Die 68er haben mutmaßliche Aussätzige, die nur das meinen, was sie schon immer gesagt haben.
Von RalfDie Zivilisierung der Deutschen sollen sie angeblich
vollbracht haben, weil sie sich nicht damit abgefunden hätten, daß
die Tätergeneration von Auschwitz sich selbst zu Opfern stilisieren konnte
und nach Gutdünken weitermachen, als wäre nichts geschehen.
Ja, die Achtundsechziger, die waren für ihr Volk da. Schon damals gingen
sie von einer deutschen Normalität aus, die den Nationalsozialismus nicht
unter und nicht über die Faschismen anderer Völker hat stellen
wollen. Sie wußten, daß die Selbstbestimmung eines Volkes nur gegen
US-Imperialismus und Zionismus durchzusetzen war. Sie kannten den
Befreiungsnationalismus von Lenin bis Franz Fanon und seinen Verdammten
dieser Erde ebenso wie die vielen Vietnams, die Che Guevara schaffen
Einzelgänger Bernd Rabehl |
wollte. Ihnen waren eine Menge neuer revolutionärer Subjekte über die
Leber gelaufen und sie schauten mit Bloch und Marcuse nach dem Prinzip der
Hoffnung revolutionär nach vorn und nicht zurück auf die Befreiungstheorie als Sartresche Gegenmacht.
Nun häufen sich die mutmaßlichen Konvertiten, die einst aus der
linken Kaderschmiede, dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS),
gekrochen, heute braune Scheiße labern, ohne auch nur in die Versuchung
kommen zu müssen, mit ihrer Vergangenheit irgend zu brechen.
Der heftigste ist das ehemalige RAF-Mitglied Horst Mahler. Ganz dem Duktus von
einst verhaftet, schwafelt Mahler vom Recht, in unserem Land unser Leben
selbstbestimmt zu gestalten. Sonst, so Mahler, wird das deutsche
Volk sich wehren. In dem rassistischen Boulevardblatt Focus konnte
sich Mahler über zwei Seiten in einem Interview auslassen. Was er da zum
Besten gab, läßt für diejenigen, die schon immer wußten,
daß die alte Neue Linke eben auch vom Kopfe her stinkt, keinerlei Wünsche offen.
Unter anderem seierte Mahler etwas von seiner nationalen
Sammlungsbewegung, die absolut offen sei und deshalb
von Bayerns Ministerpräsident Stoiber bis zum Ex-NPD-Chef Deckert reichen müsse.
In punkto Judenfeindschaft zieht der Ex-RAFler wirklich alle Register des
sekundären Antisemitismus: der Zentralrat der Juden in Deutschland
verkörpere jene Meinungssoldaten, die nicht Ruhe geben
könnten. Der Holocaust sei weder unbegreiflich noch einmalig.
Und, wer derart auf den blankliegenden Nerven der Deutschen
herumtrampele wie die Juden, mache sie böse, die Deutschen.
Denn die Juden müßten wissen, in der Geschichte des
Abendlandes gebe es von Anfang an einen starken antijudaistischen
Komplex. Es sei zwar gefährlich, den zu ignorieren, man
müsse ihn aber nicht noch mit aller Gewalt heraufbeschwören.
Die Juden sind wieder mal an allem selbst schuld. Das hatte der Ex-RAFler
spätestens 1970 in einem militärischen Ausbildungslager der PLO
begriffen. Wen wunderts da noch, daß Mahler dann selbst die
Auschwitzleugner zu besonderen Herrenmenschen macht: Sie leugnen den
Holocaust, schreibt er, weil er auch für sie das Grauen
schlechthin ist. Sie ertragen den Gedanken nicht, daß Deutsche das zu
verantworten haben, und erweisen sich damit geradezu als Gutmenschen mit
moralischem Kompaß. Und dieses Gutmenschentum scheint auch das
Schanier zu sein, was nach Mahlers Vorstellung die 68er Linken mit den Nazis
gemein haben. Deshalb verfaßte er zusammen mit zwei anderen EX-SDSlern,
die schon länger ganz offiziell auf Nazipfaden wandeln, eine
Kanonische Erklärung zur Bewegung von 1968. Unter anderem
heißt es dort: Die 68er Bewegung steht nicht für die
Amerikanisierung der Welt, nicht für die Zerstörung der Völker
und der Familien durch Kommerzialisierung von allem und jedem, nicht für
die Ausbreitung von Job-Mentalität, schlechter Musik, Pornographie,
Rauschgift, Kapital, Verbrechen und Kapitalverbrechen - sie steht für das Gegenteil.
Diese Zeilen lesend, konnte Henryk M. Broder im Spiegel als
richtiger Schreiber im mehr als falschen Blatt nur schlußfolgern:
Wenn es nicht Mahler mit seinen angejahrten Kohorten wäre, man
könnte vermuten, eine linke Kelly Family würde sich durch eine
pornographie-, rauschgift- und kapitalfreie Landschaft klampfen, um am Mahnmal
für die 68er Bewegung einen Kranz niederzulegen.
Es tut gut daran, wer Mahler und Konsorten ernst nimmt. Nicht zuletzt,
weil ja auch die Kelly Family regelmäßig in den Top Ten zu landen
versteht. Denn bei aller Schönfärberei der 68er kann nicht geleugnet
werden, was Mahler zur Legitimation seiner alten neuen Position betont:
Die nationale Frage war immer auch ein Anliegen der Linken. Wir haben in
den 60er Jahren die vietnamesische Freiheitsbewegung unterstützt und sind
für deren Recht auf die Straße gegangen, in ihrem Land als Herr zu
bestimmen. Der Internationalismus schloß den Kampf für die
nationalen Rechte ein. Wir wollten Deutschland weder von Amerikanern noch von Sowjets beherrschen lassen.
Ganz in diesem Sinne zog Mahler, eine der 68er Ikonen, den Dutschke-Busenfreund
Bernd Rabehl zu Rate. Rabehl, heute an der FU Berlin Soziologieprofessor,
durfte auf Bitte von Mahler ende 98 vor der Münchner Burschenschaft
Danubia über die 68er und die nationale Sache referieren. Vermittelt von
dem Ex-Leipziger Sascha Jung vom völkischen Hofgeismarer-SPD-Kreis,
inzwischen in München bei besagter Burschenschaft beheimatet, plauderte
christliche Menschenliebe und Vergebungsbereitschaft Horst Mahler |
Rabehl über politische Überfremdung (als) grundlegende
Zerstörung von Volk und Natur. Insbesondere die
Antifa-Linke, so Rabehl weiter, stehe bewußt in einem
Bündnis mit bestimmten Medien im In- und Ausland, die deutsche
Kulturintelligenz in die Schuldfrage der Verbrechen im 2. Weltkrieg
einzubinden. Schließlich solle der Schuldpranger der
deutschen Verbrechen (...) alle kommenden Verbrechen überdecken. Und
ein Volk ohne Kultur könne zu allem verleitet werden,
zumal es von Eliten beherrscht werde, die von
außen geprägt seien und keine innere Verantwortung trügen.
Rabehl erklärt sich im Gegensatz zu Mahler zum
Einzelgänger. Ich kenne kaum noch Leute, sagt er
der taz, die ähnlich denken wie ich.
Auch für Rabehl sind diese völkisch-rassistischen Ergüsse
logische Konsequenzen eines ungebrochenen 68er Denkens. Gerade er beruft sich
allenthalben auf seinen damaligen Kampfgefährten Rudi Dutschke, der laut
Rabehl von der Idee einer nationalrevolutionären Überwindung
der Teilung Deutschlands besessen gewesen sei.
Seitdem, so stellt die taz fest, ist ein
Interpretationsstreit ausgebrochen um einen Toten, um Rudi
Dutschke. Und, es gehe dabei zu wie in einem Bibelkurs.
Mit Mahler wie mit Rabehl haben andere Ex-SDS-Genossen wie Bommi
2. Juni Baumann offizielle Runden abgehalten, um davon zu
überzeugen, daß beide auf dem falschen Weg seien. Mahler hat man
dann irgendwann des Raumes verwiesen und Rabehl zum rassistischen
Schwein ernannt. Die taz hievte sodann Gretchen Dutschke-Klotz,
die Witwe, in den Kronzeugenstand: Ist da jetzt ein Kampf um den
Dutschkismus ausgebrochen?, fragte das Blatt erregt, und Gretchen
mußte leider einräumen, daß Rudi (...) damals wirklich
einige Sachen zur nationalen Frage geschrieben (habe), die mißverstanden
werden können. Rudi hat vom Verlust deutscher Identität geredet,
welchen er teils auf den Faschismus, teils auf die Amerikanisierung
zurückführte.(...) Er hat sich niemals mit den Konzentrationslagern
auseinandergesetzt, weder mit den sechs Millionen Menschen, die umgebracht
wurden, noch mit der Ausrottunng des jüdischen Volkes. Noch 1978 schrieb
er: So stellte sich mir die Frage nach den Verantwortlichkeiten für
den Zweiten Weltkrieg. Meine christliche Scham über das Geschehene war so
groß, daß ich es ablehnte, weitere Beweisdokumente zu lesen, und
mich mit einer allgemeinen Erkenntnis zufriedengab: Der Sieg und die Macht der
NSDAP, das Entstehen des Zweiten Weltkrieges ist von einem Bündnis
zwischen NSDAP und den Reichen, dem Monopolkapital, nicht zu trennen.
Jürgen Elsässer bescheingte Rudi Dutschkes Denken in der
jungle World einen Paradigmenwechsel, weg vom Internationalismus
hin zum Nationalismus, der eben auch bei Dutschke die Metamorphose,
die die meisten 68er durchgemacht hätten, hervorrief. Dabei
vernachlässigt Elsässer sträflich, auf welch dünnem Eis
sich bewußt bewegte, wer damals vom Innternationalismus redete, um auch
ja nicht vom Nationalismus schweigen zu müssen. Wolfgang Kraushaar, der
einen wichtigen entlarvenden Text zu Tage förderte, den Dutschke bereits
1967 unter Pseudonym geschrieben hatte, nannte dies 1992 die heimliche
Dialektik von Internationalismus und Nationalismus.
Insbesondere gilt als bezeichnend, daß Dutschke und Co. die
Kritische Theorie der sogenannten Frankfurter Schule gering schätzten und
stattdessen einer Staatssozialismus-Verliebtheit das Wort redeten, die gerade
den Nationalsozialismus und Auschwitz kaum berücksichtigten. Nicht
Kritik und Ablehnung der sich offen als Barbaren zu erkennen gebenden Deutschen
waren die Anliegen der Neuen Linken, schreibt Horst Pankow in
der Bahamas, sondern christliche Menschenliebe und Vergebungsbereitschaft.
Es kommt selten vor, wenn man den Spiegel affirmativ zitiert.
Aber dafür ist sein Redakteur, der Ex-konkret-Autor Henryk M. Broder
einfach noch jederzeit gut genug. So schreibt Broder zu den Achtundsechzigern:
Während die einfachen Rechten Deutschland, Deutschland
über alles! brüllten, skandierten die sensiblen Linken bei
Vietnam-Demos USA-SA-SS und USA - internationale
Völkermordzentrale!. (...) Praktizierter Antifaschismus bedeutete
für die revolutionäre Linke, den US-Imperialismus zu bekämpfen,
zum Boykott von Mc Donalds aufzurufen und gruselige Begründungen
für die Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback und
Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer nachzuliefern.
Grundlage des Aktionismus war der Haß auf eine bürgerliche
Demokratie, die den Deutschen von den Amerikanern aufgezwungen wurde. Der
Antiamerikanismus übernahm, wie Dan Diner festgestellt hat, die Funktion,
die der Antisemitismus mangels Masse nicht mehr erfüllen konnte: Irgendwer
mußte für die Zerstörung deutscher Werte verantwortlich
sein. Und da bewahren Mahler wie Rabehl Kontinuität. Mehr ist da
nicht, aber auch nicht weniger. |