Begleitet von einer spontanen antifaschistischen Gegenkundgebung mit 100
Teilnehmenden begann heute um 17.30 Uhr das Pressefest des rechtsradikalen
Verlages Europa Vorn im Deutschen Hygienemuseum in Dresden. Die
zuerst für den Großraum Leipzig angekündigte Veranstaltung fand
zunächst unter massivem Polizeischutz statt. Erst 19.00 Uhr wurde das
Treffen nach einem Polizeieinsatz beendet. Nachdem wegen massiv
angekündigter Proteste das Pressefest in der Neonazihochburg Wurzen bei
Leipzig vom Eigentümer des Veranstaltungsortes untersagt wurde, löst
die Vermietung der öffentlichen Räume im Dresdener Hygienemuseum
besondere Empörung aus. Eine Sprecherin des Bündnis gegen Rechts
sprach von einem Skandal, der die Glaubwürdigkeit antifaschistischen
Engagements öffentlicher Institutionen in Sachsen nachhaltig in Frage
stellt. Noch am Freitag, dem 26. Juni, erklärte der sächsische
Staatsminister des Innern, Klaus Hardraht, vor dem Landtag: Vorsorglich
prüfen die zuständigen Behörden, wo gegebenenfalls
Veranstaltungsorte in Sachsen aus Sicht des Veranstalters in Frage kämen.
Und vorsorglich überlegen wir auch, ob wir, wenn es zu einer solchen
Veranstaltung in Sachsen käme, diese dann nach §5 des
Versammlungsgesetzes eventuell verbieten können. Der
Landtagsabgeordnete Uwe Adamczyk (PDS) kündigte an: Die
Angelegenheit wird auf jeden Fall ein parlamentarisches Nachspiel haben.
Bereits am Mittag war es an einer Tankstelle in Großkugel zwischen
Leipzig und Halle zu Auseinandersetzungen zwischen 50 Nazikadern und ebenso
vielen antifaschistischen Gegendemonstrantlnnen gekommen. Die Tankstelle war im
Vorfeld als offizieller Schleusungspunkt für das Neonazitreffen angekündigt worden.
- Der seit 1987 aktive Verlag Europa Vorn ist Teil der
rechtsradikalen Neuen Rechten und versucht sich zum einen mit
Sammlungsbestrebungen unter militanten Neonazis und den verschiedenen
rechtsradikalen Parteien, zum anderen mit Bestrebungen zur Intellektualisierung
der Szene zu profilieren. Verlagsgründer Manfred Rouhs begann seine
rechtsradikale Karriere bei den Jungen Nationaldemokraten (JN) in
Nordrhein-Westfalen und hat inzwischen auch intensive Kontakte zu Teilen der
Republikaner und der DVU. Die seit 1996 jährlich
stattfindenden Pressefeste Europa Vorn dienen zudem dem
Brückenschlag mit dem militanten Spektrum rechtsradikaler Skinheads.
Für diese Zielgruppe werden eigens antisemitische und rassistische
Liederabende an das Vortragsprogramm angeschlossen. Die
Verbindungen zu dieser Zielgruppe belegt auch die Teilnahme von Mario
Ansorge, der als Veranstalter zahlreicher rechtsradikaler Skinheadkonzerte
in Sachsen in Erscheinung trat, am diesjährigen Pressefest. Auch das
Mitglied des JN-Bundesvorstandes, Sascha Wagner, der am 24. Januar
diesen Jahres an dem Überfall militanter Rechtsradikaler auf den
Regionalexpress von Leipzig nach Dresden beteiligt war, ist, wie auch in den
letzten Jahren, organisatorisch an der Naziveranstaltung beteiligt. Auch der
einschlägig bekannte Naziliedermacher Frank Rennicke nahm an der Veranstaltung teil.
Die Besucherzahl von lediglich 200 Nazis an dem diesjährigen Pressefest in
Dresden ist ein Rückschlag für die Veranstalter. Nachdem mit 250
Nazis 1996 in Eschweiler (bei Aachen) und 350 letztes Jahr in Halle ein
deutlicher Aufwärtstrend abzusehen war, ist die relativ niedrige
Teilnehmerzahl in diesem Jahr hauptsächlich auf die antifaschistische
Gegenmobilisierung im Vorfeld zurückzuführen. Wie im Vorjahr konnten
durch die starke antifaschistische Präsenz Übergriffe der
Pressefest-Teilnehmer verhindert werden. Derartige Befürchtungen stehen im
Zusammenhang mit den tätlichen Angriffen auf Ausländerlnnen im Umfeld der Veranstaltung 1996.
Zur Auflösung der Veranstaltung kam es, als der Leiter des Hygienemuseums
den Vertrag wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen kündigte.
Wegen Ausschreitungen innerhalb des Gebäudes wurde von seiten des Museums
außerdem eine Hausfriedensbruchsanzeige gestellt.
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