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Nachfolgender Text zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter ist
der letzte Text des Autors Hans Frankenthal. Er verstarb am 22. Dezember
vorigen Jahres im Alter von 73 Jahren. (Zur Person Hans Frankenthals siehe Kasten) |
Bei der jetzigen zugesagten Zahlung an ehemalige
Zwangsarbeiter reden die Deutschen nicht mehr von Wiedergutmachung,
sondern von einer humanitären Geste. Von Hans Frankenthal |
Bundeskanzler Gerhard Schröder und die deutsche
Industrie haben es wieder einmal geschafft. Pünktlich zum Ende des
Millenniums kann ein weiteres Kapitel der dunkelsten Geschichte Deutschlands
abgeschlossen und mit einem Schlußstrich versehen werden. Die deutsche
Industrie kann sich wieder beruhigt ihren Geschäften zuwenden, ohne
länger an ihre lästige Vergangenheit erinnert zu werden. Oder etwa
doch nicht? Die bejubelte Einigung für die Stiftungslösung zur Entschädigung von ehemaligen Zwangsarbeitern kann nur als weiterer Akt in einer im wahrsten Sinne des Wortes billigen PR-Kampagne angesehen werden. Mit einer Summe von zehn Milliarden Mark sollen im Handstreich Ansprüche von seinerzeit rund zehn Millionen jüdischen wie nichtjüdischen Zwangsarbeitern, arisierten Firmenvermögen und Versicherungen, die sich allein auf mehrere hundert Milliarden Mark belaufen, abgegolten werden und für immer untergehen. Ein Coup, der nicht nur möglichst unbemerkt von den Berechtigten, sondem mit dem Einverständnis der jüdischen Verhandlungsorganisationen gelang. In den Verhandlungen war die Rede vom Unterschied zwischen Sklaven-, Zwangs- und Fremdarbeitern, um eine möglichst gerechte Aufteilung der Entschädigungszahlungen zu erreichen. Ehrlicher wäre es gewesen, wenn man von Beginn an gesagt hätte, daß Zweck dieser Terminologie ist, verschiedene Zwangsarbeiter ganz von der Entschädigung auszuschließen. Auch die Bezeichnung Sklavenarbeiter für die jüdischen KZ-Insassen, deren Vernichtung durch Arbeit erfolgen sollte ist nur eine semantische und noch dazu eine Verharmlosung der Hölle, die wir überlebt haben. Wir waren nämlich weniger als Sklaven. Ein schwacher Trost ist, daß man es diesmal wenigstens unterlassen hat, von Wiedergutmachung zu sprechen. Man könnte fast glauben, die neuen Herren der Unternehmen und der Politik hätten endlich dazugelernt. Doch weit gefehlt: Heute spricht man davon, eine humanitäre Geste für die armen alten Menschen zu leisten natürlich ohne Anerkennung einer rechtlichen oder moralischen Verpflichtung, denn schließlich seien die heutigen Unternehmen keine Rechtsnachfolger der einstigen Firmen. Vergessen wird dabei, daß der heutige Reichtum der Top 100 in der Liste der deutschen Firmen die allesamt unter dem Nazi-Regime Zwangsarbeiter beschäftigt haben als unmittelbare Nachfolger der einstigen Kriegsindustrie, maßgeblich auf der Ausbeutung der geschundenen und ermordeten Zwangsarbeiter beruht. Aber davon will man nach mehr als fünfzig Jahren nichts mehr hören. Betrachtet man die vergangenen Jahrzehnte seit der Befreiung, so stellt die vorliegende Stiftungsinitiative nur eine logische und vor allem bittere Fortsetzung des Ablaßhandels für die Entschädigung von Zwangsarbeitern dar. Rheinmetall zahlte 1966 2,5 Millionen Mark an rund 1.500 ehemalige Zwangsarbeiter, um so einen Auftrag der amerikanischen Armee über 50 Millionen US Dollar für die Lieferung von Kanonen zu erhalten, Unternehmen wie Dynamit Nobel, Daimler Benz, AEG, Siemens, und andere handelten ähnlich, um ihre Geschäftsinteressen nicht zu gefährden. Eine wahrlich gute Investition! Heute zahlen 60 von einst rund 2.500 Unternehmen im Deutschen Reich, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben, weil ihre wirtschaftlichen Interessen und nicht ihr Gewissen berührt ist. Hinzu kommt, daß rund die Hälfte der Zahlungen der Industrie steuerlich absetzbar sind und damit auf den Steuerzahler abgewälzt werden. Aber wen wundert dies noch, steckt doch hinter dem gesamten System der Wiedergutmachung die perfide Absicht, so viele Berechtigte wie möglich auszuschließen und die Übriggebliebenen so lange zu vertrösten, bis die meisten von ihnen gestorben sind. Organisationen wie die Claims Conference, die erst kürzlich wieder hervorhoben, wie sehr sie sich doch für die Interessen der Opfer eingesetzt haben wollen, müssen sich fragen lassen, warum sie erst nach fünfzig Jahren plötzlich hektische Betriebsamkeit entfaltet haben, um noch schnell am Verhandlungstisch und letztendlich beim Verteilungspoker mitspielen zu können. Hätten sie die vergangenen Jahrzehnte besser für ihre Arbeit genutzt und außer Lippenbekenntnissen tatsächlich Druck auf die Firmen ausgeübt, dann hätten weit mehr überlebende Zwangsarbeiter wenigstens einen symbolischen Nutzen von den Zahlungen gehabt. Nur dank der aggressiven amerikanischen Anwälte wurde die Frage der Entschädigung für Zwangsarbeit aufgegriffen, bevor die letzten von uns gestorben sind.
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Zur Person Hans Frankenthals: Als Mitbegründer und zweiter Vorsitzender des Auschwitz-Komitees in der BRD, Mitglied des Direktoriums des Zentralrats der Juden in Deutschland und in zahlreichen anderen Funktionen kämpfte der ehemalige Auschwitz-Häftling und IG-Farben-Zwangsarbeiter für die Entschädigung der Überlebenden der Nazizwangsarbeit. 1943, nach Jahren der Ausgrenzung, Enteignung und Zwangsarbeit im Sauerland, wurde er samt seiner Familie nach Auschwitz deportiert, die Eltern sofort vergast. Hans Frankenthal, damals 16, und sein Bruder Ernst, damals 18, kamen als Zwangsarbeiter zur IG Farben. Beide überlebten die Endstation Auschwitz (Frankenthal) und kehrten nach dem Krieg in ihre Heimatstadt Schmallenberg im Sauerland zurück. Erst Anfang der achtziger Jahre begann Frankenthal, über seine Erfahrungen zu sprechen. In seinem letzten Lebensjahrzehnt war er als Redner und Störer bei zahlreichen Aktionärsversammlungen der IG Farben in Abwicklung ein ungeliebter Gast. Zugleich erreichte er mit seiner anschaulichen Redeweise viele junge Leute, von denen er sich einen anderen Umgang mit den Naziverbrechen erhoffte. Im Sommer 1999 ist sein Lebensbericht Verweigerte Rückkehr beim Fischer-Verlag erschienen. (Quelle: Jungle World) |
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