Antirassismus heißt Grenzcamp und Grenzcamp heißt Antirasssismus
Es ist fürwahr ein offenes Geheimnis, was die Dresdener Veranstalter eines
Pop gegen Rechts Mitte September in ihrer Ankündigung zum
besagten Event festhielten: Antirassistische Gruppen arbeiten im
Spannungsfeld zwischen Sozialarbeit mit Flüchtlingen und politischer
Wirkungslosigkeit.
So nüchtern, wie hier mit wenigen Worten die Situation umschrieben wird,
findet man es selten. Hinzufügen läßt sich da letztlich nicht
viel. Außer, daß Antirassismus wie auch der praktische
Antifaschismus ausgeprägte Züge einer Art Ersatzhandlung angenommen
haben. Im Falle der Antifa-Sachen ist der Nazi als Feind immerhin noch
einigermaßen ebenbürtig. Im Falle der Antira-Arbeit haben sich
letztlich alle auf dem Feld karitativer Tätigkeit mit Begleitmusik
eingefunden. Hier dient der konkrete Flüchtling in vielen Fällen als
Projektionsfläche für ein schlechtes Gewissen von Antiras, was
gleichzeitig noch die Mühseligkeit einer intensiveren gesellschaftlichen
Auseinandersetzung erspart. Kraft der Projektion gerät der Flüchtling
zu einem hilflosen Opfer der staatlichen und gesellschaftlichen Umstände
ein Opfer pur, das sich durch die Differenz des Besitzes und
Nichtbesitzens eines Stückes eingeschweißter Pappe gemeinhin
deutscher Paß genannt seitens des Antiras konstruieren
läßt. Der ideale Prototyp des Flüchtlings für
Antira-Arbeit ist ordentlich, diszipliniert, bescheiden in seinen
Ansprüchen, willfährig, immer traurig und nur durch Antiras kurzzeitg
zum Lächeln zu bringen. Arschlöcherische Flüchtlinge,
Vollidioten, Macho-Ärsche oder Menschen mit vergleichbaren Eigenschaften
stören die antirassistische Idylle, die für alle Fälle einen
Platz in der Multikulti-Welt reserviert hat.
Wenn Weltenbummlermentalität, politisches Denken und Handeln,
Technikfeindlichkeit, Nischen-Dasein und zivilisatorisches low
level-Organisationstalent aufeinandertreffen, ist nun schon seit mehreren
Jahren in den Sommermonaten Antira Camp-Zeit.
Plakat zum Grenzcamp 99
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Eines der größten dieser Art fand dieses Jahr bekanntlich im August
in Zittau/Sachsen statt. Ein bunter, fast ausländerfreier deutscher Haufen
fand sich da zusammen, um die ganze Rolle antirassistischer Folklore
abzuspulen. Vom gemeinsamen veganen Fraß über Frauen/Lesben Areas
(no go Areas für Männer), Happenings aller Coleur, Demonstrationen,
Konzerten, Foren und einfach-nur-so-da-sein reichte das Programm. Sich in
unheilige Allianz mit völkischen deutschen Revanchisten begebend, lautete
das Motto des Camps: Keine Grenze ist für immer. Ob dieses
Motto ein besonders gelungener Schachzug zum Beispiel des völkischen
Ostpreußenblattes gewesen ist, das den Antiras dieses Motto
taktisch geschickt untergejubelt haben könnte, ließ sich bis dato
nicht klären. Deutlich zeigt sich, daß der deutsche Rockzipfel und
die Sorgen und Nöte der Flüchtlings-denunzierenden
Grenzbevölkerung um einiges näher waren als der sorgenvolle Blick der
tschechischen und polnischen Nachbarn, denen angesichts eines solchen Mottos
schon mal das Fürchten gelehrt werden kann.
Am Ende des Camps logischerweise das Fazit. Daß an positiven Sachen nicht
viel mehr zu konstatieren blieb als eine vermeintlich symbolhafte
Solidarisierung und Stärkung imaginärer lokaler Antiras und Antifas
an der Ostgrenze ist ein Trauerspiel, das angesichts eines perspektivlosen
Antirassismus nicht anders hätte enden können.
Das Fazit dieser Zeilen darf ausnahmsweise mal die taz ziehen.
Gastautor Andreas Fanizadeh, ansonsten Chef der Zeitschrift Die Beute
und vom ID-Verlag, schrieb ebenda zum Antirassismus von heute: Bruchlos
werden die historischen Konserven von Ende 60/Anfang 70 aktualisiert. Und viele
der jüngeren Linken (beim Camp - R.) gerade aus dem Osten
Deutschlands stehen in ihrem Postpunk- und Hippie-Outfit vor dem Abgrund
einer bereits in den 70ern erstarrten Lebensform, die sie schon als den
politischen Inhalt schlechthin begreifen.
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