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rocker, 8.6k

Rock-Rausch.

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Am Ende des Milleniums läuft die Revivalmaschinerie auf Hochtouren. Mit Unida (mit Ex-Kyuss-Sänger John Garcia) und Nebula entsande sie zwei erfolgsträchtige Verpackungen eines hornalten, nicht totzukriegenden Sounds, den vor ein paar Jahren geniale Bands wie Kyuss, Monster Magnet oder Fu Manchu erstmals zurück ins Bewußtsein rockten. Mit der Soundmaschine Süd versuchen sich auch ein paar Leipziger – musikalisch gekonnt – an der Rehabilitation von Hard Rock.

1.
Es ist schon fast wieder lustig zu beobachten, mit welchem belangslosen Schwachsinn Musikmagazine ihre Seiten füllen. Ähnlich der Einleitung zu dieser Konzertankündigung, nur viel ausschweifender, werden musikalische Stammbäume, Produktionsbedingungen- und Ergebnisse nachgezeichnet, und machen gedruckte Hochglanz-Waschzettelsammlungen wie Visions oder Intro zum hervorragenden Mittel gegen Schlafstörungen.
Beste Beispiele für die Langweilerqualitäten von Musikartikeln geben auch die jüngsten Veröffentlichungen betreffs Unida und Nebula ab. Über erstere erfahren wir im „Visions“, daß sie die neue Band von Ex-Kyuss-Sänger John Garcia sind, aus dem „Brutkasten kommen“, eine EP veröffentlicht haben, die „Best of Wayne-Gro“ heißt, die mit vier Stücken eines weiteren Kyuss-Imitates (Doozer) vervollständigt wurden, daß es bald aber
unida, 6.6k nebula, 9.3k
eine neue Platte gibt, auf der „alles neue Songs sein werden“, die „heavy shit“ sind, „aber immer noch sehr melodisch, ... dann wieder straighter Rock’n’Roll“. Außerdem wird enthüllt, daß die erste Post-Kyuss-Band „Slo Burn“ als Fehler eingeschätzt wird und, daß die Platte von Queens Of The Stone Age, der Band des – dreimal dürft ihr raten... – Kyuss Gitarristen Josh Hommes gut ist, etc pp. Selbiges Mag informiert uns darüber, daß die beiden „Ex-Fu Manchu-Mitstreiter Ruben Romano und Eddi Glass“ jetzt eine Band mit Namen Nebula kreiert haben und eine neue Platte mit dazu, die heißt „Let It Burn“ und „atmet mehr Wüstendreck als der Fu Manchu-Sound“. Sowieso handele es sich bei der Musik von Nebula um „verhältnismäßig straightem Rock von Oberklasse-Wüstenkiffern“, deshalb würde deren Stil auch schon des öfteren als „Stoner Rock“ bezeichnet.
Würden die Musikjournalisten ihre schlechte Arbeit, vollständig machen, müßte der inhaltlichen Essenz noch der eine oder andere Fakt angefügt werden. Ein kleiner Exkurs zu den drogeninspirierten Sounds von Monster Magnet, es fielen wenigstens ein paar Worte über die musikalische Parallität von Doom-Metal und schleppendem Wüstenrock, am Ende oder Anfang dann noch der Verweis auf den Ursprungsmythos „Black Sabbath“ und der Weg für den potentiellen Interessenten wäre zumindestens umfassend mit Hinweisschildern ausgestattet.
Unter dem Deckmantel der ironischen Abstandnahme, ist eben dies auch hier geschehen. Nochmal für alle. Wer Kyuss mag, wird an Unida nicht vorbeikommen, wer auf Monster Magnet und Fu Manchu abfährt, fährt auch zu Nebula.

2.
Nun, der schlaue Materialist wird sagen, daß dieses stillose Kennzeichnungkarusell nicht weiter verwunderlich ist, immmerhin handelt es sich um Produktwerbung. Niemand kauft die Katze gern im Sack. Wenn sich der manische Hobbyhandwerker ne neue Bohrmaschine leistet, schaut er auf den Markennamen und das Siegel der Stiftung Warentest und eben deshalb müssen diejenigen, die sich für Unida und Nebula interessieren sollen, eben wissen, daß Kyuss und Fu Manchu drinnen stecken. Der schmalspurige Kulturidiot wird sich bei solcher Entzauberung seines Lebenselexiers die Haare raufen und bestenfalls allerhand esoterische Dinge anführen, um seinen Zukunftsentwurf zu verteidigen. Am wahrscheinlichsten ist, daß er den Hinweis nicht versteht. In der Welt der Bands, Musikmagazine, Studios und Plattenfirmen wird rockerin, 6.9k der Fingerzeig auf die kapitalistischen Bedingungen gerne mißverstanden, weil man sich hier bereits das Reich der Freiheit imaginiert, was an sich nicht schlecht ist, hätte man dabei nicht das Vokabular der Kritik verlernt. So lange sich die Akteure des Kultursektors nicht als mittlerweile ganz normaler Bestandteil des Ganzen begreifen und das Scheiße finden und deshalb darüber reden, verdient der Materialist einen Zuspruch, auch wenn seine Analyse nicht nur mit der Weisheit, sondern auch mit der Abgedroschenheit von 150 Jahren daherkommt.

3.
So lange die Subkulturen nicht zum Hort radikaler Aktivisten werden, bleibt linken Hedonisten nichts anderes übrig, als sich mit dem, was die Kulturbranche so hergibt, ganz gut zu unterhalten. Mehr noch, man muß sich arrangieren, ohne das Bewußstein zu verlieren. Fast zwangsläufig entwickelt sich dabei ein gewisser Konsumentendünkel. Mit diesem ausgestattet, sollte man sich dann doch sehr über einige Erscheinungen des gegenwärtigen Rockrauschs wundern.
Wie gesagt, die Journalisten sind nicht mehr weit davon entfernt, darüber zu schreiben, in welcher Werkstatt die Gitarrenseiten der jeweiligen Instrumentes hergestellt werden, aber über die Intention des ganzen Rumrockens wollen sie gar nichts mehr wissen. Liegt dies daran, daß sie das Feeling der Ursprungsbewegung nie kennengelernt haben? Daß sie ihren Gegenstand selber nur als Produkt der Musikindustrie wahrnehmen, dies aber nicht zugeben dürfen, und deshalb auf die verbleibende faktisch-musikalische Ebene ausweichen. Oder haben auch die Leute aus den Bandkreationen nichts mehr zu erzählen? Sind sie so langweilig, wie diejenigen, die über sie schreiben? Hat sich, wie am Stil von Musikartikeln zu beobachten, jeder Aspekt der Subkultur ihrem profanen kapitalistischem Wesen angepasst?
Das wäre nun wirklich schade, denn gerade dirty Rock'n‘Roll versprach die Illusion des Widerstands gegen das cleane Establishment und bloß weil ein paar enttäuschte Linke heute wissen, daß dies nicht funktioniert hat, soll jetzt das Revival ohne den schönen schmutzigen Schein auskommen?
Nein, das kann niemand wollen. Und so lange es Turbonegro und alte Originale wie Motörhead gibt, werden die Musikpuristen damit nicht durchkommen! Aber wo stehen Unida und Nebula? Es besteht einige Hoffnung, daß sie eine Horde von saufenden, kiffenden „Problemchilds“ (rem. Don Scott) sind, die nach dem Konzert unbedingt ficken und weiterfeiern wollen. Jedoch wissen wir noch nicht wirklich, ob sie so dreckig sind, wie ihr Sound. Wir können also genauso wie bei der zweiten Version des Gruselschockers „Hellraiser“ oder der fünften Version von „Allien“ enttäuscht werden. Oder anders, im großen und ganzen haben wir keine Ahnung, ob der zeitlos schwere Rock auch die Identität der Rocker am Leben erhalten hat.

4.
Und jetzt kommts dicke. Die Entwicklung der Soundmaschine Süd spricht nämlich dagegen. Wer sie bei Ilse gesehen hat, weiß bescheid. Musikalisch keine Frage, der Anschluß ist geschafft, daß Niveau der zahlreichen Kyuss-Adaptionen, dank Fleißarbeit in greifbarer Nähe. Aber, aber. Der äußere Eindruck ist verräterisch, und so leid es mir tut, bei dem was wir hier bewerten, mitentscheident. Vier liebe Jüngelchen, die Hardrock machen... und nächstens behauptet der Thomaner-Chor, er wäre eine Punk-Band. Nein, das ist Mini-Playback-Show, so was glaubt man nicht. Es möchte schon ein bißchen echter sein. Turbonegro sind doch vorallem wegen ihrem ästhetischen Allroundeindruck so geil: Von der harten Mucke bis zur engen Lewis, von den langen Loden bis zur nackten behaarten Männerbrust und von der Bierpulle bis zum Bierbauch, hier findet man die Rockeridentität, wenn man sie ab und an als Konsument oder regelmäßig als Lebensentwurf sucht.
Die Soundmaschine muß sich diesbezüglich noch entscheiden. Wenn sie mehr werden wollen als Freizeit- oder Lebensabschnittsmusikanten, haben sie auch noch viel Zeit. Vielleicht entkräftet ja auch das mit der Konzertpraxis wachsende Selbstvertrauen den hier erfolgten Seitenhieb.

5.
Ach ja, so reaktionär ist die Subkultur. Immer wieder reproduziert sie fragwürdige Identitäten, wie die des toughen, im Allgemeinen, männlichen Rockers, der eben nicht nur Rebell ist, und wenn sich jemand darüber oder besser darunter hinwegsetzt, wie die Soundmaschine, ist der Kritiker auch nicht zufrieden...
Natürlich nicht. Denn, wer „A“ sagt muß auch „B“ sagen, und auf jeden Fall sollte ein Projekt wie die Soundmaschine wissen auf welchen Pfaden sie wandelt. Soviel wird ja noch verlangt werden dürfen?
Außerdem, was heißt hier Kritik? Es wurde noch nicht einmal angemerkt, daß es sich bei dem Wüstenrockding eventuell um schlimmen Eskapismus handeln könnte, weil doch mit Absicht die trügerische Naturidylle der gesellschaftlichen Metropole vorgezogen wird, und was passieren würde, wenn sich die deutschen Nachzügler, nicht auf die kalifornischen Sandklitschen sondern mecklenburgische Drecksnester berufen würden. Ja hier steht fast kein Wort darüber, daß die Götter Kyuss weltfremde Hippis sein könnten, die an „ihrem“ Stück Heimat, wie die Schnecke am Schneckenhaus haften und die mit metereologischen Geheimlehren (die Hitze der Sonne spielt dabei eine große Rolle) die Welt interpretieren.
Aber, wer verdirbt sich schon gerne selber den Spaß?
ulle



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last modified: 28.3.2007