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Am vierten April sollte in Leisnig bei Döbeln eine
antifaschistische Demonstration unter dem Motto: Die Menschenrechte
wahren den Nazis den Nährboden entziehen stattfinden. Durch
die plumpe Anmeldung einer Gegendemo von Nazi-Seite wurde dies verhindert. Die nachfolgend dokumentierten Pressemitteilungen beleuchten den Hintergrund des Demonstrationsverbotes und die Durchsetzung desselben. |
PRESSEMITTEILUNGdes Pressebüros für die geplante antifaschistische Demonstration am 4. April in Leisnig/Sachsen
Mit Empörung reagiert der Vorbereitungskreis der für den 4. April in
Leisnig/Sachsen geplanten antifaschistischen Demonstration unter dem Motto
Die Menschenrechte wahren - Neonazis den Nährboden entziehen
auf das vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen per
einstweiliger Verfügung wiederhergestellte Demonstrationsverbot der
antifaschistischen Demonstration. Insbesondere die dort als Begründung
angeführte angebliche Gewaltbereitschaft der potentiellen
DemonstrationsteilnehmerInnen ist aus Sicht des Vorbereitungskreises ein
unhaltbarer Vorwurf, zumal von Seiten des Demonstrationsanmelders hinreichend
über Anlaß, Zweck und Charakter der geplanten Demonstration informiert wurde.Der eigentliche Skandal besteht nach Ansicht des Vorbereitungskreises in der Tatsache, daß die von dem allbekannten, führenden Neonazi Frank Schwerdt (NPD-Bundesvorstand) aus Berlin angemeldete Gegendemonstration zu keinem Zeitpunkt durchgeführt werden sollte und einzig den Zweck zu erfüllen hatte, dem Verbot einer antifaschistischen Demonstration Vorschub zu leisten. Genau diese Neonazi-Taktik ging in Leisnig auf. Verantwortliche Behörden, Lokalpolitiker und große Teile der Bevölkerung brachten es fertig, mit der strikten Gleichsetzung von Nazis und Antifaschisten der Nazi-Taktik zuzuarbeiten. Dazu gehört auch ein mit Sicherheit von Neonazis fingiertes Flugblatt mit dem Inhalt: Kampf und Tod den Faschisten. Ausgiebige Recherchen bei antifaschistischen Gruppen und Initiativen haben bestätigt, daß dieses angeblich in der Szene kursierende Flugblatt nirgendwo bekannt und aufgetaucht ist. Erstaunlich ist dabei, daß es aber den Behörden vorlag ... Damit ist es den Neonazis gelungen, zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ohne großen Aufwand eine antifaschistische Demonstration zu verhindern. Dieses Novum in der Geschichte wird leider als Synonym für die Stadt Leisnig in die Annalen eingehen. Der Vorbereitungskreis erhebt außerdem schwere Vorwürfe gegen den Verfassungs- und Staatsschutz. Zumindest dort hätte bekannt sein müssen, daß die Neonazis niemals beabsichtigten, wirklich in Leisnig
Selbst wenn einzelne versprengte Neonazis tatsächlich Richtung Leisnig aufgebrochen sind, so sind diese ebenso nur der Taktik und dem Kalkül des Neonazis Frank Schwerdt aufgesessen. Verfassungs- und Staatsschutz müssen diese Fakten bekannt gewesen sein. Trotzdem wurden diese Erkenntnisse von den Behörden gedeckelt und nicht öffentlich gemacht. Der Vorbereitungskreis kann daraus nur den Schluß ziehen, daß die Behörden kein Interesse an einer realistischen Bewertung der Konstellation für den 4. April hatten. Vielmehr scheint es so, als käme ihnen die dadurch möglich gewordene Gleichsetzung von Neonazis und AntifaschistInnen nur entgegen. Der Vorbereitungskreis betrachtet die Umstände des Demonstrationsverbotes als direkte Diskreditierung der Demonstrationsinhalte. Nach seiner Einschätzung ist es bitter notwendig, in Leisnig gegen die dortige Neonazi-Szene zu demonstrieren. Das um so mehr, als sich durch die Geschehnisse um die geplante Demonstration offen zeigte, daß es ein sehr schwaches öffentliches Problembewußtsein zu geben scheint. Das jedoch ist in besonderer Weise erschreckend, zumal das Image der Stadt Leisnig seit den Überfällen vor einigen Jahren auf das örtliche Flüchtlingsheim überregional immer noch schwer angekratzt ist. Insofern stellt der Vorbereitungskreis in aller Öffentlichkeit die Frage, ob nicht genau die geplante Demonstration für ein öffentliches Zeichen von Weltoffenheit auch der Stadt Leisnig hätte genutzt werden können und die öffentlichen Herabwürdigungen der Demo-InitiatorInnen damit unterblieben wären. Nicht zuletzt verstand sich die Demo-Initiative eben als ein Angebot an die Stadtverantworlichen, die dieses leider ausschlugen. |
PRESSEMITTEILUNG 2des Pressebüros für die geplante antifaschistische Demonstration am 4. April in Leisnig/Sachsen
Das durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen verfügte
Demonstrationsverbot wurde mittels eines martialischen Polizeiaufgebotes mit
Beamten aus Thüringen, Sachsen und mit Unterstützung des
Bundesgrenzschutzes durchgesetzt. Beispielsweise sprengte die Polizei den
Versuch, Blumen am Döbelner Mahnmal für die Opfer des Faschismus niederzulegen.Insgesamt erteilte die Polizei nach Informationen des Pressebüros dutzende Platzverweise an AntifaschistInnen. Mindestens 14 Personen, darunter mehrere Minderjährige, wurden willkürlich verhaftet. Ein Grund der Festnahme wurde den in Gewahrsam genommenen generell nicht mitgeteilt. Nach bisherigem Informationsstand des Pressebüros ist davon auszugehen, daß die Festnahmen willkürlich erfolgten. Augenzeugen und Betroffene teilten dem Pressebüro mit, daß die Polizei mit völlig überzogener Härte vorging. So wurde eine Gruppe von 15 AntifaschistInnen auf dem Bahnhof Döbeln von Thüringer Beamten urplötzlich angegriffen! Sie jagten die Gruppe mehrere hundert Meter durch Döbeln. Personen, derer die Beamten habhaft werden konnten, wurden brutal zu Boden gestreckt. Einige Betroffene erlitten dabei Prellungen im Bereich des Brustkorbes, da die Beamten sich mit ganzer Körperkraft auf die Betroffenen stemmten. Am Bahnhof Döbeln wurden rund einhundert AntifaschistInnen, die die Kunde vom Demonstrationsverbot nicht mehr rechtzeitig erreichte, gemeinsam in einen Zug nach Dresden verfrachtet. Nach nur wenigen hundert Metern wurde der Zug vom BGS gestoppt und die AntifaschistInnen aus dem Zug gezerrt. Offensichtlich wurde hier der Versuch unternommen, polizeiliche Maßnahmen nicht im Lichte der Öffentlichkeit durchführen zu müssen. Teilweise wurden die AntifaschistInnen zu Boden gezerrt und mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Auch von AntifaschistInnen, die mit dem Auto unverrichteter Dinge anreisen wollten, liegen Berichte vor. So wurden mehrere Insassen von PKWs brutal aus ihren Autos gezerrt und zu Boden gerissen. Ein Antifaschist erlitt dabei eine Schnittverletzung. Teilweise mußten sich Personen bis zu vier Mal kontrollieren lassen. Mehrmals am Tag kesselte die Polizei kleinere Grüppchen von AntifaschistInnen ein, ohne dafür einen Grund anzugeben. Nach vorliegenden Informationen kam es darüberhinaus zu brutalen Ausfällen einzelner Polizisten vor allem aus Erfurt. Mehrere Antifas berichten von Übergriffen seitens der Beamten, bei denen diese auf die Betroffenen brutal einschlugen. Das Pressebüro weist an dieser Stelle daraufhin, daß bei AntifaschistInnen keinerlei Gegenstände gefunden wurden, die nach dem Versammlungsgesetz als sogenannte waffenähnliche Gegenstände interpretiert werden. Sollte es also seitens der Polizei zu einer inzwischen obligatorischen Präsentation angeblich gefundener Waffen kommen, so bittet das Pressebüro alle PressevertreterInnen um einen kritischen Umgang mit dieser Präsentation. Da weder in Leisnig noch im Landkreis erwähnenswerte Neonazibewegungen auszumachen waren, bestätigt sich dadurch zum einen, daß die Neonazis niemals beabsichtigten aufzumarschieren und zum anderen, daß es möglicherweise bei einzelnen versprengten Neonazis tatsächlich Waffenfunde gab. Das Pressebüro bittet hier bei der Berichterstattung um eine differenzierte Darstellung. Nach vorliegenden Informationen wurden keine Neonazis festgenommen. Das findet hier deshalb Erwähnung, weil allzugern in Polizeipressemitteilungen der Textbaustein linke und rechte Störer bzw. ein ähnlich lautender Verwendung findet, obwohl es dann meistens martialische Einsätze ausschließlich gegen AntifaschistInnen gab. Wie vom Vorbereitungskreis der geplanten Demonstration zu vernehmen war, wird entschieden gegen das Vorgehen der Polizei protestiert und eine sofortige Freilassung der Festgenommenen gefordert. Juristische Konsequenzen bzw. Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Polizei behält sich der Vorbereitungskreis vor. Leisnig, am 4. April 1998 |