Hannover, 11. November 1999
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten hat in mehreren Städten damit
begonnen, Bürgeranträge zur Zwangsarbeiterentschädigung durch
die Kommunen zu stellen. Damit wird die Lücke in der Kampagne der
Solidarität mit den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern geschlossen.
Denn vielfach war unbeachtet geblieben, daß auch die öffentliche
Hand in der Nazizeit an den Zwangsarbeitern profitierte.
In der Kreisvereinigung Dortmund beispielsweise begann die Unterschriftenaktion
zugunsten der ehemaligen Zwangsarbeiter am 9. November, am 61. Jahrestag der
Reichpogromnacht. Damit soll der Rat zur Unterstützung der Bemühungen
um die Entschädigung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die in
Dortmund während des Krieges ausgebeutet wurden, verpflichtet werden. Mit
der Aktion wurde an diesem Tag der Millionen Opfer des Holocaust gedacht, deren
Leidensweg besonders mit den Naziverbrechen des 9. November 1938 verbunden war.
Soweit sie überlebten, blieben sie für ihre Sklavenarbeit ohne
Entschädigung. Ohne Entschädigung blieben neben den jüdischen
auch die slawischen Sklaven- und Zwangsarbeiter sowie die Roma und Sinti,
ferner Arbeiter aus zahlreichen Ländern Ost- und Westeuropas. Sie alle
wurden gezwungen, den Krieg Nazideutschlands durch Rüstungsproduktion zu
unterstützen und die deutsche Wirtschaft mit ihrem Einsatz immer reicher
zu machen. Wissenschaftler haben betont, daß der Wiederaufstieg
Deutschlands nach 1945 ohne die Sklavenarbeit von über zehn Millionen
Menschen nicht möglich gewesen wäre.
Auch Städte und Gemeinden nutzten die Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter aus. Allein in Dortmund waren ständig fast 30.000 von ihnen
tätig. Sechstausend von ihnen kamen beim Bombenräumen oder
während der Luftangriffe ums Leben, bei denen sie unzureichend
geschützt waren. Andere starben an den Mißhandlungen. Im Raum
Dortmund war ständig ein Gestapo-Beamter mit einem fahrbaren Galgen
unterwegs, um Exekutionen mit abschreckender Wirkung vorzunehmen
berichten Lokalhistoriker.
In den Anträgen heißt es u.a.: Die Stadt/Gemeinde beteiligt
sich an den Bemühungen, den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern des
NS-Regimes schnellstmöglich eine gerechte Entschädigung für ihre
leidvolle Zeit in deutschen Betrieben während des Krieges, für ihre
schwere Zwangsarbeit zukommen zu lassen. Es soll daher die geplante
Gründung einer Bundesstiftung Entschädigung für
NS-Zwangsarbeit unterstützt werden, an deren Vorbereitung bisher nur
der Bund und Industrie, nicht aber die Städte und Gemeinden beteiligt
sind. Gefordert wird eine entsprechende Initiative Dortmunds im Deutschen
Städtetag. Wörtlich heißt es: Die Gemeinde/Stadt soll
insbesondere die bei der Stadtverwaltung und anderen öffentlichen
Einrichtungen beschäftigt gewesenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter
ausfindig machen, um sie schnellstens und unbürokratisch zu
entschädigen.
Die VVN-BdA ruft die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, alle
Mitbürger auf, die Forderungen an die Städte und Gemeinden mit ihrer
Unterschrift zu unterstützen. Die Stadtarchive sollten baldmöglichst
eine Liste der Betriebe und öffentlichen Einrichtungen vorlegen, die auf
dem jeweiligen Stadtgebiet Zwangsarbeiter ausbeuteten. Es sollen ferner alle
noch lebenden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter durch die Städte und
Gemeinden namhaft gemacht werden, um ihnen somit ihre Entschädigung zu
ermöglichen. Die betroffenen Firmen sollen von den Städten und
Gemeinden aufgefordert werden, sich ihrer Verantwortung zu stellen und in die
Bundesstiftung in der Höhe des verweigerten Lohns für Zwangsarbeiter
einzuzahlen.
Der von der deutschen Industrie bisher gestiftete Betrag könne niemals
ausreichen, um die Mindestsumme von zehn- bis fünfzehntausend Mark
für jeden Zwangsarbeiter aufzubringen, wie sie von deutschen Gerichten und
von den Betrieben VW und Siemens bereits bewilligt wurden, sagte dazu
VVN-BdA-Bundessprecher Ulrich Sander. Der Betrag muß daher
erheblich aufgestockt werden.
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