Auftaktveranstaltung der NPD für das Wahljahr
1998 Ein gutes Stück Sachsen: Die Demo in Dresden
In Dresden versammelten sich am 24.01.1998 unter dem Motto Für Recht
und Wahrheit die Kreisverbände der NPD Sachsen. Die einzige Ausnahme
bildete der Kreisverband Muldental, dessen Anreise bereits am Bahnhof
Wurzen ein Ende fand. Aus anderen Bundesländern nahmen nur wenige Kader
teil (u.a. Steffen Hupka, Christian Worch). Der Aufmarsch in Dresden
kann als regionale Veranstaltung der NPD Sachsen gewertet werden, der vom
Landesverband gleichzeitig als Wahlauftakt angesehen wird. Die ca. 1.200
anwesenden Nazis, die für die Ehre der Wehrmacht und der
Waffen-SS(1) marschierten, erhielten ihre Bilder, die auch sofort in
den regionalen Medien verbreitet wurden, als sei es ein Umzug einer
Trachtengruppe gewesen. Das einzige erkennbare Anzeichen einer
Gegenöffentlichkeit war das Läuten der Glocken, das während der
Rede des Bundesvorsitzenden der NPD, Udo Voigt, zu vernehmen war.
Die Anmeldung der NPD lag dem Ordnungsamt Dresden seit dem 10.12.1997 vor. Am
15.12.1997 wurde vom Dresdner Bündnis gegen Rechts eine
Demonstration Kein Platz dem deutschen Geschichtsrevisionismus
Verbrechen lassen sich nicht leugnen angemeldet. Das Ordnungsamt kam
seiner Auskunftspflicht über einen etwaigen Erstanmelder an diesem Tag
weder gegenüber den Anmeldern des Bündnisses, noch aufgrund einer
Anfrage einer Stadtratsfraktion nach. Erst während eines Gespräches
am 8.1.1998 wurde gegenüber dem Anmelder (DGB Jugend) von einer
NPD-Demonstration gesprochen. Eine nachträgliche Anfrage an das
Ordnungsamt, warum die Informationen fast einen Monat zurückgehalten
wurden, ist nicht erfolgt. Was aber folgte, war eine Verbotsverfügung
gegen die Bündnisdemo, die sich maßgeblich auf angebliche Aufrufe
zur Gewalt stützte, und sich ziemlich schnell als unhaltbar
herausstellte.(2) Doch das Ziel war erreicht: Die NPD marschierte in
der Innenstadt, das Bündnis gegen Rechts außerhalb und damit kaum wahrgenommen.
Dazwischen zeigten 3.000 Polizisten Präsenz, die dafür
nachträglich mit Dank überschüttetet wurden(3). Antifas
glänzten mit Abwesenheit. Ausgehend von dem Bild, das die Stadt Dresden am
24.1. bot, entsteht der Eindruck, daß niemand ein Interesse an der Verhinderung des Naziaufmarsches hatte.
Dresden, 24. Januar 1998 |
In Erinnerung bleiben da eher Aussagen des CDU-Abgeordneten Schimpff,
man sei 89 nicht auf die Straße gegangen, damit heute
kommunistische Propaganda verbreitet werden könne, oder daß einmal
mehr die Behauptung bekräftigt wurde, einige Stücke der Exposition seien gefälscht.
Die einzig ersichtliche Auseinandersetzung, die sich im Nachhinein offenbart,
ist die um die angebliche Ablehnung einer PDS-Abgeordneten als Rednerin auf der
Bündnisdemo. Doch damit nicht genug: Sieben Tage nach dem Desaster um den
NPD-Aufmarsch entspann sich ein weiterer Streit anhand der Feierlichkeiten um
das Gedenken an die Opfer des allierten Luftangriffs 1945 auf die Stadt. Das
Bündnis gegen Rechts legte eine halbe Stunde vor dem
öffentlichen Termin einen Kranz nieder, um sich gegen das Verhalten des OB Wagner zum 24. Januar abzugrenzen. Von Seiten der
PDS-Stadtratsfraktion wurde dem Bündnis vorgeworfen, es nutze die
Trauerfeierlichkeiten für eine politische Profilierung aus. Von derselben
Stadtratsfraktion kam leider kein Aufschrei, als klar war, daß die
Nazimarschroute an der ehemaligen jüdischen Synagoge vorbeiführt, und
dabei Parolen über die Anständikeit deutscher Soldaten skandiert werden.
Weiterhin drängt sich der Eindruck auf, daß niemand die Bedeutung
eines Aufmarsches dieser Größenordung als ernsthafte Bedrohung
wahrnimmt und daß sich keine politisch relevante Kraft aus dem lokalen
Klüngel löst, um gegen die Nazis vorzugehen. Die einzig nachhaltigen
Einwände bezogen sich auf eine Gefährdung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung (innerhalb der Verbotsverfügung: Antifas
könnten den Marsch angreifen) und dem zaghaften Versuch des
Bündnisses, innerhalb ihres Aufrufs auf die Motive der NPD hinzuweisen.
Demonstration der Stärke der Marsch wird geblasen: Von einer
radikalen Minderheit zur Offenbarung des Volkswillens.
Der Aufmarsch in München am ersten März 1997 stellte in dreierlei
Hinsicht einen markanten Wendepunkt dar. Als Vergleich kann der traditionelle
Rudolf-Hess Marsch dienen. Er stellte bis München das
zahlenmäßige High-Light der letzten Jahre dar.
Die Mobilisierungsinhalte beschränkten sich maßgeblich auf die
Revidierung der NS-Politik: Der Hitlerstellvertreter Rudolf Hess als
Friedensflieger für Deutschland und seine mythische Opferrolle
als lebenslänglicher Häftling der Alliierten. Außerdem spielten
sich bisherige Aufmarschversuche ausschließlich innerhalb einer
organisierten Naziszene ab, ohne auf die unverhohlene Zustimmung der
bürgerlich-demokratischen Öffentlichkeit hoffen zu dürfen. Auch
hier können die Hess-Märsche als Beispiel dienen.
Im Gegensatz zu München 1997 setzte der autoritäre Staat beim
Hess-Marsch 1997 sein beliebtestes Mittel, die Repression, ein und erreichte
damit einen Rückgang der DemoteilnehmerInnen für das öffentliche
Bild auf wenige hunderte Nazis, die schließlich im August 1997 irgendwo
bei Braunschweig kapitulierten. Mit dem Abwenden des bürgerlichen Lagers
von liberalen Gedankengut einerseits und dem Umschwenken der
nationalsozialistischen Mobilisierungsthemen hin zu klassischen konservativen
Forderungen wie Unsere Großväter waren keine Verbrecher,
Die Deutsche Wehrmacht kämpfte tapfer und anständig! usw.
andererseits ist die Grenze zum demokratische Spektrum aufgeweicht und die
obligatorische Abgrenzung des konservativen Spektrums hinfällig. In
München kam die Unterstützung für die Kampagne gegen den
Wanderzirkus des israelkriechenden
Tabakerben, (O-Ton JN-Infotelefon; gemeint ist der Leiter des
Hamburger Instituts für Sozialforschung, Jan Phillip Reemtsma) nicht
zuletzt von dem Bayerischen Landespräsidenten Stoiber selbst, der parallel
zur Eröffnungsveranstaltung der Austellung in der Münchener
Universität an einer Kranzniederlegung am Grab des unbekannten
Soldaten zusammen mit der CSU und Angehörigen der Bundeswehr und
Korpsstudenten einer Mahnwache für die (!) Opfer des Zweiten Weltkrieges
beiwohnte, und gipfelte in der mittlerweile allseits bekannten Formulierung des
CDU-Landtagsabgeordneten Peter Gauweiler: Der Initiator der Exposition solle
eine Austellung über die Toten und Verletzten von den Milliarden
seiner Zigaretten, die er verkauft hat, und denen er sein Vermögen
verdankt machen.(4) Die Bürgerliche Rechte stellte sich
komplett hinter die revisionistische Darstellung der Wehrmacht als
kämpfendes Heer, das wie jede andere europäische Armee natürlich
keinen entscheidenden Beitrag zum Vernichtungskrieg der Deutschen im Osten
geleistet habe. (Damit wurden über die Hintertür die Volk ohne
Raum-Politik, und als oberstes Ziel: Die Shoa, nochmals als Deutsche
Geschichte, als legitimes Kriegsziel dargestellt und die 1985 in Bitburg
begonnene und in Dresden 1995 weitergführte Relativierung der deutschen
Kriegsziele auf eine weitere Spitze getrieben!).
Ein weiterer Punkt der im Hinblick auf die Aufmärsche, ob
München, Lübeck, Görlitz, Dresden, nicht außer acht
gelassen werden darf ist, daß der Nationale Widerstand
seine Geschichte samt der dazugehörenden Bilder braucht. Durch
Aufmärsche wird sie geschrieben, und die Sammlungsbewegung
erhält den Aufschwung, der ihr durch die mangelnde Demonstration der
Stärke fehlen würde.
Tausend Abenteuer, Geschichte wird gemacht, es geht voran!
Kulturelle Hegemonie und das Angebot der NPD, sich über eine demokratisch
legitimierte Partei zu artikulieren: Das Beispiel Sachsen.
Das vielzitierte Konzeptpapier des NHB (Nationaldemokratischer Hochschulbund)
Befreite Zonen hat seine reale Umsetzung erreicht. Seit der
Veröffentlichung im Jahr 1991 ist bis heute in den Dörfern und
Landkreisen Sachsens eine Alltags-Jugendkultur entstanden, die alles, was nicht
rechts ist, aus fast allen Lebensbereichen herausgedrängt hat. Neue Kader
sind herangewachsen, haben ihre Schulungen hinter sich und forcieren die
Strukturierung der losen Cliquen in den Jugendclubs, bringen
Propagandamaterialien ein, festigen durch politische Veranstaltungen
rassistische und antisemitische Feindbilder und bieten ein breites kulturelles Angebot an.
Alle und alles, was sich in eine andere Richtung entwickeln möchte, wird
als Links bzw Zecke diffamiert und damit sind die Tage
derer gezählt(5). Die Bemühungen werden wohlwollend
quittiert: Faschokonzerte in der Diskothek Wodan in Mücka (Oberlausitz)
sind mit durchschnittlich tausend Partygästen ohne ersichtliches
Merchandising der Traum jedes Konzertveranstalters(6). Aber auch ganz
normale Geburtstagsparties wie in Schildau am 23. 8.1997(7) oder die
Feier für einen Kumpel am 20.4.1996, die sich als
Hitler-Ehrung herausstellte, können sich einer positiven Resonanz erfreuen(8).
Dresden, 24. Januar 1998 |
Die Einladungen bzw. Mobilisierungen laufen dabei über völlig eigene
Strukturen. Wer erwartet, gewisse Landstriche seien zugepflastert mit rechten
Aufrufen, Konzertankündigungen o.ä., wird enttäuscht werden. Ob
in Wurzen, Grimma, Bautzen, Dresden, an öffentlichen Plätzen sind
maximal Spuckies, ab und zu auch einmal NPD-Plakate oder Postwurfsendungen zu
entdecken, die aber keinesfalls auf Größenordungen von 80-300
sonnenwendfeiernden Faschos schließen lassen(9).
Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, die über ihre
Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten den Anlaufpunkt für militante
Neofaschisten bietet, gibt dem Nationalen Widerstand die Möglichkeit, sich
über eine demokratische Partei in der Öffentlichkeit zu artikulieren.
Sachsen kann dabei Vorbild für andere Bundesländer werden. Der
Führungsanspruch der NPD in Sachsen scheint sich zu manifestieren. DSU,
Republikaner, DVU spielen im Gegegnsatz zu 1991-1993 keine entscheidende Rolle
mehr. Die JN-Bundeszentrale wurde Anfang Januar nach Dresden verlegt. Oliver
Händel, JN Kader aus Köln, übernahm zusammen mit Katharina
Handschuh (Bundesmädelbeauftragte) seitdem die Koordinierung und den
Aufbau weiterer neofaschistischer Strukturen.
17 NPD-Kreisverbände existieren allein in Sachsen, ca. 700 neue Mitglieder
kann die NPD im Jahr 1997 verbuchen. Die Mitgliederzahl ist damit auf ca. 1.000
angestiegen(10). Zuwachs verspricht die Auflösung der Nationalen
e.V., deren Mitglieder auch in Sachsen komplett in die NPD-Kreisverbände
eintreten (z.B. KV-Weißwasser(11)). Innerhalb der NPD Sachsen
tummeln sich mittlerweile nicht mehr nur einschlägige Ex-Kader aus bereits
verbotenen Organisationen, auch eine Biographie, wie die des Marcus Müller
aus Wurzen, der über die Gründung der Kameradschaft Wurzen und den
Eintritt in die NPD zur Integrationsfigur zwischen autonomer Kameradschaft und
Parteienstruktur avancierte, kann als typischer Werdegang angesehen werden.
Antifa heißt Ausschlafen, die Zweite und Den rechten Konsens
durchbrechen, die Zweite Die Krise der Antifabewegung: Zukunftsprojekte in Saalfeld und Leipzig
Seit über einem Jahr haben AntifaschistInnen keinen größeren
Faschoaufmarsch mehr verhindert, sondern sich durch ihre spärliche
Anwesenheit manchmal sogar in sicherer Entfernung von den Faschos,
lächerlich gemacht. Zu nennen wäre München, wo am 1. März
1997 nur ca. 2.000 autonome Antifas, die meisten aus der näheren Umgebung,
gegen den Faschoaufmarsch demonstrierten. Der von der NPD für
Abschlußkundgebung angemeldete Platz konnte schließlich nur besetzt
werden, weil sich die TeilnehmerInnen zweier anderer Demonstrationen liberaler
Organisationen und Parteien daran beteiligten. In Passau und Dresden
demonstrierten nur rund 1.000 Antifas; die bürgerliche Öffentlichkeit
hatte zwar parallel dazu zu Aktionen aufgerufen, ließ sich aber kaum
blicken. Weder die Passauer Aktion Zivilcourage, die die Eingänge des
Veranstaltungsortes blockieren wollte, noch das Dresdner Bündnis gegen
Rechts konnten eine nenneswerte Anzahl von Menschen mobilisieren.
Danach ist die Empörung unter Antifas groß, leider immer nur unter
denjenigen, die in der jeweiligen Stadt im Stich gelassen wurden. Wütende
Diskussionspapiere werden verfaßt, gerichtet an jene, die es offenbar
irgendwo gibt und die nicht da waren. Die antworten jedoch nicht und deshalb
wird es immer fraglicher, ob es sie überhaupt noch gibt. Darüber
können gelegentliche Ausnahmen, wie am 16.11.96 in Wurzen, nicht hinwegtäuschen.
Um so wichtiger wird es für die übrigen, die sich von der Kritik der
alleingelassenen AntifaschistInnen angesprochen fühlen, das Augenmerk auf
die nächsten wichtigen Ereignisse zu richten. Da wäre zum einen die
bundesweite Antifademo am 14.3.1998 in Saalfeld (siehe extra Beitrag in diesem
Heft) und die geplanten Gegenaktivitäten zum Faschoaufmarsch am
1. Mai in Leipzig. Nach dem Verbot des angemeldeten NPD-Aufmarsches
letzten Jahres, hat die NPD gleich für 1998 den Aufmarsch angemeldet, um
einem Verbot definitiv aus dem Weg zu gehen und einen langen Vorlauf für
die Mobilisierung zu gewinnen. Dieser wird nun seit einigen Monaten ausgiebig
genutzt. In verschiedenen Städten rufen Aufkleber, Plakate und
Flugblätter zur Großdemonstration des nationalen
Widerstandes auf, im Internet übertreffen sich die
Nazi-Propagandisten bei der Schätzung der TeilnehmerInnen: 10.000, 15.000
oder gar 20.000? Nach den Erfolgen von München, Passau und Dresden
dürfte wenigstens die erste Zahl nicht gänzlich unrealistisch sein.
Während die NPD sich einerseits mit ihrer Jugendorganisation, die
große Teile des militanten Lagers und Mitglieder verbotener
Organisationen aufsaugt, in der bürgerlichen Öffentlichkeit
stigmatisiert(12), versteht sie es anderseits, die nur rhetorische
Grenze zwischen ihr und der deutschen Bevölkerung immer mehr aufzuweichen.
Dafür ist der Aufruf der NPD zum 1. Mai 1998 ein gutes Beispiel:
Massenarbeitslosigkeit, Lehrstellenlücke, Firmenpleiten,
Schuldenrekord, Wohnungsnot, Inflation (...) ungebremste Profitsucht, Machtgier
und kalter Egoismus sind die Stichworte, bei denen viele anbeißen werden.
Darum gilt es, am 14.3. in Saalfeld einen so großen Erfolg zu erringen,
wie die Niederlage für die Faschos am 1.5. in Leipzig sein muß!
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