Selbst in Leipzig, sprich bei den Besuchern des CONNE
ISLAND dürfte es sich schon herumgesprochen haben, daß es in
Roßwein ein Jugendhaus (JH) gibt, welches sich bemüht, in der
trostlosen mittelsächsischen Landschaft jugendkulturelle Akzente zu
setzen. Wie fast überall und so auch in Roßwein bekommen solcherart
alternativ-kulturelle Jugendprojekte schnell Ärger mit ihrem
spießig-bürgerlichen Umfeld.
Nachdem das alte JH im Sommer 93 nach einem
Nazi-Überfall und ohne finanzielle bzw. personelle Unterstützung
seitens staatlicher Verantwortungsträger aufgegeben werden
mußte, bekamen die Jugendlichen Anfang 94 endlich ein neues Domizil
und stürzten sich in den Aufbau eines neuen JH.
Durch vor allem Konzerte, kontinuierliche Jugendangebote sowie auch
antirassistische/antifaschistische Aktivitäten gelang es dem Haus seit der
Eröffnung im August '94 eine überregionale Bedeutung zu erlangen.
Während in den vergangenen Jahren die Grundsicherung des JH (Finanzierung,
Personal, Ruf?, ...) permanent in Frage stand bzw. hart umkämpft war, ist
die Lage um den Bestand des Hauses in der jetzigen Form eskaliert:
- Ende 96:
- Vermieter und Eigentümer (Schmiedewerk in
Roßwein) des JH-Grundstückes geht in Konkurs, die Treuhand
übernimmt die Verwaltung und somit das Mietverhältnis.
- Anfang 98:
- Stadt Roßwein will sich aus der Förderung
des JH zurückziehen, indem sie dem Trägerverband die Kaufsumme von
13.000 DM für das Haus + Grundstück unter der Bedingung zur
Verfügung stellen will, daß die Stadt in der Folge vollständig
von der finanziellen Unterstützung entbunden wird.
- März 98:
- der Trägerverband bricht die Verhandlungen ab,
unter der Maßgabe, daß die Stadt Roßwein das Haus kauft und
dem Trägerverein des Jugendhauses untervermietet, der Bürgermeister
Pieschke erklärt seine Bereitschaft, die Sache zu prüfen und einzuleiten.
- bis Sommer 98:
- Bürgermeister Pieschke findet immer wieder
Gründe, den Hauskauf zu verzögern und verarscht damit gleichzeitig
seinen Stadtrat sowie den Verein des JH.
- Juni 98:
- Kultur- und Sozialausschuß Roßwein
beschließen, daß sich der Bürgermeister um eine
längerfristige Absicherung des Jugendhauses kümmern soll. Zu dieser
Zeit erklärt der Bürgermeister, daß die Stadt 13.000 DM
für den Kauf des JH-Grundstückes eingestellt hat.
- Anfang 99:
- JH-VertreterInnen bitten um ein Gespräch mit dem
Bürgermeister, um ihn zu einem Kauf des JH-Grundstückes (+
25jährige Absicherung des Hauses) zu bewegen. Über dieses
Gespräch erfahren wir, daß Kaufverhandlungen über das
JH-Grundstück mit einem neuen Besitzer des ehemaligen
Schmiedewerkgeländes laufen und im Herbst abgeschlossen werden sollen,
d.h. Unterzeichnung der Kaufverträge + Kündigung für JH-Verein
und Abriß des Hauses. Weiterhin erzählt der Bürgermeister,
daß es die 13.000 DM, welche für den Kauf des Hauses eingestellt wurden, nicht mehr gibt.
- 26. Februar 99:
- Nach mehrmaligen Versuchen, mit dem neuen
Besitzer/Vermieter und der Stadt Roßwein ins Gespräch
über die Zukunft des JH zu kommen, erfuhr man an diesem Tag von der
Kaufvertragsunterzeichnung aus der Zeitung. Panik!
Dummerweise war gerade an diesem Abend ein Konzert und jede Menge Leute da,
denen das JH ziemlich viel bedeutet. Und eben diese Leute ließen es sich
nicht nehmen, nach dem Konzert durch Roßweins Straßen zu ziehen, um
mit Hupkonzert und lauten Entschuldigungen für die
Ruhestörung auf ihre Situation aufmerksam zu machen sowie auf den
derzeitigen Umgang von Verantwortlichen mit Jugendlichen der Stadt diese
Spontandemo endete direkt vor dem Haus des Bürgermeisters, welcher nach
einer Stunde sich dann endlich vor die Tür wagte und sich auf ein
Gespräch mit den DemonstrantInnen einließ. Nur durch diese Aktion
hat der Bürgermeister sich zu einem Gespräch mit den Jugendlichen des Hauses bereit erklärt(!)
- 3. März 99:
- Gespräch im Jugendhaus: Bürgermeister,
Jugendamt, Stadträte bekennen sich nach längerer Diskussion und
angesichts der vielen aufgebrachten Jugendlichen nach 5 Jahren zum ...
Jugendhaus und seinem Verein (BM) und für den Erhalt seines derzeitigen Standortes.
Nach bisherigen Erfahrungen im Umgang mit Kommunalpolitikern geben
die Jugendlichen des Hauses wenig auf deren verbale Bekenntnisse sowie auf das
Demokratieverständnis des Bürgermeisters. Nach seinen
Vorstellungen gehört es nicht zur Demokratie, Spontandemos
durchzuführen oder Jugendliche an Entscheidungen zu beteiligen, welche sie direkt betreffen.
Bisher hat sich noch der Landrat sowie der Kultur- und Sozialausschuß
für den Erhalt des derzeitigen Jugendhauses ausgesprochen. Am 25.
März wird sich der Stadtrat darüber zerfetzen und Ende März soll
ein Gespräch mit dem neuen Besitzer des Schmiedewerkgeländes
stattfinden, der sich dummerweise die ganze Zeit in Amerika befand.
Es wird gerade versucht, für den 24.03.1999 ein Konzert auf dem Marktplatz
in Roßwein zu organisieren. Damit soll einen Tag vor der Stadtratssitzung
ein Zeichen gesetzt werden, daß die Leute das Haus nicht freiwillig räumen werden. |