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Kein Wort darüber, dass nicht die Natur das Übel ist, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Ausbeutung nebst der ungerechten Verteilung des Reichtums der Industriestaaten. Dass da gar der Begriff Kapitalismus ins Spiel kommt die Sache demzufolge beim eigentlichen Namen genannt würde scheint inzwischen so weit her geholt wie die Anerkennung der Grünen als gesellschaftskritische Kraft. Der Beginn eines neuen Jahrtausends ist so stark wie nie von der Fügung der Menschen bezüglich der bestehenden Verhältnisse geprägt. Das lokalistische und regionalistische Denken ist die konforme Rebellion der horizontalen Beschränktheit bei der Beurteilung gesellschaftlicher Verhältnisse. Die Hoffnung auf ein Leben nach dem Kapitalismus hat schon längst der Grabschaufelei nach dem Motto, ein jeder sei seines eigenen Glückes Klotzer, Platz gemacht. Prägnantester Ausdruck dieser Unfähigkeit weiter zu denken als der eigene Rockzipfel es zuliesse, ist die Omnipräsenz der Talkshows das Talkshowism. Nirgends lässt sich deutlicher die Befangen- und Gefangenheit des Individuums im Kapitalismus erleben wie an jenen Orten des geistigen und körperlichen Exhibitionismus. Die Problemchen der Menschen finden nur dann Gehör, wenn die erbrachte Vorleistung der freiweilligen Gleichschaltung der Individualisierung perfekt funktioniert: Wer etwa die Gesellschaft für seine Probleme verantwortlich macht und nicht Frau X oder Herrn Z von nebenan, hat an den Sammelstellen freudianischer Kanapees nichts verloren und gilt als Aussätziger, der vom eigentlichen Thema ablenken wolle. Die Talkmaster vereinigen, mit dem Mandat der marktwirtschaftlichen Zuschauer-Quote, sämtliche bürgerliche Gewaltenteilung auf ihre Personen sie sind die unangefochtenenen Autoritäten, ersetzen die wissenden Politiker, die abstrafenden Richter und Polizisten, in dem sie genau deren Werte kolportieren. Der persönliche Narzismus des gewöhnlichen Talkgastes, die eigene Selbstverliebtheit, führt nicht zur Erkenntnis, sondern zur Kapitulation vor den fundamentalen Fragen. Allenfalls die Flucht in die Esoterik bleibt als anerkannter Ausweg zur Erfüllung der bunten-Vögel-Quote, die von der Masse der Medienkonsumenten gefordert wird. Die Nicht-Politik der ersten Person wird auf die Spitze des Jahrtausend-Denkens getrieben. Durch die Entblödung geistiger Beschränktheit zeigt sich die Toleranz der Warengesellschaft als gar nicht vorhanden, denn wer vom Waren-Glauben abfällt, gilt als erledigt und nicht mehr tauglich für das neue gesellschaftliche Gespräch den Talk. Könnte einer wie Olaf-Jürgen Staps, derjenige, der ein Blutbad bei der Ehrung von Luxemburg-Liebknecht ankündigte, weil ihm die gesellschaftlichen Verhältnisse zu unsozial erscheinen und die PDS zu rechts, in einer Talkshow auftreten? Nein, er könnte nicht. Einer wie Stabs würde nicht die geforderte Vorbedingung erfüllen. Denn schliesslich denkt er etwas, was zu den Untugenden der Talkshowgesellschaft schlechthin gehört: er setzt seine eigene Existenz in Beziehung zu gesellschaftlichen Problemen. Es gibt das Ding, auf das sich alle einigen können und das alles zusammen hält. Dieses Ding heisst Geld und hat mehr Ausstrahlungskraft als jede Ikone und jeder Gott dieser Welt. Es bestimmt das Maximum der persönlichen Freiheit, in der alle tun und lassen können, was sie denn wollen. Adäquat leben vormals linksliberale oder sich heute noch links schimpfende (Sub-)Kulturler eine Ersatzhandlung aus. In Ermangelung von (gewollter) Durchsicht feiert man die eigene Verzweifelung an Hand der Vergötterung des zum Trash der Gesellschaft erklärten. Man gaukelt so vor, über den Dingen zu stehen, derer man aber nicht mal charakterlich gewahr werden kann, weil das Mittel zur Erkenntnis, das Wissen darum, dass der Kapitalismus niemals das letzte Wort der Geschichte sein kann, wenn die drohende Barbarei abgewendet werden soll, nicht mal mehr gesucht wird. Ralf |