So ne Scheisse, fluchten die einen, blöde Sache
das, stellten die anderen fest.
Gemeint war damit die Reaktion im O-Ton hiesiger Linker auf das Bekanntwerden
einiger fälschlicherweise der Wehrmacht zugeordneter Fotografien der
Ausstellung Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis
1944. Bei neun Fotos an der Zahl konnte der Historiker Bogdan Musial
nachweisen, dass die Verbrechen nicht von der Wehrmacht, sondern vom
sowjetischen Geheimdienst NKWD begangen wurden. Bei weiteren circa 24 Bildern
meldete Musial arge Bedenken an. Inzwischen ist die Ausstellung vom Hamburger
Institut für Sozialforschung und dem Förderverein zur Betreuung der
Exposition bis auf weiteres aus dem Verkehr gezogen worden, um eine intensive
Überprüfung der historischen Quellen durchzuführen.
Die Nazis und die Rechten können angesichts solcher Entwicklung nur
frohlocken: Sie hättens ja schon immer gesagt und nun endgültig
recht behalten.
Ein Scharfmacher wie der menschliche Faktenfresser Helmut Markwort, seines
Zeichens Chefredakteur des Focus, kriegt sich kaum wieder ein. Unter
seiner Federführung versuchte das Blatt permanent ohne durchschlagenden
Erfolg, die Ausstellung von Hannes Heer und Jan Phillip Reemtsma zu
diskreditieren. Markwort schreibt: Jetzt steht fest, dass vor der ganzen
Ausstellung gewarnt werden muss. (...) Wer sie jetzt besucht (...), der kann
studieren, wie mit zeitgeschichtlichem Material manipuliert und getäuscht
werden kann. Und Markwort lässt auch sonst wie gewohnt keine
Wünsche rechter Leser offen: Warum hat kein deutscher Historiker die
vielen Fehler und Täuschungen aufgedeckt? Die Antwort geben
Geschichtsprofessoren nur, wenn unsereiner verspricht, seinen Namen nicht zu
nennen: Jeder Historiker hat sofort gesehen, wie schlampig und suggestiv
die Ausstellung eingerichtet war, aber wer hat schon Lust, sich öffentlich
fertig machen zu lassen? Die Verfolger anders Denkender haben es weit
gebracht.
Was Markwort da von sich gibt, muss man sich nicht auf der Zunge zergehen
lassen. Die Botschaft, bestimmt vom Markwortschen Denken, ist klar: Deutsche
Historiker die richtigen und Wirklichen, die berühmt und
berüchtigt sind für ihre Objektivität werden verfolgt von
denen, die sich von den Alliierten oder deren Helfershelfern, den irgendwie
Linken, einer Gehirnwäsche unterziehen liessen. Wie soll dieser
Verfolgungswahn denn anders erklärbar sein und wo sonst soll er herkommen?
Was Markwort suggestiv den Alliierten von einst zuschiebt, nennen die Nazis den
herrschenden jüdischen Weltgeist. Das macht in Deutschland den
hauchdünnen Unterschied aus, der schon mal ohne weiteres in einer
gemeinsamen Front gegen die sogenannte Wehrmachtsausstellung kulminieren kann.
Markwort gehört dennoch wie CSU-Gauweiler in München, CDU-Schimpff in
Leipzig oder eben die Nazis zu einer politischen Spezies von antiquierten
Wirrköpfen, die die deutschen Zeichen der Zeit der Berliner Republik
wahrscheinlich nie begreifen werden. Mit diesen Kleingeistern, die regional
durchaus auch schon mal das eine oder andere Erfölgchen in ihrem Sinne
für sich verbuchen können, ist in Wirklichkeit kein deutscher Staat
mehr zu machen. Allemal temporär aufhalten können sie denselben auf
dem Weg zu einem neuen Verständnis, das nur durch das Bekenntnis zum Neuen
wieder zum Alten unter veränderten Vorzeichen werden kann. Der
Tagesspiegel brachte dies anlässlich der zurückgezogenen
Ausstellung auf den Punkt: Ein neuer deutscher Patriotismus, wie nicht
nur Rechte tastend suchen, sondern auch Sozialdemokraten, darf über den
Antifaschismus hinausgehen. Aber er muss sich den Antifaschismus einverleiben,
oder er wird weder salon- noch mehrheitsfähig sein. Dass dies nicht
nur ein realitäsloses Paradigma ist, steht spätetens seit dem
Kosovokrieg fest. Wegen des neuen deutschen Antifaschismus, gespeist durch die
Authentizität der Shoah, die die Deutschen und nur die
Deutschen vollbracht haben, wurde die Beteiligung am Krieg möglich.
Dieser deutsche Antifaschismus, von dem weiter oben die Rede ist, braucht als
Voraussetzung für seine Funktionalität, die wie heisst es so
schön beim Tagesspiegel Einverleibung eben der Shoah. Erst
dann kann auch der, um beim Terminus zu bleiben, Antifaschismus einverleibt
werden, um den es ja letztlich gar nicht geht. Denn diese Einverleibung ist die
Vorstufe oder Voraussetzung eines endgültigen Verdauungsprozesses, an
dessen Ende Auschwitz wie auch der Antifaschismus auf dem Misthaufen der
Geschichte landen sollen. Denn, es soll ja, wie der Tagesspiegel
schreibt, darüberhinaus gehen.
In diesem Sinne spielte die sogenannte Wehrmachtsausstellung in den letzten
Jahren keine unbedeutende Rolle. Sie machte das Verständnis von der
befleckten Wehrmacht endgültig salonfähig so ähnlich, wie
es sich im Traditionserlass der Bundeswehr wieder findet. Dort heisst es zum
Thema Wehrmacht, sie sei damals in Verbrechen verstrickt gewesen.
Die Ausstellung beförderte insbesondere auch die Zentrierung des
selbsverliebten Blickes auf die Täter weg von den Opfern. Ganz
richtig stellte Günter Jacob fest, dass es sich bei der Präsentation
der Ausstellung um eine Mischung aus Fronleichnam und Tag der deutschen
Einheit handele.
Die Kritik von Links ist seit Jahren nicht nur auf der Strecke und im Halse
stecken geblieben, sondern in der Hauptsache gar nicht formuliert worden.
Ursächlich dafür ist sicherlich der Angriff von Rechts gegen die
Ausstellung. Folgerichtig wäre ja, nun die Ausstellung noch intensiver zu
verteidigen. Dagegen soll letztlich gar nicht geredet werden. Nur die linke
Kritik muss kommen und wahrnehmbar werden, sonst überrollt uns der neue
Berliner Antifaschismus fortwährend so gnadenlos wie zum Kosovokrieg, wo
eher Maulaffen feil geboten wurden, sobald es sich vom naiven christlichen
Pazifismus nach links bewegte.
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