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Nachfolgender Artikel der Antinationalen Gruppe Leipzig (ANG) wurde am 9. November als Flugblatt an die TeilnehmerInnen des Friedensgebetes der Nikolaikirche verteilt, die im Anschluß an das Gebet mit einem Kerzenmarsch zum Gedenkstein in der Gottschedstraße zogen. Die Flugblattaktion war gekoppelt mit dem Zeigen eines Transparentes mit der Aufschrift Deutsches Erinnern meint Wegdenken. Als die ANG-Mitgliederinnen und Mitglieder nach der Aktion sich am Gedenkstein einfanden, wurden sie von der Polizei von der Gedenkfeier abgedrängt und zum Zeigen der Personalien aufgefordert. Als Grund gab die Polizei an, sie sei am Platz der zerstörten Synagoge zur Gefahrenabwehr präsent. |
Von besseren Deutschen | ||||
und Nestbeschmutzern | ||||
Lesen Sie nachfolgend alles über die Moralkeule verfaßt von Menschen, die tagtäglich mit dieser um sich schlagen.Am 9. November 1998 ist wie jedes Jahr in diesem Land der Tag, an dem die deutsche Polizei ganz besonders das Ansehen der Nation im Ausland retten muß. Zu der sowieso hierzulande üblichen Dauerpräsenz an jüdischen Einrichtungen und Orten zieht an diesem Tag zusätzlich die Polizei auf, um durch ihre Präsenz Anschläge und Schändungen präventiv zu unterbinden und das selbst an Orten, wo schon vor 60 Jahren die Symbole jüdischen Lebens vernichtet wurden. Und trotzdem wird die Polizei, von der deutschen Politik in die Spur geschickt, wie jedes Jahr nicht verhindern können, daß ein paar deutsche Volksgenossen das Zeichen der Polizeipräsenz mißachten und entgegen des offiziellen deutschen Konsenses Anschläge verüben werden.Neben den Überlebenden der deutschen Verbrechen versammeln sich in Leipzig wie im Rest der ehemaligen Alliiertenzonen zum 9. November die ganz wenigen
Spätestens seit dem 9. November 1989 sind die wenigen Erinnerer in den Augen aller anderen Deutschen ein Häuflein Quasi-Ewiggestriger, die den abermillionen Deutschen Landsleuten ihren späten, letztendlich doch noch erfolgreichen Sieg über die Alliierten vermiesen wollen. Die Öffnung der Mauer am 9. November 1989 ist den Deutschen ihr eigentlicher Tag der Befreiung. Die deutschen Mauerspechte treten seitdem immer wieder aufs neue an, mit den Mauerresten jene zu steinigen, die nicht aufhören wollen, sich des schlimmsten Verbrechens der Menschheitsgeschichte zu erinnern. Am 9. November, dem Tag des Gedenkens an die deutsche Reichskristallnacht von 1938, zu der Joseph Goebbels in seinen Tagebüchern überrascht feststellen mußte, wieviel spontaner Volkszorn sich bei den Deutschen entladen kann, wenn es nur gegen die Jüdinnen und Juden ging, halten die Nachkriegsdeutschen und die wenigen aus der Tätergeneration das Maul zum Thema. Stattdessen gehen sie auf Freudenfeste anläßlich des Mauerfalles oder gedenken der Mauertoten, um zu unterstreichen, wie sehr ein Vergleich von Mauer und Auschwitz mit dem Ziel der Relativierung deutscher Verbrechen sinnvoll ist und der deutschen Seelenreinigung dienen kann. Einer dieser oben beschriebenen Mauerspechte ist der Nationaldichter und Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels Martin Walser. In alter deutscher Tradition fühlt er sich vom Feind umzingelt. Walser nennt diesen Feind Zeitgeist. Dieser sei erfüllt von der Thematisierung der Judenvernichtung, von der Dauerpräsentation unserer Schande. Er spüre als Deutscher, wie Auschwitz als Moralkeule gegen ihn und sein Volk erhoben würde. Am 11. Oktober diesen Jahres sagte er dies und 1.200 Gäste applaudierten stehend unter ihnen die höchsten Repräsentanten der deutschen Politik und des hiesigen Geistes. Gegen diese Rede Walsers regte sich nahezu kein Widerspruch. Wieder einmal protestierten nur diejenigen in diesem Land, die genau wissen, daß sie vor rund 60 Jahren von den Deutschen nicht verschont worden wären: Ralph Giordano, Michel Friedmann und Ignatz Bubis. Niemand anderen hat die geistige Brandstiftung, wie Bubis Walsers Rede nannte, gestört. Walter Jens,
Unter den 1.200 Gästen, die der Preisverleihung an Walser beiwohnten, befanden sich einige, die es sich auch am 9. November diesen Jahres nicht nehmen lassen werden, an den Plätzen sich einzufinden, die von ihren Landsleuten zerstört wurden, um das jüdische Leben in Deutschland zu vernichten. Diese wenigen besseren Deutschen werden sich an den Orten versammeln, um sich gegenseitig zu versichern, daß die Erinnerung an die Reichspogromnacht nicht verblassen dürfe. Es ist ihnen zum Ritual geworden. Der überwiegende Teil von ihnen ist mit seinen Gedanken woanders. Beispielsweise bei Martin Walser, der ausspricht, was sie an den Mahnmalen und Tafeln zum Gedenken an die zerstörten Synagogen sich nicht zu sagen getrauen. Tief in ihnen steckt der deutsche Reflex, alle zu brandmarken, die den Deutschen immer noch Auschwitz vorhalten. Sie würden sie, wie es Walser getan hat, nur allzu gern Instrumentalisierer nennen und damit meinen, daß die Deutschen den Juden Auschwitz niemals verzeihen werden (Eike Geisel). Die besseren Deutschen tarnen sich als Philosemiten. Sie wissen, daß die überlebenden Jüdinnen und Juden und ihre Kinder unser Unglück nach Auschwitz sind. Doch das sagen sie nicht. Wenn sie reden, dann sagen sie: Die Juden sind unser Glück. Und dieses
Mit dem besten Warn-Zeichen, das die Deutschen verstehen, der durch englische und amerikanische Bomber geschaffenen Ruine der Dresdener Frauenkirche, verhält es sich ganz anders. Da tut sich das deutsche Volk zusammen, um den ehemaligen Siegern zu zeigen, daß sie die - wie die Deutschen zu sagen pflegen - erlittenen Alliierten-Greuel volksgemeinschaftlich wegstecken und ranklotzen. Nicht unweit davon stand die Dresdener Synagoge, um deren Wiederaufbau sich vornehmlich die Mitglieder der Dresdener jüdischen Gemeinde kümmern und die deshalb täglich antisemtische Droh- und Hetzbriefe von der deutschen Normalbevölkerung nicht also von den besseren Deutschen erhalten oder in Leserbriefen an die Lokalpresse nachlesen müßen. In diesem Dresdener Fall, wie auch sonst in Deutschland, ist man sich einig: Wenn die Juden Synagogen wollen, dann sollen sie die gefälligst auch selbst bezahlen und aufbauen. Ebenso typisch ist es für die Deutschen, daß sie von den Juden die unbedingte Beteiligung an der Erhaltung und Pflege von Gedenkstätten voraussetzen. So kennen sie es vom 9. November 1938 her. Auch da zwang man die betroffenen Jüdinnen und Juden, das von den Deutschen begangene Verbrechen zu entgelten. Wenn sich die Deutschen wegen ihrer Gedenkstätten streiten, interessieren die Opfer einen Scheiß. Der Streit um das Holocaust-Denkmal verhöhnt so in unerträglicher Weise die Opfer. Er ist ein durchweg deutscher Streit, der die Deutschen durch ihre eigene Geschichtsschreibung frei machen soll nur sagen sie heute nicht mehr Judentyrannei, wenn sie sich wehren, sondern brandmarken den Zeitgeist-Tyrannen, der ihnen nur Böses wolle. Dabei vermeiden sie von Links bis Rechts weitestgehend, den Antisemitismus als deutsche Tugend überhaupt zu erwähnen. Hier in Leipzig erteilt man sich diesbezüglich Alltagslektionen anhand der Person
Deutschland ist das Land, in dem die Überlebenden des einzigartigen deutschen Projektes der Vernichtung durch Arbeit davor gewarnt werden, unverschämte Entschädigungen einzuklagen, da sie damit die Verantwortung für neuen Antisemitismus bei den Deutschen zu tragen hätten. Deutschland ist das Land, in dem antisemitische oder rassistische Täter vor dem Gericht umsonst vehement beteuern, daß sie aus Überzeugung gehandelt haben. In den überwiegenden Fällen reden es Richter- und Staatsanwaltschaft den Tätern aus, um das saubere Deutschland strahlend zu präsentieren. Deutschland ist das Land, wo die politisch Verantwortlichen glücklicherweise eine plebiszitäre Demokratie verhindern. Wäre das nicht so, würden sich die ungebrochen Volkszornigen schon längst wieder von ihren Stammtischen erhoben haben, wie es am 9. November 1938 der Fall war. Ein paar Mal seit 1989 durften die potentiellen und realen Opfer der Deutschen dies schon spüren. Die Deutschen wissen, seit sie ihren lange gehegten Wunsch der Judenvernichtung in die Tat umsetzten, daß Deutschland denken Auschwitz denken heißen muß. Jedes Wochenende brüllen sie deshalb in den Fußballstadien dieses Landes nach dem U-Bahn-Bau nach Auschwitz, um dorthin ihre halluzinierten Feinde zu deportieren. Warum gerade nach Auschwitz? Weil es die quantitativ wie qualitativ größte Leistung des deutschen Volkes überhaupt war. Und darauf sind sie, insgeheim oder ganz offen, alle zumindest ein bißchen stolz. Leipzig, den 9. November 1998 |
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