Am Ende des Milleniums läuft die Revivalmaschinerie
auf Hochtouren. Mit Unida (mit Ex-Kyuss-Sänger John Garcia) und Nebula
entsande sie zwei erfolgsträchtige Verpackungen eines hornalten, nicht
totzukriegenden Sounds, den vor ein paar Jahren geniale Bands wie Kyuss,
Monster Magnet oder Fu Manchu erstmals zurück ins Bewußtsein
rockten. Mit der Soundmaschine Süd versuchen sich auch ein paar Leipziger
musikalisch gekonnt an der Rehabilitation von Hard Rock.
1. Es ist schon fast wieder lustig zu beobachten, mit welchem belangslosen
Schwachsinn Musikmagazine ihre Seiten füllen. Ähnlich der Einleitung
zu dieser Konzertankündigung, nur viel ausschweifender, werden
musikalische Stammbäume, Produktionsbedingungen- und Ergebnisse
nachgezeichnet, und machen gedruckte Hochglanz-Waschzettelsammlungen wie
Visions oder Intro zum hervorragenden Mittel gegen Schlafstörungen.
Beste Beispiele für die Langweilerqualitäten von Musikartikeln geben
auch die jüngsten Veröffentlichungen betreffs Unida und Nebula ab.
Über erstere erfahren wir im Visions, daß sie die neue
Band von Ex-Kyuss-Sänger John Garcia sind, aus dem Brutkasten
kommen, eine EP veröffentlicht haben, die Best of
Wayne-Gro heißt, die mit vier Stücken eines weiteren
Kyuss-Imitates (Doozer) vervollständigt wurden, daß es bald aber
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eine neue Platte gibt, auf der alles neue Songs sein werden, die
heavy shit sind, aber immer noch sehr melodisch, ... dann
wieder straighter RocknRoll. Außerdem wird
enthüllt, daß die erste Post-Kyuss-Band Slo Burn als
Fehler eingeschätzt wird und, daß die Platte von Queens Of The Stone
Age, der Band des dreimal dürft ihr raten... Kyuss
Gitarristen Josh Hommes gut ist, etc pp. Selbiges Mag informiert uns
darüber, daß die beiden Ex-Fu Manchu-Mitstreiter Ruben Romano
und Eddi Glass jetzt eine Band mit Namen Nebula kreiert haben und eine
neue Platte mit dazu, die heißt Let It Burn und atmet
mehr Wüstendreck als der Fu Manchu-Sound. Sowieso handele es sich
bei der Musik von Nebula um verhältnismäßig straightem
Rock von Oberklasse-Wüstenkiffern, deshalb würde deren Stil
auch schon des öfteren als Stoner Rock bezeichnet.
Würden die Musikjournalisten ihre schlechte Arbeit, vollständig
machen, müßte der inhaltlichen Essenz noch der eine oder andere Fakt
angefügt werden. Ein kleiner Exkurs zu den drogeninspirierten Sounds von
Monster Magnet, es fielen wenigstens ein paar Worte über die musikalische
Parallität von Doom-Metal und schleppendem Wüstenrock, am Ende oder
Anfang dann noch der Verweis auf den Ursprungsmythos Black Sabbath
und der Weg für den potentiellen Interessenten wäre zumindestens umfassend mit Hinweisschildern ausgestattet.
Unter dem Deckmantel der ironischen Abstandnahme, ist eben dies auch hier
geschehen. Nochmal für alle. Wer Kyuss mag, wird an Unida nicht
vorbeikommen, wer auf Monster Magnet und Fu Manchu abfährt, fährt auch zu Nebula.
2. Nun, der schlaue Materialist wird sagen, daß dieses stillose
Kennzeichnungkarusell nicht weiter verwunderlich ist, immmerhin handelt es sich
um Produktwerbung. Niemand kauft die Katze gern im Sack. Wenn sich der manische
Hobbyhandwerker ne neue Bohrmaschine leistet, schaut er auf den Markennamen und
das Siegel der Stiftung Warentest und eben deshalb müssen diejenigen, die
sich für Unida und Nebula interessieren sollen, eben wissen, daß
Kyuss und Fu Manchu drinnen stecken. Der schmalspurige Kulturidiot wird sich
bei solcher Entzauberung seines Lebenselexiers die Haare raufen und bestenfalls
allerhand esoterische Dinge anführen, um seinen Zukunftsentwurf zu
verteidigen. Am wahrscheinlichsten ist, daß er den Hinweis nicht
versteht. In der Welt der Bands, Musikmagazine, Studios und Plattenfirmen wird
der Fingerzeig auf die kapitalistischen Bedingungen gerne mißverstanden,
weil man sich hier bereits das Reich der Freiheit imaginiert, was an sich nicht
schlecht ist, hätte man dabei nicht das Vokabular der Kritik verlernt. So
lange sich die Akteure des Kultursektors nicht als mittlerweile ganz normaler
Bestandteil des Ganzen begreifen und das Scheiße finden und deshalb
darüber reden, verdient der Materialist einen Zuspruch, auch wenn seine
Analyse nicht nur mit der Weisheit, sondern auch mit der Abgedroschenheit von 150 Jahren daherkommt.
3. So lange die Subkulturen nicht zum Hort radikaler Aktivisten werden, bleibt
linken Hedonisten nichts anderes übrig, als sich mit dem, was die
Kulturbranche so hergibt, ganz gut zu unterhalten. Mehr noch, man muß
sich arrangieren, ohne das Bewußstein zu verlieren. Fast
zwangsläufig entwickelt sich dabei ein gewisser Konsumentendünkel.
Mit diesem ausgestattet, sollte man sich dann doch sehr über einige
Erscheinungen des gegenwärtigen Rockrauschs wundern.
Wie gesagt, die Journalisten sind nicht mehr weit davon entfernt, darüber
zu schreiben, in welcher Werkstatt die Gitarrenseiten der jeweiligen
Instrumentes hergestellt werden, aber über die Intention des ganzen
Rumrockens wollen sie gar nichts mehr wissen. Liegt dies daran, daß sie
das Feeling der Ursprungsbewegung nie kennengelernt haben? Daß sie ihren
Gegenstand selber nur als Produkt der Musikindustrie wahrnehmen, dies aber
nicht zugeben dürfen, und deshalb auf die verbleibende
faktisch-musikalische Ebene ausweichen. Oder haben auch die Leute aus den
Bandkreationen nichts mehr zu erzählen? Sind sie so langweilig, wie
diejenigen, die über sie schreiben? Hat sich, wie am Stil von
Musikartikeln zu beobachten, jeder Aspekt der Subkultur ihrem profanen kapitalistischem Wesen angepasst?
Das wäre nun wirklich schade, denn gerade dirty Rock'nRoll versprach
die Illusion des Widerstands gegen das cleane Establishment und bloß weil
ein paar enttäuschte Linke heute wissen, daß dies nicht funktioniert
hat, soll jetzt das Revival ohne den schönen schmutzigen Schein auskommen?
Nein, das kann niemand wollen. Und so lange es Turbonegro und alte Originale
wie Motörhead gibt, werden die Musikpuristen damit nicht durchkommen! Aber
wo stehen Unida und Nebula? Es besteht einige Hoffnung, daß sie eine
Horde von saufenden, kiffenden Problemchilds (rem. Don Scott) sind,
die nach dem Konzert unbedingt ficken und weiterfeiern wollen. Jedoch wissen
wir noch nicht wirklich, ob sie so dreckig sind, wie ihr Sound. Wir können
also genauso wie bei der zweiten Version des Gruselschockers
Hellraiser oder der fünften Version von Allien
enttäuscht werden. Oder anders, im großen und ganzen haben wir keine
Ahnung, ob der zeitlos schwere Rock auch die Identität der Rocker am Leben erhalten hat.
4. Und jetzt kommts dicke. Die Entwicklung der Soundmaschine Süd spricht
nämlich dagegen. Wer sie bei Ilse gesehen hat, weiß bescheid.
Musikalisch keine Frage, der Anschluß ist geschafft, daß Niveau der
zahlreichen Kyuss-Adaptionen, dank Fleißarbeit in greifbarer Nähe.
Aber, aber. Der äußere Eindruck ist verräterisch, und so leid
es mir tut, bei dem was wir hier bewerten, mitentscheident. Vier liebe
Jüngelchen, die Hardrock machen... und nächstens behauptet der
Thomaner-Chor, er wäre eine Punk-Band. Nein, das ist Mini-Playback-Show,
so was glaubt man nicht. Es möchte schon ein bißchen echter sein.
Turbonegro sind doch vorallem wegen ihrem ästhetischen Allroundeindruck so
geil: Von der harten Mucke bis zur engen Lewis, von den langen Loden bis zur
nackten behaarten Männerbrust und von der Bierpulle bis zum Bierbauch,
hier findet man die Rockeridentität, wenn man sie ab und an als Konsument
oder regelmäßig als Lebensentwurf sucht.
Die Soundmaschine muß sich diesbezüglich noch entscheiden. Wenn sie
mehr werden wollen als Freizeit- oder Lebensabschnittsmusikanten, haben sie
auch noch viel Zeit. Vielleicht entkräftet ja auch das mit der
Konzertpraxis wachsende Selbstvertrauen den hier erfolgten Seitenhieb.
5. Ach ja, so reaktionär ist die Subkultur. Immer wieder reproduziert sie
fragwürdige Identitäten, wie die des toughen, im Allgemeinen,
männlichen Rockers, der eben nicht nur Rebell ist, und wenn sich jemand
darüber oder besser darunter hinwegsetzt, wie die Soundmaschine, ist der Kritiker auch nicht zufrieden...
Natürlich nicht. Denn, wer A sagt muß auch B
sagen, und auf jeden Fall sollte ein Projekt wie die Soundmaschine wissen auf
welchen Pfaden sie wandelt. Soviel wird ja noch verlangt werden dürfen?
Außerdem, was heißt hier Kritik? Es wurde noch nicht einmal
angemerkt, daß es sich bei dem Wüstenrockding eventuell um schlimmen
Eskapismus handeln könnte, weil doch mit Absicht die trügerische
Naturidylle der gesellschaftlichen Metropole vorgezogen wird, und was passieren
würde, wenn sich die deutschen Nachzügler, nicht auf die
kalifornischen Sandklitschen sondern mecklenburgische Drecksnester berufen
würden. Ja hier steht fast kein Wort darüber, daß die
Götter Kyuss weltfremde Hippis sein könnten, die an ihrem
Stück Heimat, wie die Schnecke am Schneckenhaus haften und die mit
metereologischen Geheimlehren (die Hitze der Sonne spielt dabei eine große Rolle) die Welt interpretieren.
Aber, wer verdirbt sich schon gerne selber den Spaß? ulle |