Dr. Dr. h. c. mult. Arthur Kaufmann, emeritierter
Professor für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Uni München,
schreibt in der Süddeutschen Zeitung auf der Forum-Seite zum Thema:
Wenn Bürger nicht mehr brav sein wollen was sollen sie dann tun?:
Mein Großvater hat während der ganzen Nazizeit nie den
Hitlergruß entboten, schon gar nicht mit faschistisch erhobenem Arm. Aber
er hat noch weit Schlimmeres getan. Bei der Volksabstimmung 1938 über den
Anschluß Österreichs an das Reich wurden in seinem
Wahlbezirk amtlich drei Neinstimmen bekanntgegeben. Da ging er zum Amt und
erklärte, das mit drei Neinstimmen könne nicht sein, er wisse von
sieben Personen zuverlässig, daß sie mit Nein gestimmt hätten.
Das war riskant, aber es ist ihm nichts passiert. Man könnte sagen, ein
solcher Protest habe keinen Sinn gehabt, weil er nichts bewirken konnte. Mag
sein, wenn es nur ein einzelner tut. Aber wenn tausend, zehntausend anderswo
auch gegen die Wahlfälschungen protestiert hätten, wäre es
gewiß nicht wirkungslos gewesen siehe Belgrad.
Die Linke hat dazu leider noch kaum Vorschläge gemacht BILD vom 7.4.1998 |
Der Amtsweg als Beweis der Widerständigkeit wird deshalb zum Protest
erklärt, weil selbiger nur als ausdrücklicher Loyalitätsbeweis
in Deutschland Anerkennung findet. Darauf basiert das Grundgerüst dieser Bundesrepublik.
Gustav-Adolf Schur, der Mann des Zonen-Volkes und deshalb Direktkandidat der
Partei des Demokratischen Sozialismus, sagts, um es später zu widerrufen:
Hitler hat die Probleme ja noch in den Griff gekriegt. Heute sind die Probleme zu groß dafür.
Was war das doch für eine schöne Welt, als der Despot noch etwas galt
im Land. Seit der Mythos von der verführten Masse ins Wanken gerät,
sind die Probleme zu groß dafür.
So verändert sich zwar nicht die Welt, aber immerhin deren Betrachtung.
Wenn die linke Volkszeitung Leipzigs Neue Geschichtsbewußtsein preis gibt, kommt folgendes heraus:
Am 1. Mai demonstrieren traditionsgemäß progressive
Kräfte des Volkes für soziale und politische Rechte. So muß es bleiben.
Denn wenn das nicht mehr so gesehen würde, änderte sich gar unter Umständen etwas, nicht wahr.
Der Kölner Express vom 7. April offenbart eine handvoll Pragmatismus:
Schwarzarbeit in Deutschland ein boomender Wirtschaftszweig.
Mindestens 70 Prozent der dort erzielten Einkommen fließen in Form
von Anschaffungen und Investitionen in die offizielle Wirtschaft
zurück, sagt Ökonomieprofessor Friedrich Schneider von der
Universität Linz, Experte in Sachen Schattenwirtschaft. Schneider:
Dieses Einkommen ist einer der stabilsten Nachfragefaktoren in Deutschland.
Glänzende Argumente sind wie Fensterscheiben in der Sonne EXPRESS am 07.04.1998 |
Wie heißt es doch so schön in der Erfurter
Erklärung? Da hilft nur Steuerehrlichkeit. Wem
Deutschland also mal als Paradies vorschwebt, sollte dabei nicht vergessen,
welches damit gemeint ist nämlich maximal das für Steuern.
Wenn ein FAZ-Redakteur zur Metapher greift, kommt so etwas heraus:
Glänzende Argumente sind wie Fensterscheiben in der Sonne: Wer
sich nicht blenden läßt, erkennt beim genaueren Hinschauen, wie durchsichtig sie sind.
Zu beachten ist dabei jedoch, daß die verwendete Metapher nur
Wischiwaschi-Interpretationen zuläßt.
Peter Thiel aus Berlin, aufmerksamer Leser des Neuen Deutschland,
empört sich über Artikel in seiner Zeitung:
In jeder dritten bis vierten Partnerschaft wird geprügelt, meint
der Sozialapädagoge Hartmut Wörfel in dem Artikel Wohin mit der
Wut?. Heißt das für ihn, daß auch in jeder dritten bis
vierten Partnerschaft unter PDS-Migliedern und ND-LeserInnen geprügelt wird?
Der danebenstehende Artikel beschäftigt sich mit der um sieben Jahre
geringeren Lebenserwartung von Feuerwehrleuten. Daß diese Feuerwehrleute
in der Regel Männer sind, die sich tagtäglich in Lebensgefahr
begeben, um Frauen, Mädchen, Jungen und andere Männer zu retten, wird
nicht erwähnt. Warum nehmen wir Männer meist nur im Zusammenhang von
Gewalt und Unterdrückung wahr und nicht auch in ihren positiven
Eigenschaften? Die Linke hat dazu leider noch kaum Vorschläge
gemacht. Nun ja, Vorschläge
vielleicht tatsächlich nicht. Aber Praxis, mein Lieber, Praxis! Und die
zählt ja letztendlich doch wohl mehr, gerade wenn man Feuerwehrleute
endlich mal als revolutionäres Subjekt begreifen würde! Ralf |