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Gedanken zu & um Neuss.

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Frauenabschiebeknast in Neuss – die Erste

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An alle interessierten Frauen und Männer,

was den Inhalt der nächsten Zeilen betrifft, handelt es sich um den Aufruf zur bundesweiten Demonstration in Neuss gegen den Frauenabschiebeknast. Ein paar Leute in Leipzig haben sich zu einer Vorbereitungsgruppe zusammengefunden, um für diese Demonstration zu mobilisieren. Wir haben am Inhalt des Aufrufes so einige Kritik, die zum jetzigen Zeitpunkt nur kurz umrissen, später aber detailierter besprochen wird und es wird für Leipzig auch einen eigenen Aufruf geben. Im Text fehlt unserer Meinung die Auseinandersetzung mit der deutschen Linken und ihrem Verhältnis zu Rassismus und Sexismus, mit den Zusammenhängen zwischen der landesüblichen Abschiebepraxis, Patriarchat und Staat und eine politische Analyse, die sich aus diesen Zusammenhängen ergibt. Dabei wollen wir uns mit der speziellen Situation im Ostteil der Bundesrepublik und daraus folgenden Forderungen auseinandersetzen. Dabei soll der Ausgangspunkt der Demonstration, nämlich die Situation von Flüchtlingsfrauen und Migrantinnen am Beispiel des Frauenabschiebeknast in Neuss zu thematisieren, nicht aus dem Blickfeld verloren werden.

Wir sind für weitere Anregungen, Diskussionen, Texte, Auseinandersetzungen und mitmachfreudige Personen offen. Anfragen und Reaktionen an den Infoladen.

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Kampf dem rassistischen und sexistischen Normalzustand! Widerstand ist nötig!

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Aufruf zur bundesweiten Demonstration gegen den Frauenabschiebeknast in Neuss am 12. Juni um 12 Uhr, Treffpunkt Bahnhof.

In Neuss (NRW) befindet sich seit 1993 der bundesweit einzige Frauenabschiebeknast. Eingeführt unter einer SPD-Landesregierung, die in Sachen Abschiebung und Abschiebeknäste Vorbild für die anderen Bundesländer war, hat sich daran auch unter rot-grüner Herrschaft erwartungsgemäß nichts geändert.
Der Knast befindet sich mitten in der Stadt Neuss, wenig spektakulär und unauffällig. Zwischen 70 und 90 Frauen sind hier in Zweier- und Sechserzellen eingesperrt, oft Frauen unterschiedlicher Herkunft in einer Zelle, so daß eine Verständigung schwierig ist. Die medizinische Versorgung ist unzulänglich und wird nur durch einen männlichen Sanitäter erbracht, die Frauen haben keinen freien Zugang zu Telefonen und kein mensch ist illegal, 3.0k Besuche sind stark eingeschränkt. Meist ohne Informationen über ihr Verfahren und ihre Rechte ist für sie die Dauer der Haft, an deren Ende in der Regel die Abschiebung steht, nicht absehbar. Zur Zeit sind überwiegend Frauen aus Osteuropa, zur Hälfte aus der ehemaligen Sowjetunion inhaftiert, aber auch aus einigen afrikanischen Ländern wie Ghana und Nigeria, aus Syrien, der Türkei und Tunesien, aus Thailand und Lateinamerika.

Aus eigenem Entschluß und/oder gezwungenermaßen haben sie ihr Zuhause, ihren Sprachraum und ihre Freunde und Familien verlassen. Sie sind geflohen vor Kriegen und geschlechtsspezifischer Armut (Frauen leisten weltweit 2/3 der gesellschaftlich notwendigen Arbeit, erhalten aber nur 10% des Welteinkommens und 1% des Weltvermögens, arbeiten meist in ungesicherten Arbeitsverhältnissen), aber auch vor Verfolgung wegen eigener politischer Aktivitäten und Widerstands. Sie haben Arbeit, ökonomische und politische Sicherheit gesucht. Sie sind als Ehefrauen deutscher oder in Deutschland aufenthaltsberechtigter Männer gekommen. Sie haben die Kraft und den Mut aufgebracht, sich gegen Angriffe auf ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Selbstbestimmungsrecht als Frau, wie Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, Lesbenverfolgung, Berufsverbote und Kleidervorschriften zu wehren und zu fliehen.

Doch auch hier ist das Leben vieler Migrantinnen durch ein spezifisches Zusammenwirken von Rassismus, Sexismus und Ausbeutung gekennzeichnet. Das beginnt damit, daß sie zunehmend gezwungen sind, illegal in die abgeschottete BRD einzureisen. Dabei sind sie auf Fluchthelfer angewiesen, mit dem Risiko, von diesen finanziell und auch sexuell ausgenutzt zu werden. Es setzt sich fort in einer Asylpraxis, die Frauen in der Regel nicht als asylberechtigt anerkennt, da ihre Fluchtgründe ignoriert und entpolitisiert werden. Kommen Migrantinnen als Ehefrauen, sind sie in höchstem Maße dem Ehemann ausgeliefert, da ihr Aufenthaltsrecht über Jahre von ihm abhängt.
Flüchtlingsfrauen werden per Gesetz gezwungen, in Lagern und Sammelunterkünften zu leben, was die Gefahr sexueller Belästigung erhöht. Haben sie Familie, so sind es in der Regel sie, die mit einem für Flüchtlinge massiv gekürzten Sozialhilfesatz oder z.B. Essenspaketen die Versorgung von Ehemann und Kindern hinkriegen müssen. Die rigide gesetzliche Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten von Migrantinnen läßt den Frauen häufig nur die Möglichkeit, “illegal” und/oder unter extremen Ausbeutungs- und Abhängigkeitsbedingungen zu arbeiten. Für viele Frauen ist die Arbeit als Prostituierte oft die einzige Möglichkeit des Geldverdienens.
Auf Ämtern, bei Polizei und Justiz müssen Migrantinnen immer mit rassistischen/sexistischen Schikanen und Demütigungen rechnen. Wenn sie sich zur Wehr setzen, haben sie nicht nur die staatliche Gewalt gegen sich. Denunziation und nachfolgende Abschiebung haben sich bewährt, um illegalisierte Migrantinnen, die nicht nach Belieben des Chefs oder der Chefin arbeiten wollen, Sexarbeiterinnen, die sich weigern, nach den Regeln des Geschäfts zu funktionieren, oder Ehefrauen, die sich gegen ihren Mann wehren, ‚elegant’ loszuwerden.

Wir fordern deshalb:

  • Eigenständiges Aufenthaltsrecht für Flüchtlingsfrauen und Migrantinnen
  • Anerkennung sexistischer Verfolgung und sexualisierter Gewalt als Asylgrund

Die rassistischen und sexistischen Gewaltverhältnisse durchdringen alle gesellschaftlichen Bereiche und Zusammenhänge, die eigenen eingeschlossen. Jeder und jede Deutsche kennt das: Die ’putzende Schwarze’ in der U-Bahn, die ’philippinische Schönheit’ an der Seite eines deutschen Mannes in den besten Jahren, die Sexanzeigen in der Zeitung und “daß bei Schulzes ‘ne Polin putzt, soll studiert sein, was mit Kunst”. Migrantinnen ständig in solchen ’Positionen’ wahrzunehmen, prägt auf die Dauer den Blick: Eine schwarze Busfahrerin oder eine Romafrau hinter dem Bankschalter würden auffallen, eine putzende Ausländerin erstaunt niemanden.
Die alltägliche Erfahrung, Migrantinnen vor allem da anzutreffen, wo es darum geht, deutschen Dreck wegzumachen oder deutschen Männern zur Verfügung zu stehen, entwickelt und verstärkt den Sexismus/Rassismus in den Köpfen: Daß ”Ausländer sich das gefallen lassen (müssen)” und ”man das alles mit (zumindest manchen) Frauen machen kann”, bewirkt nämlich zweierlei: Zum einen werden die Bilder von eigener Überlegenheit gegenüber Schwarzen/Frauen als soziale Erfahrung bestätigt. Zum anderen bieten sich für alle immer mehr Möglichkeiten, die Unterdrückung und Ausbeutbarkeit von Migrantinnen auch persönlich immer selbstverständlicher zu nutzen. So wird es immer normaler, daß Leute mit etwas mehr Geld eine ’zuverlässige Ausländerin’ als Putzhilfe haben, daß Alternativbetriebe AusländerInnen als günstige Aushilfskräfte benutzen...
Auch wenn Migrantinnen oft darauf angewiesen sind, auf diese Weise Geld zu verdienen, so ist die Aussage ”die sind doch froh, ein paar Mark zu verdienen” zynisch und verdeutlicht nur die Verinnerlichung der zugrundeliegenden Ausbeutungsverhältnisse.
Die Allgegenwärtigkeit dieser Bilder und Erfahrungen untergräbt Vorstellungen von einem Leben gemeinsam mit anderen, ohne Unterdrückung und Ausbeutung. Auch deshalb ist aktive Solidarität mit Migrantinnen und eine entschiedene Politik gegen die herrschenden Gewaltverhältnisse gefordert.
Die gemischtgeschlechtlichen antirassistischen Gruppen haben die spezifische Situation von Flüchtlingsfrauen und Migrantinnen bisher kaum wahrgenommen, wenn dann meist nur als politische Pflichtübung. ’Erfolgreich’ konnte so die ansonsten erforderliche Diskussion über das Zusammenwirken von staatlicher Gewalt, Rassismus und Sexismus vermieden werden. Im Kampf gegen Staat und aggressiven Rassismus wurde die direkte und strukturelle Unterdrückung von Frauen wieder einmal ignoriert.
Vor diesem Hintergrund fordern wir daher insbesondere von den Männern, sich in diese Auseinandersetzung zu begeben und daraus auch Konsequenzen für ihr Verhalten auf der Demo zu ziehen.

Wir rufen in diesem Jahr zu einer bundesweiten Demonstration gegen den Frauenabschiebeknast in Neuss auf, um den Frauen dort unsere Solidarität und Verbundenheit zu zeigen.
Wir rufen dazu auf, gegen die rassistischen und sexistischen Gewaltverhältnisse in Gesellschaft und Staat zu demonstrieren. Laut, entschieden und phantasievoll!

  • Kampf dem rassistischen und sexistischen Normalzustand!
  • Weg mit allen Sondergesetzen gegen MigrantInnen und Flüchtlinge!
  • Schluß mit Abschiebungen!
  • Weg mit den Abschiebeknästen!
  • Grenzen auf für alle!
Es wird auf der Demo einen Frauen/Lesben-Block geben!

Es ruft auf: Vorbereitungsplenum Demo Neuss



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last modified: 28.3.2007