home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[58][<<][>>]

Die Radikale Linke und die „friedliche Revolution”

Nachfolgend dokumentieren wir drei Referate, die aus dem Kreis der AGNeunundachtzig beim Bündnis gegen Rechts (BgR) anläßlich der Diskussionsveranstaltung „Die Radikale Linke und die »friedliche Revolution«“ am 30. Juni im Conne Island gehalten wurden. Die drei Beiträge widerspiegeln nicht en detail die Meinung der AGNeunundachtzig. Die Veranstaltung diente der inhaltlichen Vorbereitung von Aktivitäten anläßlich der im Herbst zu erwartenden unzähligen Gedenkveranstaltungen unter dem Motto „Leipzig erinnert an den Herbst ‘89“. Ein erstes Positionspapier veröffentlichte das Cee Ieh bereits in seiner Ausgabe Nr. 57.

Für Volk und Vaterland. – Zweites Referat
Doppelte Opposition. – Drittes Referat

, 0.0k

Der Kapitalismus kann machen, was er muß

, 0.0k

Das Symbol 1989 und die weltweiten Folgen.

Mit dem Ende des real existierenden Sozialismus verschwand – im Weltmaßstab betrachtet – die für den Kapitalismus einzig ernstzunehmende Gesellschaftsalternative, die er nicht nur fürchtete, sondern die ihm auch tatsächlich Paroli bieten konnte – wirtschaftlich, militärisch, politisch. Das muß, trotz aller unbedingten Kritik am realen marxistisch-leninistischen Staatsmodell, immer wieder hervorgehoben und betont werden. Es ist zu vermessen zu sagen, der Kapitalismus sei nur übrig geblieben und er hätte nicht gewonnen. Letztendlich erheblich für die Linke weltweit sind die Analyse der Fehler und die Lehren, die daraus für die Zukunft gezogen werden.
Im Zusammenspiel mit einer immensen Produktionssteigerung und eines erhöhten Absatzes – angekurbelt durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges – kam in den westlichen kapitalistischen Staaten ein Wohlfahrtsmodell zum Tragen, das nicht unerheblich ein Produkt der kalten Auseinandersetzung um das bessere Gesellschaftsmodell gewesen ist. Dieses Modell kennt nach 1989 keine ernstzunehmenden Konkurrenten mehr. Und damit ist ein wesentlicher Grund für das Modell eines kapitalistischen Wohlfahrtsstaates auf nimmer Wiedersehen verschwunden. (Natürlich muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß weitere wesentliche Gründe für das Ende des kapitalistischen Wohlfahrtsmodells existieren. So die immense Staatsverschuldung durch die ständig künstlich geschaffene Staatsnachfrage insbesondere in den Siebzigern – der sogenannte Keyneseanismus – oder die Veränderungen der Produktion durch den Einzug der Mikrolelektronik weg vom sogenannten fordistischen Modell. Verwiesen sei außerdem auf die Politik Ronald Reagans in den USA oder Maggie Thatchers in Großbritannien, die beide mit großen Schritten den Wohlfahrts - bzw. Sozialstaat zerschlugen.)
Es nicht richtig, davon auszugehen, daß im Zuge der Zerschlagung oder - wie es gern verniedlichend genannt wird – des Umbaus des Sozialstaates, eine tatsächliche Angleichung der Lebensverhältnisse und Standards von Zentrum und Peripherie stattfindet. Für ewige Zeit, unter den Bedingungen des Kapitalismus, wird dieser klaffende Gegensatz bestehen bleiben, weil die Peripherie – trotz aller Effektivierung der weltweiten Produktion und des Absatzes im Zuge sogenannter Deregulierung – den Status eines Zulieferers und Billigherstellers für die kapitalistischen Zentrumsstaaten nicht verlieren wird.
Tatsächlich haben die Ereignisse von 1989 – dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus – dazu geführt, dem Kapitalismus einen ungehinderten Zugang zu allen Teilen der Welt zu ermöglichen – von, im Weltmaßstab betrachtet, unerheblichen Ausnahmen mal abgesehen. Im Zusammenspiel mit weiter oben bereits erwähnten veränderten Produktionsbedingungen und – weisen schimpft sich diese Tatsache Globalisierung oder Neoliberalismus. Interessanterweise ist es so, daß es innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft kaum größeres Interesse gibt, dortige Ressourcen wirklich zu nutzen noch jeweils neue Absatzmärkte aufzubauen. In aller Regel geht es um Zugriffssicherungen, die mittels Politik hergestellt werden. So geht eine Neuaufteilung der Welt in imperialistische Interessenssphären vonstatten. Dabei spielen zwei Faktoren eine wesentliche Rolle: der monetäre – die Kreditpolitik über IWF und Weltbank – und der militärische.
Trabi in Luebeck, 14.8k
„...ungehinderter Zugang zu allen Teilen der Welt“ – motorisierte Zonis fallen in den Westen ein
Beide Faktoren kennen ein Außen und ein Innen: Der monetäre – der Geldfaktor – dient nach außen hin zur Ruhigstellung unberechenbarer Staaten (z.B. Rußland) und nach innen zum Machtpoker insbesondere zwischen Euro und Dollar. Der militärische dient nach außen einem permanenten Bedrohungsszenario gegenüber möglichen Abtrünnigen vom Kapitalismus. Dazu ist eine permanente, jederzeit abrufbare Interventionsfähigkeit notwendig. Und gerade wer diese Interventionsfähigkeit nachweisen kann und mit allen erdenklichen Nebenwirkungen und Folgen durchsteht, hat das tasächliche Sagen. In diesem Sinne läßt sich insbesondere in der Nato eine funktionale Interessenbündelung aller Mitgliedsstaaten konstatieren, die zumindest den Vorteil ungebremster Alleingänge einzelner bis auf weiteres in sich birgt.
Es läßt sich festhalten, daß mit dem Ende des Ostblocks tatsächlich die Rückkehr des Krieges als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln stattfindet. Dabei wird gegen die vorgegangen, die der neuen weltkapitalistischen Ordnung mutmaßlich oder tatsächlich im Wege stehen. Das schließt ausdrücklich jeden aufblühenden sozialistischen oder anderweitig emanzipativen Gesellschafts- oder Organisationsversuch ein. Mit dem Ende der Nachkiegsordnung, wofür das Symbol 1989 explizit steht, haben Errungenschaften wie die UNO längst ihre Legitmiation verloren. Sie erscheinen heute nur noch als weltgemeinschaftliches Feigenblatt zur Funktionalisierung der Menschenrechte laut UNO-Charta. Eine Änderung der Doktrin der Nato, die erst vor wenigen Monaten erfolgte, und in der festgeschrieben wurde, daß selbst der UN-Sicherheitsrat faktisch für die Entscheidugen der Nato unerheblich ist, wäre beispielsweise zu Zeiten des Warschauer Vertrages als militärisches Pendant und Regulativ undenkbar gewesen.
Das überall zu konstatierende Aufflackern sogenannter ethnischer Konflikte - von Bürgerkriegen zur sogenannten nationalen Befreiung – als fast durchweg zu beobachtendes nationalistisch-völkisches Aufbegehren verweist darauf, daß nach dem Ende des Ostblocks diese größtenteils von Nationl-Wahn getriebenen Bewegungen, Organisationen oder Gruppen nun auf sich selbst zurückgeworfen werden. Die tatsächlich aufklärerische Wirkung, die mit der damaligen ideologischen Hinwendung vieler sogenannter nationaler Befreiungsbewegungen zum Marxismus-Leninismus, und damit zum Ostblock, einherging, hat endgültig ausgedient. Statt von einem starken Wirtschaftblock wie dem RGW sehen die Anhänger ethnischen und nationalen Wahns ihre Heilbsbringung in der Hingabe ihres „reinen” Blutes, mit dem sie ihre völkisch halluzinierten Parzellen märtyrerhaft tränken.
Die Verwalter der Neuen Weltordnung sehens zwar mit Schrecken, aber keinen Grund zum Eingreifen – ausnähmlich dem Fakt, das „Krisengebiet” grenzt zu nahe ans westliche Zentrum. Stattdessen wird die Verantwortung an die fachidiotischen NGOs delegiert, die diese sie bei weitem überfordernde Aufgabe mit Kußhand übernehmen und die völkischen Parzellierungen gar noch vorantreiben.
Vor denen, die aus diesen Verhältnissen flüchten bzw. flüchten wollen, verschließen die Staaten des Zentrums ihre Tore. Solange das Reich des Bösen – der real existierende Sozialismus – weltpolitisch präsent war, solange waren die Türe und Tore für die Flüchtlinge weit geöffnet. Doch jetzt sollen die Menschen gefälligst dort bleiben, wo nichts zu holen ist. Ein Schengener Abkommen, das die Festung Europa festschreibt, hätte es vor 1989 nie gegeben – ja nie nicht geben können. Die Sicherheits- und Migrationspolitik muß, im Gegensatz zu vor ’89 nun erst recht nicht mehr besser sein als sie der Kapitalismus braucht.
Es ist seit 1989 Tatsache: Keine ersntzunehmende Alternative zum Kapitalismus kann für sich in Anspruch nehmen, wirklich präsent zu sein und das Denken der Menschen mitzubestimmen. Entprechend selbstsicher forciert und optimiert der Kapitalismus die Ausbeutung und die Profite. Nicht zufällig feiern Esoterik, Verschwörungstheorien, Religionen und Akte X als altes neues Opium fröhliche Urständ. Ein nicht geringer Teil der Menschheit ahnt, daß etwas nicht stimmt, doch kaum jemand ist mehr in der Lage, das ausgerufene „Ende der Geschichte” – den endgültigen Sieg des Kapitalismus weltweit – in Frage zu stellen.
Der Einbruch der Linken mit ihren großen Alternativen ließ den Blick auf die schreiende Ungerechtigkeit des Kapitalismus per se von der Bildfläche verschwinden. Seitdem kann der Kapitalismus machen, was er muß, weil er vom Charakter her gar nicht anders kann.
Letzterer Satz umschreibt kurz, was mit dem Symbol ‘89 zu verbinden ist.

home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[58][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007