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Neuss, die fünfte.

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Versuch, denjenigen, die wir nicht zu der Kaffee-Fahrt überreden konnten, etwas davon zu erzählen

Die Fahrt 1

Das übliche. Gerd und Harry, oder Olaf und Uwe – oder wie die Busfahrer auch immer hießen. Haben sich uns vorgestellt, aber da haben wir gerade geschlafen. Und Kaffee gab es – wie es sich für eine
oede orte, 7.3k
...und Neuss steht trotzdem nicht drin.
Kaffee-Fahrt gehört – auch, allerdings, so der Fahrer „erst ab 30 Mann“. Leider saßen nicht so viele Männer im Bus – Pech gehabt.(1)

Neuss 1

„Was uns in Neuss erwartet: In Neuss paart sich der katholische Kleinstadtmief der regierenden CDU mit dem technokratischen, scheinbar modernen Politikstil der rot-grünen Landesregierung. Neuss ist stolz auf das alljährlich stattfindende Schützenfest (...) und auf die Katholische Pfarrkirche St. Quirin auf der einen Seite und auf den hohen Standard urbaner Lebensqualität (...) und den innovativen Wirtschaftsstandort inkl. der guten Parkmöglichkeiten auf der anderen Seite“ – so hatten wir geschrieben. Und? Die Kirche gibt es wirklich – war nicht zu übersehen. Kirchenasyl wird es in ihr nie geben. Schützenfest war gerade nicht, dafür ein Stadtlauf. Das war auf der einen Seite besser für uns, denn Marathon-FanatikerInnen haben einen niedrigeren Gewaltpegel als der schießwütige Mob. Auf der anderen Seite sorgte der Gebietsanspruch des Laufs für eine kurzfristige Änderung unserer Demoroute. Urbane Lebensqualität – wenn die sich an der Zahl häßlicher, zweigeschossiger Backstein- und Fachwerkhäuser bemessen läßt, stimmt das wohl. Wirtschaftlich war am Samstag in Neuss nicht so viel los, die einzigen NeusserInnen, die wir zu Gesicht bekamen, hingen an irgendwelchen Fenstern in ihrer Wohnung (vereinzelt) bzw. standen vor Schaufenstern in der Einkaufspassage (zu Massen). Was wir aber genau feststellen konnten, war die Zahl der Parkplätze: Es waren 643 freie Plätze (Erhebungszeit: 15.43 Uhr).

Obwohl Neuss also das Zeug dazu hat, hat es leider noch nicht Eingang in den Band „Öde Orte“ von Jürgen Roth und Rayk Wieland(2) gefunden. Ex-NeusserInnen, ergreift die Chance, reiht Euch ein. Die Liste öder Orte ist lang: Bad Homburg, Berlin-Steglitz, Celle, Dillenburg, Greiz, Hechingen, Nürnberg, Pirmasens, Schmalkalden usw. Schickt Eure Texte an den Reclam-Verlag zu Leipzig, der Ruhm ist Euch gewiß.

Demo 1

Das alles erwartete uns also in Neuss. Was uns leider nicht erwartete, waren die zahlreichen DemonstrantInnen. Wir kamen wegen Stau zu spät und trotzdem stand da nur ein kleines Häuflein rum. Als es dann nach einigen Redebeiträgen los ging, schickten wir unsere Demo-Sachverständigen vor, die die TeilnehmerInnenzahl auf 600 schätzten. Das ist natürlich nur eine Zahl für den internen Gebrauch. Offiziell heißt es: 1.000!

Polizei 1

Die Polizei war mal richtig zivilisiert. Keine Vorkontrollen, kaum Provos, keine Auseinandersetzungen, kein Spalier usw. Nur ein bissel
der knast, 7.3k
Eingang des Knastes - vor der Verschönerung mit antirassistischen Graffities.
Straßensperre. Ihnen war die Sache wahrscheinlich auch zu langweilig. Die Bullen waren so faul, daß sie nicht mal gegen schwere Straftaten vorgehen wollten, wie z.B. §17a, Störung des Flugverkehrs (Flugtransparent per Ballon aufsteigen lassen), §67-68, Störung des Fernmeldeverkehrs (Flugtransparent steigt doch nicht richtig auf und verhängt sich in einer Antenne), §16 unter Berücksichtigung des §89, schwerer Hausfriedensbruch (Flugtransparent wird von der Antenne, die sich jedoch auf dem Dach eines abgeschlossenen Hauses befindet, befreit), §3, Absatz 2, Krach in der Mittagszeit, §19, Sachbeschädigung (Spuckies, Graffities), §1a, Verunglimpfung militärischer Würdenträger (Enthüllung eines Denkmals) usw.
Auch neu bei der Polizei: Keine Kamera, sondern ein Fernglas kam zur Überwachung der Demo zum Einsatz. Ob das Fernglas vor Gericht Beweiskraft hat...?

Demo 2

Angelehnt an die Büren-Demos ging die Demo erst durch menschenleere Straßen, hin zum Knast. Und danach in die Innenstadt (Der Knast in Büren liegt mitten im Wald, so daß früher immer erst ein kilometerlanger Waldspaziergang stattfand, dann mit den Bussen und Autos in die Stadt Büren gefahren wurde. In Neuss liegt der Knast in der Stadt selbst, menschenleere Straßen gibt es da überall, außer in der Einkaufsmeile). Am Knast selbst wurde eine Grußadresse an die inhaftierten Frauen in ca. 10 verschiedenen Sprachen verlesen. Die Zeit nutzten die DemonstrantInnen zum Bemalen der Straße und des Knast-Einganges, was auch die Polizei trotz politischen Gehalts als Stadtverschönerung durchgehen ließ. Wir dagegen waren der Meinung, daß es gar keinen Knast gäbe, da wir keinen gesehen haben. (Später wurden wir aufgeklärt, daß sich der Trakt nicht direkt an der Straße befindet.) Es folgten Redebeiträge (siehe Dokumentation) und die Enthüllung des Denkmals des „Unbekannten Freiers“. Dazu wurde ein schon existierendes Militärdenkmal der Stadt kurzerhand umgewidmet.
Weil wir unsere 30 Tassen Kaffee von der Hinfahrt noch nicht geschafft hatten und sie drohten kalt zu werden, waren wir gezwungen, die Demo vor der Abschlußkundgebung zu verlassen.

Polizei 2

In Neuss gilt auf alle Fälle noch: „Die Polizei – Dein Freund und Helfer.“ Nach der Demo, auf der Suche nach unserem Bus sperren sie die Straßen ab und suchen für uns – ungefragt – den Bus. So ein flotter Bulle auf dem Motorrad. Bei uns löste das Grundsatzdiskussionen aus, ob wir nun folgen sollten (schließlich stand der Bus wirklich dort), oder aus Prinzip in eine falsche Richtung laufen. Irgendwie kamen wir dann an.

Fahrt 2

Wir wurden dann von dem Motorrad-Typen, freudig winkend, noch aus der Stadt eskortiert, nicht wie Schwerverbrecher, sondern wie Staatsgäste. Wahrscheinlich war er sich der Tragweite des Ereignisses als einziger bewußt: Eine hochrangige Delegation aus der Weltstadt Leipzig zu Besuch in einem kleinen Kaff am Rhein.

Neuss 2

Auf der Rückfahrt war genügend Zeit, um die Papierstapel, die mensch so in die Hand gedrückt bekommt, abzuarbeiten. Das Interessanteste wollen wir Euch natürlich nicht vorenthalten: „Nirgendwo hat sich das kollektive Trinken und urgemeinschaftliche Urinieren seit den Zeiten der germanischen Demokratie so schön erhalten wie im Weichbild der Perle des Niederrheins, wo alljährlich tausend grüngeschmückte Männer durch die Stadt marschieren, die Luft vom Geknatter ihrer Flinten widerhallt und der Geruch von einigen tausend Litern Blaseninhalt seine strenge aber wirksame Bindungskraft entfaltet (...) Beim Umbau der Rhein- und Hafenstraße ist beim Anlegen eines modisch runden Kreisverkehrs, der das Einschwenken von Schützenmarschformationen unter Promilleeinfluß erheblich erleichtert, der Durchmesser der Straße zu gering ausgefallen. Die »Marschbreite von sechs Metern<<, so Napp [Bürgermeister von Neuss], ist nicht gewährleistet – eine Heimtücke, die nur mit der von Albanern zu vergleichen ist. Dort werden Straßenbrücken so eng gebaut, daß die Marschbreite für deutsche Breitpanzer der Marke Fuchs nicht gewährleistet ist, so daß diese unweigerlich in Abgründe fallen und unsere Jungs dabei zu Tode kommen. (...) Bürgermeister Napp gab es laut NGZ [LVZ von Neuss] vom 29.4.99 offen zu: »Die Schützen sind einfach vergessen worden.<< (...) Nun soll für 20.000 DM bzw. fast ebenso viele Liter ALDI-Bier eine
die pfarrkirche, 12.3k
Die Kirche gibt es also wirklich...
Verkehrsinsel beseitig werden, um die Schützen durchzulassen. Der Abgeordnete Dr. Heinz Günther Hüsch hat scharf geschlußfolgert, das Vergessenwerden der Schützen liege auch daran, »daß zu viele Mitarbeiter im Rathaus nicht in Neuss wohnten<<. Eine nähere Überprüfung, darauf wettet der Verbindungsoffizier, wird ergeben, daß die Betreffenden mindestens albanischer Abstammung sind. Er selbst wagt es kaum, die alten Pläne aus der Waldsiedlung Wandlitz – von dort, wo einst das Politbüro der SED miteinander ähnlich harmonierte wie jetzt die Schützen und Neuss – anzubieten, die sich noch in seinem Besitz befinden: Marschbreiten von hundert Metern, Kreisverkehre, in denen sich ganz Neuss aufhalten könnte und HO-Trinkhallen, in denen es nur den bei Ostdeutschen heute noch geschätzten Klarschnaps Blauer Würger gäbe. Kommunismus ist eben zu schön, um wahr zu sein.“(3)

Demo 3

Die bundesweite Vorbereitungsgruppe wertet die Demo trotz der geringen TeilnehmerInnenzahlen und der schlechten Presseresonanz (keinerlei Erwähnung in den überregionalen Medien) als Erfolg. Aufgrund des Desinteresses innerhalb der antirassistischen und antifaschistischen Zusammenhänge dachten sie „daß niemand kommt.“ D.h., die 600, die da waren, waren 595 mehr als erwartet. Wir aus Leipzig dagegen hatten ja mit 6.000 gerechnet und sind deshalb dementsprechend enttäuscht. Die Demo war natürlich trotzdem gut, wichtig, die größte ihrer Art(4) in Neuss und nur ein Anfang.
Alle, die es besser wissen, werden jetzt sagen: Die Demo war schlecht mobilisiert. Aber das stimmt, wenn überhaupt, nur zum Teil. Denn die schlechte Mobilisierung war auch eine Folge des Desinteresses am Thema bzw. der bewußten Weigerung vieler Gruppen, sich damit auseinanderzusetzen. Büren war über die Jahre hinweg der Kristallationspunkt antirassistischer Aktivitäten im bundesweiten Maßstab. Das kam nicht von ungefähr. Am Beispiel Abschiebehaft ließ sich die rassistische Abschiebepolitik des deutschen Staates am deutlichsten thematisieren und Büren stand selbst in den bürgerlichen Medien als Symbol für die Abschiebehaftpolitik. Büren war damals bundesweit der größte Knast und durch den Knastchef Möller, der Abschiebegefangene mit Kanarienvögeln verglich und die als Folter geächtete Schaukelfesselung öffentlich verteidigte, sowie durch die häufigen kollektiven Widerstandshandlungen der Häftlinge und deren brutale Niederschlagung, ständig öffentliches Thema. Auf der letzten Büren-Demo waren mehrere tausende TeilnehmerInnen, der Vorbereitungskreis setzte sich aus diversen antifaschistischen und antirassistischen Gruppen zusammen. Als die Forderung aufkam, auch in Neuss zu demonstrieren und dabei Sexismus, frauenspezifische Fluchtursachen usw. zum Thema zu machen, zogen sich viele der Gruppen aus der Vorbereitung zurück(5). Außer einigen Gruppen aus FrauenLesben-Zusammenhängen klinkten sich auch keine neuen in die Vorbereitung für die diesjährige Demo ein, so daß die Arbeit auf wenigen Schultern lastete. Damit lassen sich auch die Schwächen in der Mobilisierung erklären. Doch selbst bei seiner
backtranspi, 6.0k
Backtranspi. Neue Erfindung für den letzten Block, der leider kein Fronttranspi tragen darf. Neu war auch die Erfindung, daß nicht der erste Block rennt, sondern der letzte – was nicht mal immer schief ging.
Mobilisierung stieß das Vorbereitungsbündnis auf mehrere Mauern, wo bei Büren noch offene Türen eingerannt wurden. So veröffentlichten die beiden bundesweiten antirassistischen Zeitschriften ZAG (Berlin) und off limits (Hamburg) den Aufruf zur Demo nicht, obwohl sie ihn bekommen hatten. Auf einer der Demonstrationen gegen den EU-Gipfel in Köln weigerte sich die linksradikale Lautsprecherwagenbesatzung eine Ankündigung zur Neuss-Demo durchzusagen, obwohl sie drei Mal dazu aufgefordert wurde. Und das waren nur zwei Beispiele von vielen.
Die Ausgangsbedingungen in Neuss waren natürlich auch andere als in Büren: in Neuss sitzen „nur“ 80 Frauen, die nicht durch Geiselnahmen und nur selten durch Selbstmordversuche auf sich aufmerksam machen. Die Knastleitung von Neuss ist nicht so mediengeil wie die von Büren. Und Abschiebehaft ist kein Thema mehr, wie noch vor einigen Jahren – weder in der liberalen Öffentlichkeit noch bei den Linksradikalen. Es haben sich alle irgendwie daran gewöhnt. Der antirassistischen Bewegung kann mensch vielleicht auch zu Gute halten, daß sie sich einfach in den letzten Jahren andere Schwerpunktthemen gesucht und gefunden hat, erinnert sei an die Kampagne kein mensch ist illegal, und die von ihr getragenen Aktionen, wie die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen im Jahre 1998, das Grenzcamp 1998 und 1999 und das Wanderkirchenasyl in NRW.
Dies alles entschuldigt natürlich nicht die Verhaltensweisen der Gruppen, die sich bewußt – angesichts des „heiklen“(6) Themas – aus der Vorbereitung rausgezogen oder nicht an ihr beteiligt haben und dann nicht einmal zur Demo gekommen sind.

Anmerkungen:
(1) Um genau zu sein: Es saßen überhaupt nicht so viele Leute im Bus. Aber es waren ja auch zwei Busse.
(2) „42 Autorinnen und Autoren haben jene Dörfer, Landstriche, Städte, Stadtviertel und Stätten, wo sie länger und lang verweilen mußten, skrupulösen Inspektionen und Kritiken unterzogen. Was ihre Studien ans Licht bringen, widerspricht der Ideologie des Wohlfühlraumes, dem Geschwätz von der »Befindlichkeit« und der allseits forcierten National-Folklore; ob Bamberg oder Augsburg, Bielefeld oder Braunschweig, Freiburg, Hamburg oder Moers: durchweg: Öde Orte.“
(3) Wir danken unserem Schwesternblatt „Neusser Monat – Unabhängiges Magazin – Politik, Kultur, Szene“ (Nr. 4/99) für die Abdruckgenehmigung.
(4) Eine Woche vorher gab es in Neuss ebenfalls eine Demo gegen den Abschiebeknast im Rahmen der Gegenaktivitäten zu den Gipfeltreffen in Köln. Es kamen 30 Frauen...
(5) Das sind zum Teil die gleichen Gruppen, die jetzt behaupten, sie hätten von der Demo nichts gewußt oder erst zu spät davon erfahren.
(6) Immerhin wurde von der Vorbereitungsgruppe nicht nur ein abstraktes Bekenntnis gegen Abschiebehaft eingefordert, sondern ein aktives Auseinandersetzen über die eigene Verstricktheit in sexistische und rassistische Strukturen.


Als Bonus, nur in dieser elektronischen Ausgabe, noch ein Text zu Abschiebeknästen in anderen Ländern.
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„Andere Länder - andere Sitten“

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Abschiebehaft - ein deutscher Exportschlager?

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Neuss vorbei. Was steht im Sommer so an. Da ihr sicher alle in den Urlaub fahrt, hier die ultimativen Reisetips für radikal reisen.(1)

Nabelschau

In den letzten Ausgaben haben wir ausführlich die Geschichte der Abschiebehaft, aktuelle bundesweite Entwicklungen, die spezifische Situation in Sachsen und den einzigen reinen Frauenabschiebeknast in Neuss beschrieben.(2)
Wir erinnern uns: Abschiebehaft war eine bayerische Erfindung, 1920. Auslöser waren die antisemitischen Diskussionen in der Bevölkerung, den Medien und der Regierung in Folge der Novemberrevolution 1918. Ergebnis war die juristische Fixierung des Instruments der Abschiebehaft im Fremdengesetz und die Einrichtung eines Abschiebelagers für 600 OstjüdInnen, welches jedoch einige Jahre später wieder aufgelöst wurde. Der Abschiebehaftparagraph hatte jedoch Bestand durch die Jahrzehnte hinweg. Es gab ihn im Dritten Reich, unverändert dann bis 1965, und seit der „friedlichen Revolution“ in Leipzig 1989 wird er fast alljährlich verschärft.
Und da am deutschen Wesen bekanntermaßen die Welt genesen soll, ist Abschiebehaft zum Exportschlager geworden. Indirekt in den westeuropäischen Ländern und direkt in den osteuropäischen. Indirekt heißt, daß einige westeuropäische Länder sich freiwillig in punkto rassistischer Anti-Flüchtlings-Gesetzgebung viel von Deutschland, dem großen Vorbild auf diesem Gebiet, abgeguckt haben. Die anderen gerieten alle früher oder später in Zugzwang, sei es innerhalb der Europäischen Union und durch die Schengen-Verträge, sei es durch direkten Druck aus Deutschland oder weil sie glaubten, „überschwemmt“ zu werden, wenn sie sich nicht ebenso abschotten wie die anderen.
Die Machtmechanismen innerhalb der EU sind nicht auf den ersten Blick sicht- und durchschaubar. Diese oben beschriebene Entwicklung läßt sich aber auch u.a. daran ablesen, daß in keinem (uns bekannten) europäischen Land Abschiebehaft schon so lange existiert, in diesem Umfang und so restriktiv gehandhabt wird wie in der BRD.
Der deutsche und westeuropäische Einfluß wirkt dagegen in Osteuropa viel direkter. Die einzelnen Länder Osteuropas wurden gezwungen, erpreßt und bestochen, an der Festung Europa mitzubauen. Druck- und Lockmittel waren finanzielle und Wirtschafthilfe, das Versprechen, in die EU oder NATO aufgenommen zu werden, oder die Drohung, dies zu verhindern. Alle osteuropäischen Staaten haben sich diesem Diktat mehr oder weniger gebeugt, so daß es inzwischen dort überall Abschiebeknäste gibt. Dieser Prozeß ging aber nicht so glatt vonstatten wie im Westen und da meist gesetzliche Instrumentarien gar nicht existieren, ist ein rechtsfreier Raum auf dem Gebiet der AusländerInnenpolitik entstanden, der dazu geführt hat, daß die Bedingungen in Abschiebehaft schlimmer als im Westen sind. Dies ist ein Punkt, wo der Westen mal wieder seine Überlegenheit beweisen kann, wenn er den verrückten Despoten beibringen wird, daß auch die Abschiebehaft demokratisch abgesichert sein muß - im Moment ist es aber so für alle die beste Lösung: Die Drecksarbeit erledigen die Vorposten der Festung Europa, während im Zentrum alles ganz „human“ zugeht. Diese Art von Abschiebe-Humanismus(3) kann sich Kerneuropa leisten, weil sowieso nicht mehr so viele Flüchtlinge hier her kommen, sondern schon eher hängen bleiben.

Zürich, Schweiz
„Nur der systematische Abbau der Menge der hier anwesenden Illegalen kann zum Erfolg führen. Voraussetzung allerdings ist, daß die Polizei noch über längere Zeit mit starken Kräften in der Stadt Zürich präsent ist, Illegale verhaftet und ausschafft.“
Pressemitteilung des Polizeikommandos Zürich über die Aktion „Paukenschlag“

Im Februar 1995 begann die Züricher Polizei mit der Aktion „Paukenschlag“, der Räumung der offenen Drogenszene. Durch die gekonnte mediale Verknüpfung der Begriffe „Ausländer“ und „Drogendealer“ konnte die Polizei die Aktion „Paukenschlag“ für Razzien gegen Illegale nutzen. Extra dafür wurde das Ausländerrecht geändert und das Propog, das „Provosorische Polizeigefängnis“ in Zürich eingerichtet. In dieser Kaserne werden zwischen 120 und 150 Abschiebehäftlinge, im dortigen Sprachgebrauch Ausschaffungshäftlinge genannt, interniert. In anderen Städten wurden ebenfalls Gefängnisse eingerichtet, insgesamt gab es 1995 1.100 Abschiebegefangene.
Die Haftbedingungen waren (und sind? - überzeugt Euch selbst bei einem Besuch!) sehr schlecht: Es durften keine Briefe geschrieben und nicht telefoniert werden; der Hofgang findet nur aller paar Tage für wenige Minuten statt. Manchmal werden dabei die Häftlinge zu dritt aneinander gekettet oder es wird ein Redeverbot verhängt. Es gibt nur eine medizinische Routineuntersuchung, die 30 Sekunden dauert, Notfallbehandlungen werden nicht geleistet. Zum Zeitvertreib erhalten die Flüchtlinge Werbehefte, damit sie sehen, was der goldene Westen so alles zu bieten hat.(4)
Bis 1995 konnten 30 Tage Abschiebehaft verhängt werden; dies wurde auf 3 Monate verlängert, die wiederum in Ausnahmefällen um weitere 6 Monate ausgeweitet werden können.

Lavrion, Griechenland
Im Abschiebecamp von Lavrion, einer ehemaligen Kaserne, sind komplette Familien in einem Zimmer untergebracht, getrennt nur durch alte aufgespannte Tüchern, um die „Intimsphäre“ zu wahren.(5)

Flughafen Otopeni, Bukarest, Rumänien
„Ich hatte einen Transit, und sie steckten mich [in der BRD] ins Gefängnis, weil ich ohne Visum nach Deutschland gekommen bin. Ich sagte denen, daß ich Asyl brauche, sie haben mir aber kein Asyl gegeben. [...] Aber wir haben in meinem Land [in Afrika] gegen die Regierung demonstriert, das ist das Problem. Zurückkehren wäre für mich unmittelbar eine Gefahr. Trotzdem haben sie mich in Deutschland nicht akzeptiert. Nachdem sie mich dort [in der BRD] zehn Monate eingesperrt hatten, brachten sie mich zurück hierher nach Rumänien. Für die rumänische Regierung ist es sehr schlecht, daß sie das akzeptiert. Das ist doch nicht deren Problem, sondern ein deutsches Problem, zwischen mir und Deutschland. Wie kann Deutschland sagen, daß jemand, der ein Jahr dort festgehalten wurde, nun hierher zurück muß, daß Rumänien den annehmen muß. Die deutsche Regierung hat mich hierher geschickt, sie haben gesagt, daß sie mich nach Afrika bringen wollten.“
Ein afrikanischer Abschiebehäftling im Abschiebeknast Otopeni gegenüber einem Mitarbeiter von FFM (Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, Berlin)

Seit November 1994 gibt es auf dem Bukarester Flughafen ein irreguläres und illegales Abschiebegefängnis, welches in aller Stille eingerichtet wurde. Die Einrichtung des Gefängnisses ist eine direkte Folge deutscher Politik. Im deutschen Ausländergesetz ist festgeschrieben, daß alle Beförderungsunternehmen (Fluggesellschaften, Busunternehmen, Fährbetriebe usw.) AusländerInnen auf eigene Kosten zurückschieben müssen, wenn sie bei der Einreise keine entsprechenden Papiere (meist ein Visum) vorweisen können. D.h. die Beförderungsunternehmen sind dazu verpflichtet eine Art vorgelagerte Grenzkontrolle schon in dem Herkunftsland durchzuführen. Dies verstößt natürlich gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, da private Unternehmen z.B. keine Asylanträge annehmen und bearbeiten können und deshalb im Zweifelsfall alle AusländerInnen abweisen werden, die keine gültigen Dokumente dabei haben. Andererseits kann die rumänische Fluggesellschaft z.B. gefälschte Papiere nicht so professionell entdecken, wie der deutsche Bundesgrenzschutz. Deshalb war die rumänische Fluggesellschaft TAROM regelmäßig dazu gezwungen, unerwünschte AusländerInnen, die mit ihr nach Deutschland geflogen waren, wieder zurückzunehmen. Und das obwohl sich Rumänien immer geweigert hat, mit der BRD ein Rückübernahmeabkommen abzuschließen, welches DrittausländerInnen, d.h. Nicht-RumänInnen, einschließt. Doch wohin mit den Flüchtlingen aus der BRD. TAROM war also gezwungen eine Lösung zu finden, die es im Flughafengebäude fand. Zwei Räume und ein Flur wurde mit deutscher Hilfe und Technik(6) umgebaut: Diese wurde mit unzähligen Doppelstockbetten vollgestellt; es gibt keine getrennten Räume für Männer und Frauen.
Verwaltet wird der Abschiebeknast von der Grenzpolizei, versorgt werden die Flüchtlinge von der Fluglinie TAROM, da die Behörden kein Geld dafür haben. Es gibt keine medizinische Betreuung, die Häftlinge leiden an Bewegungsarmut, den Mißhandlungen durch die PolizistInnen und dem unregelmäßigen Tagesablauf, Essen gibt meist erst gegen Mitternacht.
Die Flüchtlinge, die z.T. auch in Rumänien aufgegriffen wurden, kommen ohne richterlichen Beschluß in Haft. Ihnen wird keine Möglichkeit eingräumt, einen Asylantrag zu stellen. Die Haft juristisch anzufechten, ist nicht möglich. Die Haftdauer ist praktisch unbegrenzt - einige sitzen bis zu 6 Monaten auf dem Flughafen fest.
1995 wurde ein Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, der den Vollzug der Abschiebehaft legalisieren soll. Es sah eine 30tägige Abschiebehaft vor.
In Rumänien existiert jedoch schon lange eine de facto Abschiebehaft. Illegale Flüchtlinge können im Land oder an der Grenze von der Grenz- oder Paßpolizei verhaftet und monatelang festgehalten werden. Schätzungen gehen von mindestens 10.000 Flüchtlingen aus, die in rumänischer Polizeihaft auf ihre Abschiebung warten.(7)

Kistarcsa bei Budapest, Györ an der Grenze zu Österreich, Ungarn
„Vor 1945 saßen hier die Kommunisten ein, und nach 1945 die Antikommunisten. [...] Da waren nur politische Häftlinge, denn in Ungarn hatten wir kein Auschwitz“
Oberst Nagy Istuan, Leiter Abschiehaftanstalt in Kistarcsa

Daß entgegen den Aussagen des Oberst der ungarischen Polizei in Kistarcsa sehr wohl tausende Juden und Jüdinnen interniert und nach Auschwitz deportiert wurden, wurde dem späteren Abschiebeknast auf dem gleichen Gelände zum Verhängnis: Er mußte im August 1995 aufgelöst werden. „Ein dunkler Punkt in der Geschichte hat dazu geführt“, erklärt der Oberst Istuan.
Es war bis dahin das größte Abschiebelager in Europa. Innerhalb der fünf Jahre seines Bestehens wurden hier 20.000 Flüchtlinge inhaftiert. Die Gefangenen durften das Lager auch verlassen, mußten jedoch jeden Abend wieder zurückkommen. Ansonsten wurden sie von der Polizei verhaftet und in ein richtiges Gefängnis gesteckt. Die meisten Flüchtlinge nutzten diese Möglichkeit nicht, da ihr Geld nicht einmal reichte, um bis nach Budapest zu fahren. Briefkontakt war dagegen verboten; das Essen bestand aus „Brei, Brot und Suppe“. Die Haft war gesetzlich auf 6 Tage beschränkt, in der Praxis dauerte sie aber regelmäßig mehrere Monate.
60% der im Lager Festgehaltenen wurden bei Kontrollen der ungarischen Polizei aufgegriffen. Die Auflösung des Lagers bedeutete jedoch keine Verbesserung der Situation für die Flüchtlinge. Die meisten wurden abgeschoben, die anderen auf die neu eingerichteten Lager auf Militärgelände verteilt. Die neuen Lager befinden sich hunderte Kilometer voneinander entfernt, d.h. die Menschenrechtsorganisationen, die die Flüchtlinge betreut haben, können sie aufgrund der hohen Reisekosten und der erschwerten Besuchsgenehmigungen nicht mehr besuchen. Die Abschiebehäftlinge werden auseinandergerissen, so daß sie sich nicht mehr austauschen, organisieren und wehren können. Zur Bewachung werden in den neuen Lagern nicht mehr PolizistInnen eingesetzt, sondern GrenzschützerInnen, Berufssoldaten und Wehrpflichtige.(8)
Eines der neuen Lager ist das Community Shelter in Györ an der Grenze zu Österreich. In der ehemaligen Kaserne wurde ein Abschiebelager mit Gittern und Stacheldraht eingerichtet, in dem die Flüchtlinge bis zu 11/2 Jahre eingesperrt werden. Das Lager existiert seit 1994, seitdem waren 15.000 Leute dort. Es ist ein „offenes“ Lager, das Haftregime lautet Aufsicht statt Bewachung, d.h. die Flüchtlinge dürfen es tagsüber verlassen. Wer abends nicht da ist, wird von der Polizei gesucht und kommt in ein richtiges Gefängnis. Trotzdem haut die Hälfte ab. Wer nicht unerkannt über die Grenze kommt, hat Pech: Für Abschiebehaft in den Gefängnissen gibt es keine zeitliche Beschränkung.(9)

Oxford, London, Harmondsworth, Pentonville und Ashford, Großbritannien
1991 trat der Immigration Detention Act in Kraft. Flüchtlinge, die aus Ländern kommen, zu denen Großbritannien gute Beziehungen unterhält, werden schon während des Asylverfahrens in Haft genommen, um die Beziehungen nicht auf’s Spiel zu setzen. Auch TouristInnen können inhaftiert werden, wenn die Behörde glaubt, daß sie sich im Land niederlassen wollen. Die Abschiebehaft ist zeitlich nicht beschränkt.
Anfänglich wurden die Abschiebehäftlinge auf einem Schiff untergebracht. Später wurde bei Oxford ein Abschiebeknast für 300 Personen eröffnet und in der Nähe des Londoner Flughafens Heathrow einer für 200 Personen. Die Untersuchungsgefängnisse von Pentonville und Ashford stellen zusätzlich je 100 Abschiebehaftplätze. Frauen und Kinder kommen in das Frauengefängnis Holloway in London.
In den Untersuchungshaftanstalten sind die Bedinungen am schlimmsten. Die Gefängnisse sind so überfüllt, daß drei Flüchtlinge in einer Ein-Personen-Zelle auf der Erde oder auf Tischen schlafen müssen. Es gibt keine sanitären Anlagen in den Zellen, nur ein Fäkalieneimer, der einmal am Tag geleert wird. Hofgang ist nur eine Stunde am Tag, den Rest müssen sie in der Zelle verbringen. Medizinische Versorgung gibt es nicht, gegen Malaria oder innere Blutungen wird nur das Schmerzmittel Paracetamol verabreicht. Aufsässige Gefangene werden als „psychisch krank“ eingestuft und mit Psychopharmaka ruhiggestellt.(10)

Gefängnisse in der Ukraine
Aufgrund von Geldmangel und fehlenden adminstrativen Strukturen gibt es in der Ukraine keine koordinierte Abschiebepolitik und keine Abschiebeknäste. Jedoch wird gegen illegale Flüchtlinge völlig willkürlich Strafhaft verhängt. Auch Polizeihaft ist bis zu einem Monat ohne richterlicher Anordnung möglich.

Irgendwo in Dänemark
Abschiebehaft seit 1994.

Nirgendwo in Italien
In Italien gibt es keine Abschiebehaft. Nur straffällig gewordene AusländerInnen können zur Abschiebung verhaftet werden. Die anderen Schengen-Länder üben starken Druck auf Italien aus, seine Grenze besser zu sichern und Flüchtlinge konsquenter abzuschieben. Italien stellt sich jedoch auf den Standpunkt, daß sie deutschen Asylentscheidungen nicht vorgreifen wollen und Flüchtlinge, die in die BRD fahren wollen, deshalb nicht aufhalten können.

In der Mitte, Luxemburg
Abschiebehaft für einige Wochen möglich.

An der Westgrenze und in Warschau, Polen
In Polen gibt es seit 1991 die Möglichkeit, Flüchtlinge in Abschiebehaft zu nehmen. Dies geschah jedoch bis 1994 kaum. Abschiebehaft wurde 1994 dann vom polnischen Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt, das Urteil später vom Parlament bestätigt. Daraufhin wurde im September 1995 ein Gesetz verabschiedet, um die Abschiebehaft zu legalisieren. Die maximale Abschiebehaftdauer beträgt drei Monate. Inzwischen gibt es 25 Knäste mit insgesamt 425 Plätzen, die für die Abschiebehaft genutzt werden; der größte befindet sich am Warschauer Flughafen. Der Bau der polnischen Abschiebeknäste wurde direkt von der BRD finanziert. Polen erhielt 1993 von der BRD 120 Millionen DM als Gegenleistung für den „Ausbau des technischen Systems der Grenzsicherung, für Rückführungen in die Herkunftsländer, Asylverfahren und Unterhalt der Flüchtlinge in Polen, für eine zentrale Ausländererfassung und die Ausbildung von Grenzschutz und Polizei“. Von der Hälfte des Betrages - so war es vertraglich festgelegt - mußten Waren in der BRD eingekauft werden: Mercedes-Geländewagen für den Grenzschutz, Nachtsichtgeräte usw. Und 4,2 Millionen DM verwendete Polen für den Bau der Knäste. 15% der an der deutsch-polnischen Grenze vom BGS zurückgeschobenen Flüchtlinge landen in Polen in Abschiebehaft. Die Zurückschiebung aus der BRD ist nur möglich, weil Deutschland davon ausgeht, daß Polen ein sicheres Drittland ist und die Flüchtlinge dort ihren Asylantrag stellen können. Die Praxis sieht jedoch anders aus: Von 122 Abschiebehäftlingen, die die Berliner Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM) im Jahre 1996 in Polen besucht hatte, waren gerade mal sechs als Asylsuchende registriert. Alle 122 gingen aber davon aus, in Polen einen Asylantrag laufen zu haben: Von den Behörden wurde der Haftbeschluß in polnischer Sprache als Asylantrag ausgeben, den die Flüchtlinge zu unterschreiben hatten. Während die Betreffenden also auf den erfolgreichen Ausgang ihres Asylverfahrens hoffen, wird in Wirklichkeit nur ihre weitere Abschiebung vorbereitet. Viele werden direkt in ihr Heimatland abgeschoben oder in einen weiteren Drittstaat, der dann wiederum nur uns Heimatland abschiebt. D.h. die sichere Drittstaatenregelung ist eine Farce, die lediglich zu Kettenabschiebungen führt.
Abschiebehaft wird in Polen meist gegen AsiatInnen verhängt, OsteuropäerInnen kommen erstmal besser weg. Sie erhalten lediglich eine Ausreiseaufforderung, erst wenn sie dieser nicht freiwillig nachkommen, werden sie inhaftiert und verurteilt, kommen also nicht in Abschiebe- sondern in Strafhaft.(11)

In Paris und auf jeder guten Polizeiwache, Frankreich
„Das berüchtigste [Abschiebegefängnis] ist das sogenannte Ausländerdepot in Paris, das sich in den Kellern des Justizpalastes befindet. Bereits 1993 beschrieb der Europäische Ausschuß zur Verhütung der Folter das Depot als eine dunkle Höhle voller Kakerlaken, in der die Inhaftierten zu zwölft auf einer Art Kollektivbett aus Schaumgummi schlafen mußten. Sie aßen aus Blechgeschirr und bekamen weder Bettwäsche noch Seife. Die Gefangenen konnten so gut wie gar nicht an die frische Luft...“
Chris de Stoop in Hol die Wäsche rein

Die maximale Haftdauer von 10 Tagen wurde 1998 auf 12 Tage erhöht. Allerdings können Flüchtlinge, die sich gegen ihre Abschiebung wehren, zu einer Strafe bis zu 3 Monaten verurteilt werden. Abschiebehaft gibt es in Frankreich erst seit den Neunziger Jahren.
Die Abschiebehäftlinge werden in Polizeiwachen untergebracht, außerdem wurden landesweit 15 Gefängnisse für Abschiebehäftlinge eingerichtet.

In der Nähe der Radwege, Niederlande
„Die Niederlande sind ein dichtbevölkertes Land mit einer restriktiven Einwanderungspolitik. [...] Es hat sich nicht erwiesen, daß mit dem Aufenthalt der betreffenden Person einem wesentlichen niederländischen Interesse gedient ist.“
Standardformulierung im Ablehnungsschreiben für abgewiesene AsylbewerberInnen in den Niederlanden(12)

In den Niederlanden gibt es mehrere Abschiebeknäste, die sich von denen in der BRD nicht sonderlich unterscheiden, allerdings sind die Haftzeiten bedeutend kürzer, die Betreuung von unabhängigen Gruppen besser möglich und die Chance freizukommen dadurch größer. Jedoch erhalten viele der Entlassenen keinen Aufenthaltsstatus, d.h. die Abschiebehäftlinge werden einfach ohne Geld in die Illegalität entlassen und sollen sich selbst durchschlagen. Sie können jederzeit durch eine Polizeistreife wieder inhaftiert und in ein Abschiebehaftgefängnis gebracht werden. Es gibt viele Flüchtlinge in den Niederlanden, die schon 4 Mal oder sogar noch öfters in Abschiebehaft gesessen haben.

Tallin, Estland
Im Gefängnis von Tallin werden alle Asylsuchenden inhaftiert, auch wenn sie noch nicht illegal sind, sondern das Verfahren noch läuft. Die Abschiebehaft dauert dann monate- und jahrelang.(13)

Belgien
Abschiebehaft ist für zwei Monate möglich. Ein Gesetzentwurf wollte die Dauer auf unbegrenzt verlängern.

Pabrade, Litauen
„Wochen- und monatelang sind diese Kriminellen bei uns. Und wir müssen sie durchfüttern. [...] Etwa zehn Prozent von denen sind intelligent, siebzig Prozent sind es überhaupt nicht. Es sind Menschen, die aus unserer Sicht amoralische Dinge tun und unhöflich sind. Als die ersten von ihnen nach Litauen ankamen, hatten wir Sympathien für sie. Wir dachten, daß aus Pakistan und dem Iran intelligente Leute kämen. [...] Die Illegalen müssen zeitig aufstehen, ebenso zeitig zum Essen kommen und zum Schlafen gehen. Wer fliehen möchte, darf geschlagen werden. Dazu tragen wir hier einen langen Gummistock. [...] Jene unter ihnen, die aus einer Arrestzelle zu uns stoßen, erklären, hier sei das
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Alfonsas Jocys, Leiter des Zentrums für Grenzverletzer in Pabrade/Litauen

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Zentrum für Grenzverletzer in Pabrade/Litauen

nackte Paradies. Andere, die direkt aus ihrer gewohnten Umgebung kommen, empfinden die Ordnung hier als sehr schwer.“

Alfonsas Jocys, Leiter einer Militärpolizei-Sondereinheit, Kommandant des Abschiebelagers Pabrade bis Dezember 1996, über seine Abschiebehäftlinge

Am 1. Januar 1997 übernahm das Innenministerium Litauens das Gefängnis für GrenzverletzerInnen von der Militärverwaltung, die bis dahin für die Abschiebehäftlinge zuständig war. Die Unterstützung aus Deutschland für die litauische Ausländerpolitik fiel eher mager aus: Während Polen 120 Millionen DM bekam, wurde Litauen mit einer Million DM und IKEA-Büromöbeln aus Schweden abgespeist. Lediglich das deutsche Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, deren Aufgabe es ist, Asylanträge in Akkord-Zeit abzulehnen, schickte großzügerweise seine „objektiven“ Länderinfos nach Litauen. Kein Wunder, daß ein richtiges Ausländergesetz nicht existiert und somit auch keine Rechtsgrundlage für die Abschiebehaft
Die Kaserne in Pabrade ist hoffnungslos überfüllt, mit 300 bis 755 Menschen. Die Flüchtlinge wollen Asylanträge stellen, was von den BeamtInnen aber ignoriert wird. Medikamente müssen selbst bezahlt werden. Die Haftdauer ist unbegrenzt, muß jedoch aller 30 Tage verlängert werden. Ein neues Gesetz soll die richterliche Anordnung der Haft festschreiben.
Bevor es Pabrade als Abschiebelager gab, wurden die Flüchtlinge im Yanaua-Gefängnis untergebracht. Ein Mitarbeiter des UNHCR beschrieb diesen Knast wie folgt: „Dreizehn Somalis hatte man dort drei Monate lang unter schrecklichen Bedingungen drei Meter unter der Erde im Dunkeln eingesperrt. Außer auf ihrem täglichen Rundgang hatten sie in dieser Zeit kein Tageslicht zu sehen bekommen. Sie konnten nicht mehr richtig sehen. Es war furchtbar heiß. Die Luft war stickig, und man konnte nicht atmen. An diesem Ort bekam man unweigerlich Platzangst. Die Somalis hatten vor einiger Zeit ihren zweiten Hungerstreik begonnen.“ Inzwischen haben Schweden und Dänemark in Litauen einen Vorzeige-Abschiebeknast in Rukla gebaut: mit Heizung und Naßzellen.(14)

In Planung, Weißrußland
Weißrußland hat zwar ein Ausländergesetz aber kein Geld, um es umzusetzen. Abschiebungen finden kaum statt. Illegale Flüchtlinge dürfen zwar für einen unbegrenzten Zeitraum inhaftiert werden, solange aber kein Geld dafür da ist, unterbleibt dies.(15)

Temporäre Zone, Schweden
„Früher war man gegen die Abholzung des Waldes, heute gegen die Abschiebung von Menschen. Aber wir können doch nicht jeden hierbehalten. Wenn du hier an einem Wohnhaus rüttelst, fallen doch 25 Polacken raus“
Hans Rosenquist von der schwedischen Polizei über schwedische BürgerInnen, die illegale Flüchtlinge verstecken

In Schweden werden temporäre Abschiebelager eingerichtet, die dann für eine große Abschiebeaktion herhalten müssen. So wurden im Herbst 1992 20.000 AlbanerInnen aus dem Kosovo abgeschoben. In Südschweden wurde ein gut bewachtes Camp eingerichtet, in das die AlbanerInnen per Bus gebracht wurden. Aus dem Camp heraus gab es dann wöchentlich Abschiebungen, wiederum per Bus, über Bulgarien oder Mazedonien an die jugoslawische Grenze.(16)

JFK-Flughafen, New York, USA
Mehrere Beförderungsgesellschaften haben in der Nähe des Flughafens in New York ganze Hotels aufgekauft und zu privaten Gefängnissen umfunktioniert. Sie müssen Pflichten nachkommen und Reisende ohne Papiere auf eigene Kosten in die Herkunftsländer zurückschicken. Die Bewachung in den Hotels geschieht durch Angestellte der Beförderungsunternehmen.(17)

Olaine, Lettland
In Lettland gab es seit Weihnachten 1994 ein Gruppe von 140 Abschiebehäftlingen, die bei dem Versuch Lettlands, sie schnell wieder loszuwerden, von einer Landesgrenze zur anderen geschickt wurden. Als die Abschiebung nicht gelang, landeten sie ohne Rechtsgrundlage im Gefängnis von Olaine in der Nähe von Riga. Sie blieben zwei Jahre in Abschiebehaft, dann wurden sie nach zähen Verhandlungen von skandinavischen Ländern aufgenommen. Als Gegenleistung mußte sich Lettland verpflichten, endlich ein Asylgesetz zu verabschieden. Teil des neuen Gesetzes ist eine Regelung zu Abschiebehaft; die Dauer der Haft ist unbegrenzt.(18)

Wien, Bludenz, Linz, St. Pölten, Salzburg, Vorarlberg, Klagenfurt und wo sonst die beschauliche Heimat noch so vor Gesindel geschützt werden muß, Österreich
„Gegen Fremde, denen offensichtlich die Einreise zu verweigern ist und die sich Anweisungen durch die Grenzpolizei hinsichtlich der Verbringung in gewisse Amtsräume oder zu dem für den Rücktransport vorgesehenen Flugzeug widersetzen, kann Brachialgewalt in Verbindung mit §2 Z. 2 und §4 Waffengebrauchsgesetz angewendet werden“
Schreiben des Innenministeriums an die für Zurückweisungen zuständige Bundespolizeidirektion

In Österreich ist traditionell vieles so wie in Deutschland. Angefangen von den Haftgründen, über die 2-wöchige Beschwerdefrist bis hin zu den Vollzugsbedingungen. Mensch merkt aber die Mühe Österreichs, mit Deutschland mitzuhalten oder es sogar manchmal zu übertrumpfen.
12% der AsylbewerberInnen landen noch während des Asylverfahrens in Abschiebehaft, sei es wegen der illegalen Einreise oder weil sie während eines Widerspruchverfahrens gegen einen ablehnenden Bescheid keine Aufenthaltsgenehmigung mehr haben. 1997 gab es in Österreich 16.000 Schubhäftlinge, wie es da heißt. Es gibt landesweit 920 Schubhaftplätze, von denen durchschnittlich 590 belegt sind. Die durchschnittliche Haftdauer beträgt 20 Tage, maximal sind 6 Monate möglich. Eine „Enthaftung“ (d.h. Freilassung) ist zwar vom Gesetz her nach zwei Monaten vorgesehen, wenn keine Aussicht auf „Erfolg“ besteht. Diese Regelung wird aber kaum angewendet. Die Behörden machen lieber von der Möglichkeit Gebrauch nach zwei Jahren jemanden erneut in Abschiebehaft zu nehmen.
Es gibt in Österreich 18 polizeiliche Gefängnisse für Schüblinge, einige richtige Gefängnisse und Schub-Sammelstellen an der Grenze zu Ungarn. In Ausnahmefällen, z.B. bei Kindern und Jugendlichen, kann von der harten Form der Abschiebehaft abgesehen werden. Die weiche sieht vor: Keine Inhaftierung, sondern sich aller 2 Tage bei der Fremdenpolizei melden, wobei ein Abschiebehafttag soviel zählt wie ein halber draußen, d.h. diese Form der „Haft“ kann auf ein Jahr ausgedehnt werden.
1995 traten ca. 1.800 Schubhäftlinge in Hungerstreik, es gab 33 Selbstmordversuche; 1996 waren es 2160 Hungerstreiks und 24 Selbstmordversuche. Der Ausschuß zur Verhütung der Folter kritisierte die Bedingungen in der Schubhaft. Diese waren so schlecht, daß bis 1995 keine Medien in die Knäste durften. Die Zellen sind zum Teil ohne Wasseranschluß, so daß die Häftlinge das Wasser der Klospülung trinken müssen. Es gibt keine ärztliche Betreuung, es werden also nur Schmerzmittel verabreicht. Bei Krawallen kommen die Schüblinge in die Gummizelle. Sind sie da nicht ruhig zu stellen, können die BeamtInnen sie eigenmächtig und ohne ärztliche Untersuchung in die Psychiatrie einweisen lassen.
Ehrenamtliche SozialarbeiterInnen müssen die schlimmsten Mißstände ausbügeln: So dürfen sie z.B. Telefonkarten und Zahnpasta für die Schüblinge besorgen, weil es das im Knast nicht gibt. Trotz des schlechten Services kostet ein Tag den Schüblingen 281,60 öS.(19)

Anmerkungen:
(1) Organisiert eigene Demos gegen Abschiebeknäste im Urlaubsland! Wir sagen Euch wo.
(2) Klarofix, Mai 1999, S. 14-28, April 1999, S. 6-7, März 1999, S. 44-45
(3) Es mag angesichts der vielen Toten der deutsches Abschiebesystems zynisch klingen, von Humanismus zu reden. Die deutschen Abschiebehörden begreifen sich aber als Vollstrecker des Humanismus und können dabei mit dem Zeigefinger in den Osten weisen, wo alles schlimmer ist - was sie dann aber doch nicht tun, um das Konstrukt der sicheren Drittstaaten und Herkunftsländer nicht zu gefährden.
(4) off limits, Nr. 10/95, S. 30
(5) Beat Leuthardt: Europas neuer Pförtner, von Loeper Literaturverlag: 1997, S. 43
(6) Deutschland koordiniert auch Abschiebungen aus Rumänien. So bereiteten deutsche Behörden 1994 die Abschiebung von 92 TamilInnen nach Sri Lanka vor, obwohl diese in Rumänien eine Aufenthaltsgenehmigung hatten. Sri Lanka wollte die TamilInnen erst nicht annehmen, doch als sich die deutsche Botschaft vor Ort einschaltete, gaben die Behörden von Sri Lanka dem Druck nach und nahmen die Betreffenden zurück.
(7) Rundbrief Flüchtlingsrat Niedersachsen, 27/1995, S. 36-39; FFM Heft Nr. 2: Rumänien. Vor den Toren der Festung Europa, Schwarze Risse/Rote Straße: 1996, S. 62-72
(8) Schwarzer Faden, Nr. 43/1992, S. 15-16; Rundbrief Flüchtlingsrat Niedersachsen, Nr. 30/1995, S. 13-14
(9) Anny Knapp/Herbert Langthaler (Hrsg.): Menschenjagd - Schengenland in Österreich, ProMedia: 1998, S. 128-135
(10) ZAG, Nr. 15/1995, S. 40-41
(11) FFM Heft Nr. 1: Polen. Vor den Toren der Festung Europa, Schwarze Risse/Rote Straße: 1995; FFM Heft Nr. 5: Ukraine. Vor den Toren der Festung Europa, Schwarze Risse/Rote Straße: 1997, S. 27-32; B. Leuthard: Europas neuer Pförtner, S. 12-19
(12) Chris de Stoop: Hol die Wäsche rein, Fischer: 1996, S. 244
(13) B. Leuthard: Europas neuer Pförtner, S. 77
(14) B. Leuthard: Europas neuer Pförtner, S. 8, S. 43-53
(15) B. Leuthard: Europas neuer Pförtner, S. 72
(16) C. de Stoop: Hol die Wäsche rein, S. 190-192
(17) C. de Stoop: Hol die Wäsche rein, S. 207
(18) B. Leuthard: Europas neuer Pförtner, S. 73-74
(19) Anny Knapp/Herbert Langthaler (Hrsg.): Menschenjagd, S. 109-125



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last modified: 28.3.2007