Wurden in der Review-Corner bislang nur Bücher
vorgestellt, so soll mit der folgenden Rezension der Blick auf Periodika als
interessantes Medium an sich und als Möglichkeit zur Horizonterweiterung
gelenkt werden. Denn, neben den hier empfohlenen Büchern wollen auch
Zeitschriften von den LeserInnen des CEE IEH goutiert werden.
Einer der angenehmen Aspekte von Zeitschriften liegt ohne
Zweifel in der Erwartungshaltung, die mit dem Gang zum Briefkasten oder zum
Zeitungskiosk mehr oder minder erfüllt wird. Wen erfüllen nicht
Glücksgefühle, wenn dies die neueste Ausgabe der favorisierten
Zeitschrift sei es spex, konkret oder das aktuelle
Anglermagazin zum Ergebnis hat, die eine gewisse Wertsteigerung der
nächsten Stunden oder der kommende Woche bedeutet. Aber schon hier ist zu
trennen: Gerade am Werdegang der spex die hinsichtlich eines
linken kulturpolitischen Engagements (und das steht jetzt hier einmal als
Prämisse) nicht mehr ernstzunehmen ist, ist nachzuvollziehen, inwieweit
eine Zeitschrift als bedeutsam für die von ihr angestrebte Zielsetzung und
Sparte gelten kann. So sollen hier auch keine Zeitschriften rezensiert werden,
deren letztendliche Option darin besteht, wie auch immer gearteten Lifestyle zu
präsentieren und für dessen Verkauf zu sorgen. Was nicht heißen
soll, dieser Form der Unterhaltungsindustrie das Recht auf Existenz
abzusprechen. Auch sie können, beim und nach besagtem Gang zum
Zeitungsladen Glücksgefühle wenn auch hedonistischer Natur
auslösen, aber darum kann es unter dem Gesichtspunkt einer
politischen Vorwärtsbewegung nicht gehen. Denn die Aufgabe einer
- DIE BEUTE. NEUE FOLGE. Nr. I und II, ID Verlag 1988, halbjährlich zum Preis von DM 28.-
- MITTELWEG 36 - ZEITSCHRIFT DES HAMBURGER INSTITUTS FüR SOZIALFORSCHUNG, Mittelweg 36, 20148 Hamburg, zweimonatlich zum Preis von DM 18.-
- TRIBÜNE - ZEITSCHRIFT ZUM VERSTäNDNIS DES JUDENTUMS, Habsburgerallee 62, 60385 Frankfurt/ M., vierteljährlich zum Preis von DM 15.-
|
Zeitschrift, nämlich die der Beschränkung auf ein Sondergebiet,
für das das jeweilige Konvolut Anregungen vermitteln und geistigen
Erfahrungsaustausch herbeiführen will, kann der Ernsthaftigkeit halber und
unter politischen Aspekten nur bedeuten, der Öffentlichkeit unliebsame
Themen aufzugreifen und gegen die herrschende Meinung anzuschreiben. Es mag
überraschen, aber der bundesdeutsche Zeitschriftenmarkt hält derzeit
eine Menge Periodika bereit, die sich unter dieser Prämisse
kulturpolitischen und zeitgeschichtlichen Themen widmen, dabei aber dem
potentiellen Publikum nahezu unbekannt sind. Im Folgenden drei Beispiele.
Mit der TRIBÜNE ZEITSCHRIFT ZUM VERSTäNDNIS DES JUDENTUMS und
dem MITTELWEG 36 ZEITSCHRIFT DES HAMBURGER INSTITUTS FüR
SOZIALFORSCHUNG präsentieren sich zwei linksliberale, ja man kann sagen
zwei Relikte aus der Zeit des westlich geprägten, humanistisch gesinnten
Bürgertums. Diese Einschätzung und hier erfolgende Nennung mögen
auf den ersten Blick verwundern, scheinen sie doch mit den oben genannten
Prämissen nicht viel gemein zu haben. Sie relativiert sich allerdings
unter dem Blickwinkel des gegenwärtigen wachsenden nationalistischen
Zeitgeistes, gegen den sich beide mit Stellungnahmen und
Hintergrundinformationen als eine der wenigen positionieren können und wollen.
Der Titel Zeitschrift zum Verständnis des Judentums ist
programmatisch und deutet an, es handelt sich bei der TRIBÜNE um eine
jüdische Zeitschrift. In CEE IEH #41 fand sie schon einmal Beachtung, als
es um die antisemitischen Vorfälle in dem Kaff Adelsdorf bei Nürnberg
ging, wo die TRIBÜNE eine der wenigen Medien überhaupt war, die
darüber berichtete. Neben Einschätzungen zur Situation in Deutschland
finden sich interessante zeitgeschichtliche Themen zum Holocaust als auch
Betrachtungen zur jüdischen Religion und zum Staat Israel.
Darüberhinaus wird deutlich, daß hier aus den Augen der Opfer
geschrieben wird und dies eine der wenigen mit Akribie geführten
Auseinandersetzungen um die Verbrechen des Nationalsozialismus und deren Kontinuität bedeutet.
Der MITTELWEG 36 ist das zweimonatlich erscheinende Sprachrohr des Hamburger
Instituts für Sozialforschung, welches in der jüngsten Vergangenheit
durch die Ausstellung zu den Verbrechen der Wehrmacht bekannt geworden ist. Der
Großteil der Redakteure besteht demzufolge auch aus MitarbeiterInnen des
renommierten Instituts. Ebenso dreht sich der Inhalt vorwiegend um die
Thematisierung der diffamierten Ausstellung und weniger um aktuelle Probleme.
Themen der zugrunde liegenden Ausgabe sind die Legendenbildung um die
saubere Wehrmacht, Betrachtungen zum häufig verklärten
Partisanenkrieg, eine Zusammenfassung der Werke Victor Klemperer's
sowie eine umfangreiche Literaturbeilage, die ähnliche Problematiken zum
Thema hat. Die wissenschaftlich abgehandelte Dominanz der zeitgeschichtlichen
Themen soll allerdings nicht zu dem Schluß verleiten, es handele sich
hier um eine bloße Arbeitsgrundlage für Historiker, sie bietet
vielmehr wichtige Fakten und Zusammenhänge für die derzeitig geführten Debatten.
Zweifelsohne gestaltet sich die Bewertung beider Zeitschriften bezüglich
ihrer Verwachsenheit in der bundesrepublikanischen Gesellschaft als
problematisch, nicht zuletzt wenn die Redaktion der TRIBüNE die Verleihung
des Leo-Baeck-Preises 1998 an Bundespräsident Roman Herzog als
besonders erfreuliche Information willkommen heißt. Was
zählt, ist letztlich aber die Bereicherung der kritischen
Medienpräsenz stellvertretend durch diese beiden Zeitschriften. Wie
wichtig deren Existens ist, läßt sich nicht zuletzt an der momentan
geführten Diskussion um die relativierenden Äußerungen Martin
Walser's anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen
Buchandels ausmachen. Denn in diesen Publikationen finden Ignatz Bubis, Ralph
Gordiano und Michel Friedmann Artikulationsmöglichkeit und inhaltliche
Unterstützung, die als einzige den von Walser ausgesprochenen und von der
deutschen Öffentlichkeit verteidigten nationalen Konsens widersprachen.
Die inzwischen halbjährlich erscheinende Zeitschrift DIE BEUTE. NEUE FOLGE
ist in dieser Hinsicht klarer einzuschätzen, ist hier doch eine
Verwurzelung in der linksradikalen Szene immanent. Gleichzeitig unterliegt sie
natürlich nicht zuletzt aufgrund des neuen Konzepts und der laut
gewordenen Kritik an den neuen Produktionsbedingungen anzulegenden, wenn
nicht gar innerhalb der linken Szene im verstärkten Maße geltenden
Kriterien. Nach dem Zusammenbruch des alten Beute-Projektes, der einerseits mit
dem Konkurs der Vertriebsgesellschaft und andererseits mit Diskrepanzen
zwischen den BetreiberInnen zusammenhing, äußerte ein Teil der alten
Gruppe Kritik an der neu gefundenen BetreiberInnenstruktur, die nun aus
Effektivitäts- und Zeitgründen professionellere Arbeitsstrukturen
einbezog und ein Aufweichen linker antiautoritärer Politik
bemängelte. Hauptansatzpunkt der neuen Beute ist hingegen das
unglückliche Verhältnis zwischen politischer Linken und
künstlerischer Opposition, was es zu bekämpfen gilt. Die
geäußerte Kritik jedenfalls ist abwartend zu betrachten, denn die
bisher erschienenen zwei neuen Folgen lassen keine Wünsche übrig:
Interviews mit Alfred Hilsberg und de:bug, Untersuchungen über
Nationales Management im Kulturbetrieb oder Überlegungen zu
Experten, den Helden der praktischen Gesellschaft von Ebermann/Trampert
garantieren Diskussionstoff bis zum nächsten Gang in den
Zeitungsladen Deines Vertrauens. Philipp |