alles relativiert sich, wenn Du
Dich relativierst.] Die ersten beiden Beiträge der vergangenen Ausgaben
beschäftigten sich mit einem Film-Couleur, welches wir eigentlich a) nicht
beachten oder b) dissen wollten. The american-mainstream-movies. Doch wir
hielten und halten eine Betrachtung der Filme fight club und
american beauty für sinnvoll. Warum ? Nachlesen!
Diesmal möchte ich eine Sendung/Show/Veranstaltung vorstellen, von mir aus
auch promoten, die seit mehr als einem Jahr, jeden letzten Sonntag im Monat,
zwei Strassenzüge weiter nördlich stattfindet. Der Ort nennt sich
Wohnzimmerclub Ilses Erika (2) und die Veranstaltung
simpel: >fernsehen macht schön<.
Die Veranstalter möchten die Bezeichnung >fernsehen macht
schön< als Parole verstanden wissen, denn als erwartete Aussage
existiert sie ja bei den kabelgeschädigten Dauerzappern bereits. So ist
>fms< mehr als Filme glotzen, Bier saufen und die Chips vom Nachbarn
klauen. Die Sendung ist mit dem Anspruch gestartet, die Arbeit junger
Filmemacher/-autoren vorzustellen, und diese mit dem interessierten [!]
Publikum zu diskutieren. Oder in den Worten der Macher: fms ist eine
gediegene Melange aus Screeming, Talkshow und televisionärem
Plenum. (3) Und weil Zitate
Hauptbestandteil einer Promotion-Tour sind, gleich weiter mit den
Äusserungen zum medienpolitischen Ansatz der Veranstaltung. Auch sie
bedienen sich hier bei ihrem Lieblingsphilosophen Flusser: Diese am
Horizont der Jahrtausendwende auftauchende neue Generation von Bildermachern
und Bildverbrauchern hat auf ihrer Flucht nach vorne aus der Bilderflut
das Entsetzen der Verantwortungslosigkeit, Vermassung, Verblödung
und Entfremdung tatsächlich
überwunden. (4) Diesem Zustand
versucht >fms< etwas entgegenzusetzen. Ihre Intention ist es, eine
Kommunikation unter Film- und Videomachern herzustellen. Es geht mehr um Dialog
statt Diskurs Dialog zwischen denen, die Filme sehen, und denen, die sie
machen. Und es gab sie, die guten Diskussionen, denn die Gästeliste der
letzten zwölf Shows war fett. Vertreter aus dem Experimental-,
Dokumentar-, Spiel-, Trash-, Polit-Film-Genre kamen zu Quarkuchen und
schlechter Luft in den kleinen Club. U.a. produzierten sich: Jan Peters
[November 1-30], die Redaktion des revolvers
zeitschrift für film, Janek Rieke
[Härtetest],Jörg Buttgereit, und die Berliner Politniks
von ak kraak. Das Verhältnis Pragmatik Ästhetik oder, anders
formuliert, Wissenserwerb Unterhaltung hielten sich harmonisch die
kognitive Waage. Als interne Innovation ist noch das Lokaldisplay aufgenommen
worden. Von Anfang an ging es den Machern auch darum, die lokale Filmszene zu
fördern. Welche lokale Filmszene, möchte Statist da fragen? [Werden
in Leipzig nicht alle DJ?] In der Show haben die wenigen Filmfreaks die
Möglichkeit, eine Teilöffentlichkeit für ihre Werke zu finden,
und auch gleich darüber zu reden. Das Niveau dieser Sendungen ist für
die späten Stunden ungewöhnlich hoch, und wenn das Publikum eher
abreist, dann nicht aus Missbehagen, sondern weil ihre Festplatte im Kopf voll
ist. Also, das Gute liegt nahe. Zumindestens einmal im Monat, wenn es richtig
heisst: sehen und gesehen werden! >fernsehen macht schoen<.
Die nächste Veranstaltung [am Sonntag, den 30.April, ab 22 Uhr, Ilses
Erika] hat den Drehbuchautoren und Filmemacher Oskar Röhler zu Gast. [Wer
isn das?] Röhler hat früher zusammen mit Schlingensief
Drehbücher geschrieben und macht mittlerweile eigene Filme. Sein aktueller
Film: Die Unberührbare kommt am 20. April in die Kinos. In dem
Film geht es um eine 68er-Schriftstellerin, die nach den 89er-Systemzerfall ihr
Weltbild verliert und Suizid begeht. Eine biographische Geschichte.
[hei.ko]
(1) Mein Lieblingszitat von Pawel Kortschagin: Ich dachte immer,
Revolutionäre dürften sich nicht verlieben.
(2) Für einige zuviel Hamburg, ich weiss.
(3) Zitiert in: http://www.fernsehenmachtschoen.de
(4) ebenda, S.1.
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