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Der folgende Artikel bezieht sich auf den im Stadtmagazin Kreuzer vom März 1998 erschienen Artikel „Dancemission ‘98". Er beinhaltet nachtragende Anmerkungen meinerseits zum Thema Dancefloor und Clubculture in L.E., die sich von mir aus völlig anders definiert, und ich mit Erscheinen dieses Artikels schockiert war. Wobei mir bewußt ist, daß ich von einem Stadtmagazin wie dem Kreuzer nicht mehr erwarten kann. Der entscheidende Punkt ist für mich, daß Club/Musik in der Art und Weise wie ich sie betreibe, ein Akt von Widerstand ist, der innerhalb des kapitalistischen Musikmarktes funktioniert und für mich nicht als rein kommerzielles Projekt zu sehen ist.
Einige wichtige Themen sind nur mit einzelnen Stichpunkten unterlegt worden, obwohl einige von ihnen alleine schon Seiten füllen könnten.

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Willkommen im Club.

Mit R.O.L.I.

Schlechte Karten also für musikalische Progressivität und neue Trends?
Eigentlich nicht: Abgefahrenster Drum’n’Bass läuft auch in Leipzig hervorragend, die Conne Island-Parties und Style Warz-Sessions überzeugten beispielsweise nicht nur durch edle Namen und hochklassige Tunes, auch das Publikum ließ sich nicht lange bitten.

(Kreuzer März ‘98)

Nur wenige Clubs konnten sich über die Jahre eine konstante Auseinandersetzung mit konstruktiver Musikentwicklung erlauben. Die Gründe dafür liegen einerseits in der finanziellen Abhängigkeit, in die man sich verkauft hat, andererseits im notwendigen, nicht vorhandenen kulturellen Know How.
Die wichtigsten und konstantesten Locations (Clubs) der letzten Jahre wären da Distillery und Conne Island. Wobei letztere im großen und ganzen weniger als Club, sondern als Konzerthalle zu sehen ist. Die OrganisatorInnen der Clubveranstaltungen – über Jahre schon im Club tätig – machen sich mehrmals im Monat die mühsame Arbeit, aus der Konzerthalle einen guten Club zu „layouten“.
Die BetreiberInnen der Distillery haben es in Bezug auf Layout und Publikum schon etwas einfacher, da sie von ihrer Plattform her als Club strukturiert ist.
Über Jahre hat man sich einen guten Ruf in Sachen Techno/House aufgebaut und wurde letztlich in der Zeitschrift „De Bug“ (Zeitschrift für elektronische Lebensaspekte) als das „Flaggschiff“ der hiesigen Techno/House Szene betitelt. Mittlerweile kann man mit einem Stammpublikum rechnen, das sich zwischen 200 bis 500 Besuchern pro Samstag bewegt. Selbst der Freitag hat mittlerweile ein Publikumsschnitt von über einhundert Besuchern.
Trotz alledem mußte sich die Distillery die letzten Jahre selbst von >Leipziger Musikgrößen< anhören, wie scheiße man wäre und Drogendealern Einlaß gewähre.
Die Distillery ist nach wie vor einer der konstant funktionierenden Clubs in L.E., der neuerdings freitags (Rhythm Club) seinen einstigen Kritikern eine Plattform für den „neuen Sound“ zur Verfügung stellt – Future Sound, wenn es den gibt?
Paradoxerweise scheint es wichtig zu sein, immer wieder Kritik an dem Macher/Rhythm Club (noch aus gut funktionierenden >TRC< Zeiten bekannt) zu üben. Anlaß dafür ist seine alte Leidenschaft, Soul, Funk, Club Jazz, für die er immer wieder wie andere für z.B. Drum’n’Bass, versucht,  eine Plattform in L.E. zu bieten.
Die Distillery ist konsequent ihren Techno/House-Weg gegangen, dabei ist mir egal, ob sie von anderen Musikrichtungen einen Plan haben, sie leben Techno/House. Ansonsten gibt es da noch den großen Leipziger Mythos, der sich einerseits aus der damaligen „Zündspule“ (in ihren verschiedenen Locations) andererseits aus der „Elastic“ (Kochstrasse/*Historischer Sieger*) zusammensetzt.
Eigentlich gibt es dagegen ja auch nichts einzuwenden. Doch der Widerspruch liegt auf der Hand: da man sich immer an den großen Londoner Vorbildern und dem neuen >>Konstruktiven Sound<< auf der einen Seite orientiert/präsentiert, als andere Seite der Medaille aber immer wieder das Geschrei, nach den guten alten Zeiten, wo man noch mit dem Ostbonus und der neuen westlichen Musik a, die gute Partie haben konnte und b, die schnelle Mark verdiente(!) zu vernehmen ist.
Die großen Mythos-Veranstalter von damals sind heute immer noch Mythos oder sie sind in den wenig funktionierenden Locations, wie Tuvalu, Redlight D.C. oder Blue Poodle verankert.
An der Bar herumzulümmeln gehört nicht zu den Prioritäten. Wer sich dagegen vornehmlich als Kneipier sieht, hat oft keinen Bezug zu guter aktueller Musik. (Muß man das?)
Dies bedeutet in der Konsequenz, daß man gute Musik nur in gewissen Clubs hören kann und Kneipen, Pubs, Bars etc. prinzipiell, als Interessent der guten aktuellen Musik, meiden muß. (Wie witzig) Was ist mit Locations wie Nautilus, Redlight D.C. und Kitchen??
Ein historischer Sieg des Fortschritts?? (Kreuzer, März ‘98)
Neben den zahlreichen Clubbetreibern gibt es die DJs und Musik-Macher, die sich, zum größten Teil, in den wenigen Clubs, Bars, Pubs, Kneipen treffen und darüber tratschen, daß es in L.E. keine Clubs gibt. Nach den abendlichen Diskussionen verschwindet man am Morgen in sein bürgerliches Leben und erfreut sich bzw. fördert die L.E.-Gerüchteküche, anstatt sich mit dem Thema weiter auseinanderzusetzen und vielleicht eine lokale Szene aufzubauen. Aber lokale Szene ist ja egal, schließlich hatt man ja noch das Finanzkräftige Label deg.Malboro Musicdeg., das hilft jedem DJ auf alle Fälle, zumindestens finanziell, über die Runden. Auch eine sehr beliebte Variante ist, der Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen und daraus folgend, sich in sogenannte Medienstädte abzusetzen.
Oder noch besser: Man konzentriert sich an den Sounds getreu musikalischer Vorbilder. Sprich: sie werden kopiert (zum Glück gibt es in Leipzig noch keine Dub Plate Press-Maschine, vor einiger Zeit hat man Dubplates noch gehegt und gepflegt, inzwischen ist das nur noch inflationär). Wie „Moving Shadow“, „Reinforced“, „Shut up and Dance“, „No U-Turn“ (für den Drum’n’Bass Bereich) oder die anderen zahlreichen Labels, die aus England und dem Rest der Welt zu uns rüberschwappen.
Immer getreu dem neuen Sound oder den Gerüchten, die in Flugzeugen mitgetragen werden oder als E-Mails durch Telefonleitungen schlüpfen.
Das hindert aber immer noch nicht daran, alten Zündspulenzeiten hinterherzutrauern. Eines der besten Beispiele dafür ist die furiose Style Warz-Crew, die den Future Sound ‘98 für L.E. geprägt haben. (nach Medium Kreuzer).
Es gibt ja verschiedene Definitionen über die Entstehung von D’n’B. Fact ist aber: D’n’B kommt vom Reggae-Dub, Hip Hop und Techno (Hardcore Area).
Um dieses alles nach draußen hin zu repräsentieren, getreu den englischen Vorbildern, holt man sich einen MC, drei DJs (zu beachten ist, daß immer nur ein DJ auflegt, der Rest gibt sich inzwischen, bei diversen Rauschmitteln, der Diskussion über den neuen konstruktiven Sound hin oder fällt durch kopfnickende Respektzollungen in Richtung DJ/den Rest des Soundsystems oder Publikum auf) und einen Scratcher. Um halbwegs die Verbindung zum Mythos herzustellen, legt man schnell noch ein paar Underworld- oder Moby-Sampler per Nord Lead (Keyboard) darunter.
Die Folge davon ist: das Publikum läßt sich nicht lange bitten.
In anderen Projekten wiederum beklagen sich die Macher darüber, daß man seine Vorreiter-Rolle an Bands wie Rammstein oder Waltari abgeben mußte. Um die ganze Sache dann live umzusetzen, sucht man sich eine der durch starkes Innenstadt-Publikum bekannt gewordenen Locations, veranstaltet ein, zwei Parties und darf dabei ein typisches Hip-Studenten-Laufpublikum seine Gäste nennen (,die sich dann noch über DM 10,- Eintritt aufregen, weil es in der MB ja nur DM 7,- kostet und DM 10,- einfach viel zu teuer für die Entwicklung einer musikalischen Clublandschaft sind). Oder die andere Variante: Man sucht sich eine der Location, über der noch der Mythos schwebt.
Das Witzige an der ganzen Geschichte ist, daß die konstant funktionierenden Clubs – siehe/höre Conne Island oder Distillery – sich nicht gerade im Zentrum der Kulturmeile befinden. Was natürlich begründen könnte, daß die Besucher wegen des kulturellen Events kommen und dabei zu den anfallenden hohen Transportkosten den wohl höchsten Ticketpreis der Leipziger Clubszene löhnen. Dieses wiederum spricht dafür, daß ein Potential an musikinteressiertem Publikum vorhanden ist.

Von der Location weiter zum Sound
Klar ist, fett muß er sein und das Haus in seinen Grundfesten erschüttern. Wo bleibt da die Clubkultur?: Daß diese eh immer mehr ins Schwanken kommt, ist logisch. Viele Gründe sprechen dafür.
Das Stadtmagazin Kreuzer schreibt in seiner März-Ausgabe: „Mit drei DJs, einem Keyboarder, einem Scratcher und einem MC produzieren die gestandenen Szenehelden einen derartig fetten Sound, das man sich fragt, wie man sich von einem einzelnen DJ unterhalten fühlen soll“.
Stellen sich folgende Fragen:
1.) Welcher Club soll in Zukunft ein daraus folgend hohes finanzielles Budget erwirtschaften um solche Projekte zu finanzieren? Und was ist mit der DJ Culture??
Die rasante musikalische Entwicklung ist mittlerweile soweit, daß man für einen DJ Krust das Dreifache der Gage von vor einem Jahr bezahlen muß. Aber selbst große Veranstalter haben keine Scheu davor, diese immens hohen Gagen zu zahlen, siehe/höre die diesjährigen Festivals.
1.1.) Dabei sollte vielleicht an dieser Stelle erwähnt sein, das alle neue innovativen Sounds ihre Plattform in kleinen Clubs auch in England (siehe/höre Dub, Jungle, Drum’n’Bass, Hip Hop, House, Techno) gefunden haben.
1.1.1.) Daraus könnte das Argument folgen: Der Club solle sich gefälligst Sponsoren suchen, um weiter überleben bzw. größere Projekte finanzieren zu können und für die späteren „Großen“ eine Plattform zu schaffen.
Da ist es auch schon mal egal, daß ein Flyer (Handzettel) durch fettes Sponsoring eher aussieht wie eine Litfaßäule. Daß dadurch aber die Kulturform des Flyer-Layoutens verlorengeht, interessiert die wenigsten. Ebensowenig die großen Verträge, die dann die rein kommerziellen Unternehmen für ihr Sponsoring unterschrieben haben wollen. Daraus folgend Verkauf in finanzielle Abhängigkeit??
Ganz zu schweigen von den Plakatflächen: Die Wichtigkeit dieser, in Verbindung Kultur, Straße, Politik, dürfte für viele eh uninterressant sein. Warum macht man dann noch Flyer oder Plakate: Hip Hop ist doch Graffiti, oder?? Plakatieren ist gleichzusetzen mit Graffiti (– die Strasse ist unsere!!).
Oder noch besser: Man arbeitet mit der Leipziger Tageszeitung LVZ zusammen, wie neulich als erstes Argument einer L.E.-Hip Hop DJ-Größe zu hören war. Zwischenfrage: Was ist mit der Club-Medien-Infrastruktur??
Eins ist Fakt, die LVZ garantiert daß auf alle Fälle achthundert Leute kommen, die genauso gut zum Honky Tonk gehen könnten.
1.1.2.) Kurze Frage an dieser Stelle: Ist denn wirklich nur die Musik (DJ, Band, Projekt) beim Begriff Club ausschlaggebend?? Oder gehören da auch andere Strukturen wie z.B. Shops, Plattenläden (Kartenvorverkauf), Türpolitiken, Medien Hypes, Drogen, Gastronomie, Medien, elektronischer Fortschritt (PA, Computer/Internet, eMail etc.) dazu? Die alle könnten wichtige Plattformen für Subkultur, deren Entwicklung und deren Kampf gegen Faschismus sein!!
2.) Wer soll einen ganzen Abend in einem Haus verbringen, welches mit Beginn der Veranstaltung bis in ihre Grundfesten erschüttert wird?
3.) Und wie bitte soll dann der Club als Begegnungs-, Kommunikations- und – ganz wichtig – Freiraum funktionieren, wenn man sich mit seinem Gegenüber nur noch durch Handzeichen verständigen kann und sich auf Grund des erschütterten Hauses die „Lebensmittel“ nur noch mit Stechkarte (oder ähnlichen elektronische Mitteln, bei denen ich kein Ton mehr von mir geben muß) bestellen kann.
3.1.) Was ist mit dem alten Zündspulen Prinzip: >>Leute treffen, gute Musik hören, trinken, quatschen, tanzen<<
Fazit: Am besten funktionieren die Club’s, die über einen langen Zeitraum den progressiven Weg gegangen sind und sich über Jahre ein konstantes Publikum erarbeitet haben und, daraus folgend, sich Freiräume erwirtschafteten. Das hat zur Folge, das man mit den Besuchern musikalisch experimentieren kann, weil sie das vorhandene Club-Potential (und seine verschiedenen Strukturen) erkannt haben und dieses nicht vermissen möchten. Clubkultur ist ein wichtiger Punkt im musikalischen wie politischen Bereich. Es gibt noch eine große Anzahl an Menschen, die sich über Musik, wobei elektronische Musik in linken Strukturen genau so wichtig ist wie Reggae/Ska/Punk/Hardcore, und ihre verschiedenen Strukturen definieren.
Und es ist wichtig, über Kultur-Club-Politik und dessen Strukturen eine Auseinandersetzung zu führen. Dabei ist mir bewußt, daß Mainstream- und Underground-Subkultur nur zwei Seiten einer Münze aus demselben Material sind, und es innerhalb einer kritischen Musikanalyse mittlerweile Konsens geworden ist, daß Subkulturen und ihre Medien ein anerkannter und protegierter Zubringer und Trendscout für die Majors sind.
Zum Thema Politik und Club in Verbindung sei nochmal erwähnt, daß mehrere Betreiber von verschiedenen Locations ihre Probleme mit den Flyern und Plakaten zum Thema 1. Mai hatten!! Und dieses damit begründeten, daß man ein Klientel an „Party Publikum“ hat, das sich durch eine politische Zuordnung abschrecken lassen könnte, worauf aber Betreiber verschiedener Locations, auf Grund finanzieller Abhängigkeit nicht verzichten könnten!!
Stellt sich zum Schluß die Frage: Warum betreibt man Clubs oder worin liegt eigentlich die Wichtigkeit von Musik und der daraus folgenden Strukturen??
Bis dann im Club: Roland@z.x.free.de
>>The Music is my Live<<



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last modified: 28.3.2007