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notwist. oder provinz leuchtet*, 3.8k

Der Kreuzer würde vielleicht schreiben: Kommt am Samstag, den 23. Mai ins Conne Island, weil man dort gesehen wird und seine neu erworbene 70er Jahre Trainingsjacke ausführen kann.

Ich aber meine...

...kommt zu einer Band, der Eure Trainingsjacke wahrscheinlich völlig gleichgültig ist und die vielleicht eines der Alben des Jahres vorgelegt hat.

...kommt zu einer Band, die sich in den Jahren ihrer Existenz stetig weiterentwickelte, immer neue Stilmittel einbezogen und scheinbar eine eigene Interpretation des musikalischen Zeitgeistes hat.

...kommt zu einer Band, die u.a. dazu beigetragen hat, daß eine Region an und um die Lech bekannt wurde – nicht wegen ihrer Lage in Oberbayern, wo „Carneval noch Fasching heißt und die Bevölkerung zum Großteil aus debilen Biertrinkern besteht“ (Ede Epple, Raffmond) – sondern wegen ein paar dort wohnenden Menschen, deren künstlerische Kreativität und Experimentierfreude unversiegbar scheint und die in diesem Land ein Gleichnis sucht.

...kommt zu einer Band, die eine Gitarre genauso einsetzen kann wie Trompete, Posaune, Vibraphon oder Samplemaschine.

Das ist der Verkoppler scheinbar unvereinbarer Welten oder auch der Cross-Over (wenn doch dieser Begriff nicht so negativ vorbelastet wäre) der 90er Jahre Gitarren-Fraktion, die beim Wort „Jazz“ nicht gleich an alte Männer mit grauen Bärten und Pfeife denkt und in ein langanhaltendes Gähnen verfällt, sondern die damit ein entspannendes Gefühl verbindet, die beim Wort „Gitarre“ nicht gleich abwinkt und sagt: „Kenn’ ich schon die ganze Kiste, und außerdem sind die 80er vorbei!“ und die sich auch an ein paar stimmigen und wohlgetimeten Piepsern, Plomps und Klonks erfreuen können.

Das ist die Band, die (vielleicht) eine weitere Antwort auf die vielerorts aufgeworfene Frage: „Was wird mit der Gitarre?“ gibt, und das losgelöst von der ganzen Postrock-Diskussion, die obendrein die Fusion von Elektronik und Jazz, so wie sie das Tied & Tickel Trio auf das Feinste praktiziert, um die Gitarre erweitern und somit für mehr Leute interessant macht.

Wer da behaupten möchte, daß dies alles nur einen kläglichen Anstrich von nützlichem Zeitgemäßen bekommen soll, dem sei entgegengehalten, daß man in den einzelnen Nebenprojekten der Bandmitglieder, z.B. Orgon, Rayon, Village Of Savoonga oder auch Console, so man denn unterstellt, daß Notwist nun zum Schwerpunkt des Schaffens von Martin Gretschmann aka Mr. „Kurz&Fündig“ geworden ist, Tendenzen und Nuancen elektronischer oder elektronisch verfremdeter Klang- und Tonerzeugung schon lange beobachten, erahnen und hören konnte (verwiesen sei nur auf den „the day my favourite insect died“ oder ANTIHUND Sampler) und sich somit bei einer Gesamtbetrachtung des musikalischen Kosmos der vier Oberbayern bei Notwist der Kreis wieder schließt.
Eine anfängliche Diskrepanz zwischen den o.g. Stilrichtungen löst sich somit widerspruchsfrei auf und hinterläßt nur noch SHRINK.

Also Gitarrenrocker, nehmt Eure Eltern bei der Hand und sagt ihnen, es gibt Jazz. Klemmt Eure Geschwister unter den anderen Arm und erzählt ihnen was von Elektronik und dann sehen wir uns mit der neu erworbenen Trainingsjacke im Conne Island. JEE

* So titelte Flo Zimmer im Testcard #2.



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last modified: 28.3.2007