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Glosse:

Gegen die Absprachen.

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Zur AntiRa-Demo in Leipzig.
Was bei einer antirassistischen Demo in Leipzig so alles passieren kann

Es war einmal antirassistische Demonstration am 24. Juli 1999 in Leipzig. Sie fand statt wegen laufender Gerichts-Prozesse gegen Kurden unter dem Motto „Abschiebung ist kriminell“. Alles war gut ausgedacht, denn tatsächlich wollten sich echte Ausländer an der Demo der Deutschen beteiligen. Also, keine Symbole mitnehmen, damit die Ausländer auch nicht in die Versuchung kämen, welche mitzubringen oder gar zu zeigen. Schließlich sind die ja – wie man weiß – ohnehin zu blöde, deutsche Verbote zu kapieren. Irgendwelche verbotenen Dinge zeigen die immer mal wieder und dann wundern sie sich, daß sie in den Knast einfahren. Dabei haben es die Deutschen ihnen schon tausend mal gesagt: Dieses und jenes ist in Deutschland v-e-r-b-o-t-e-n! Nix Zeigi-Zeigi bei Demo!
Ja, wie gesagt, alles war wie am Schnürchen geplant, nur die Ausländer tanzten wieder aus der Reihe – die kamen nämlich erst gar nicht in Gruppen, sondern bloß vereinzelt. Das verstieß ja eigentlich gegen die Absprachen! Und überhaupt, wohin nun mit der ganzen aufgesparten antirassistischen Energy, hm, mit der die Ausländer von den Deutschen – nur zu ihrem Besten versteht sich – Demo-Vollzeit-geschützt werden sollten? Oh, es war schon schwierig.
Verbotene Symbole, 6.1k
„Nix Zeigi-Zeigi
Verbotene Symbole, 6.1k
bei Demo!“
Verbotene Symbole, 6.1k
Aber da! Eine riesige rote Fahne mit dem Logo der Antifaschistischen Aktion näherte sich dem Demotreffpunkt und zog unvermeidlich die Blicke auf sich. Nun gut, dachten sich wohl die standhaften Antirassisten, als sie, Auge in Auge mit dem Träger der Fahne, durch diesen mehr als autoritären – und vor allen Dingen nicht abgesprochenen (!) – Akt der Ideologisierung einer politischen Demonstration höchstwahrscheinlich durch diese reine Provokation zu unüberlegten Handlungen hingerissen werden sollten. Kreativ und selbstbestimmt trugen sie’s mit Fassung.
Doch dann das! Plötzlich begannen mehrere Personen gleichzeitig, Kinder, so um die 18 Jahre und nicht älter, unter Androhung von Gewalt dazu zu zwingen, purpurrote Fahnen während der Demonstration zu tragen. Das war dann doch zuviel! Toleranz hat schließlich Grenzen! - und vor allen Dingen: es war nicht abgesprochen! Eiligen Schrittes ging’s auf zur Tat. Schließlich war den Antirassisten doch klar, daß man mit 18 Jahren noch nicht so richtig selbstbestimmt und kreativ sein kann. Wie auch, dachten sie sich’s bestimmt, bei solchen autoritären Menschen, die sich auch noch links schimpfen, und doch eigentlich nur die Leute für ihre Zwecke mißbrauchen wollen! Wie gesagt, sensibel und toleranz-heischend ging man auf die Kinder zu. Antiautoritär und im Höchstmaße einfühlsam fragte man dann, ob die Kinder überhaupt ein bißchen wüßten, was sie da in der Hand hielten. Und, als hätten die Antirassisten es geahnt, trat ein, was eintreten mußte: Die Kinder erkannten, daß sie rote Fahnen tragen mußten und waren zutiefst erschrocken und verletzt. Warum hatte ihnen das niemand vorher gesagt? Verantwortungsvoll wurden die Kinder während der Demo noch eine Weile betreut. Dabei kam heraus, mit was für psychologischen Mitteln die Kinder zum Tragen gezwungen wurden. Tatsächlich äußerten einige, daß sie eigentlich die Fahnen freiwillig genommen hatten. Und da fehlten den Antirassisten dann wirklich die Worte ... - zumal: es war nicht abgesprochen.
Doch es kam noch dicker. Während eines Redebeitrages erdreistete sich ein Redner, am Ende seines Beitrages ein kräftiges „Für den Kommunismus!“ durch den Lautsprecher über die Köpfe des Häufleins von Demonstranten zu schmettern. Das konnte natürlich nicht unkommentiert bleiben, und außerdem: es war nicht abgesprochen! In einem Anflug von Zivilcourage erging sich eine engagierte Antirassistin, direkt an ihren Redebeitrag anschließend, in der Errettung der Demokratie vor ihren Feinden. Mit antipatriarchaler Gründlichkeit stellte sie klar, was los zu sein hat: „im übrigen“, so fügte sie eindeutig bezugnehmend an, sei sie „nicht für Kommunismus“. Ja, da kann man ja nur von Glück sagen, daß diese couragierte Handlung überhaupt zustande kam. Es bot sich nämlich ein besonders erfreuliches Bild bei der Reaktion auf diesen Akt zivilen Ungehorsams: etwa drei Viertel der Demo gröhlten sich die Schuppen von den Augen: „Jäh“, „Jöh“ „Ja“, „Jawoll“, „Genau!“, pfeif, klatsch: genauso sähen sie’s auch – und, das ist besonders erfreulich, es war überhaupt nicht abgesprochen!
Also ehrlich, wenn ich zum Ende hin mal noch etwas ganz persönliches anmerken darf, ‘was hab ich mich gefreut. Bei soviel konstruktivem Sachverstand kann einem echt nicht bange werden um unsere Gesellschaftsordnung. Diese jungen Leute sind Deutschlands Zukunft. Wenn man da nur auf das Äußere schauen würde, hätte man es schlichtweg nicht vermuten können.
Tja, liebe Leute, was lehrt uns die Geschicht? Ich sag euch, am Ende weiß man’s nicht! (Aber der Schluß ist jetzt wirklich nicht abgesprochen.)
Euer Ralf


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last modified: 28.3.2007