Die Fachgeschäfte für Bioprodukte verzeichneten
für das vergangene Jahr einen Umsatzzuwachs von 2,5 Prozent; hier im Conne
Island gibt es Diskussionen um die emanzipationsfeindlichen und
antihumanistischen Standpunkte der SE-HC-Szene; das alternative Leipziger
Jugendzentrum Zoro wirbt in seinem Monatsflyer mit einem Logo der
biologistischen Earth First und die rechtsextremen Jungen
Nationaldemokraten (JN) sympathisieren mit den Aktionen von
UmweltschützerInnen gegen die Castortransporte. Dies alles sind Anzeichen
für die Verlagerung und Aufweichung ehemals linker ökologischer
Positionen hin zu einer biozentristischen Sichtweise sowie deren Erfolg.
Größe, Zusammensetzung und Einfluß dieser neuen Bewegung
scheinen oft diffus; Jutta Ditfurths Standardwerk »ENTSPANNT IN DIE
BARBAREI. ESOTERIK, (ÖKO-) FASCHISMUS UND BIOZENTRISMUS«, soeben in
einer zweiten Auflage beim Konkret Literatur Verlag erschienen, gibt
umfangreichen Aufschluß und ist aktuelle Kapitalismuskritik als auch
Bestandsaufnahme der allgemeinen gesellschaftlichen Situation zugleich.
Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei.
(Öko-)Faschismus und Biozentrismus, 2. Aufl., konkret literatur verlag:
Hamburg 1996. Erhältlich zum Preis von DM 28,- oder auszuleihen im
Infoladen im Conne Island. |
Zur Person Jutta Ditfurths
Wem Jutta Ditfurth bisher als die Erscheinung einer grünen
Emanze in Erinnerung war, dem dürfte die Lektüre dieses Buches
bzw. ein kurzer Überblick über ihr bisheriges Schaffen Anderes
beweisen. Seit den 70er Jahren politisch aktiv, u.a. in der undogmatischen
Linken, der Anti-AKW-Bewegung, 1979/80 als Mitbegründerin der Grünen,
1991 Austritt und Gründung der Ökologischen Linken, zeichnet sie sich
seit langem als Herausgeberin der Zeitschrift ÖkoLinX aus, dem
inzwischen einzigen bedeutenden Sprachrohr der ökologischen Linken in der
BRD. Ihre langjährige Integration und bisheriger Werdegang in der
Ökoszene sowie ihre Nonkonformität bilden dabei die Sicherheit,
fundiert über den entspannten Weg in die Barbarei zu
berichten, einem Titel, der nach Betrachtung des Inhaltes durchaus nicht mehr abwegig scheint.
Stramme Nazis
Die Grundbeschäftigung des sehr nüchtern verfassten Werkes gilt
einerseits der organisierten Neonaziszene und ihren Bestrebungen, die
ökologische Frage von rechts zu vereinnahmen. Andererseits steht die
Hinwendung ehemals fortschrittlich eingestellter
Umweltschützer zu biologistischen Positionen im Mittelpunkt.
Daß sich VertreterInnen neofaschistischer Gruppierungen schon lange mit
einer Deutung ökologischer Problematik auf völkischer und
rassistischer Ebene beschäftigen, dürfte nicht zuletzt aufgrund der
Rekrutierung nationalsozialistischer Theorien und Eliten aus der
völkisch-mystischen Bewegung des Kaiserreichs und der Weimarer Republik
bekannt sein. Eine richtungsweisende Äußerung in neuerer Zeit geht
auf den inzwischen verstorbenen Naziführer Michael Kühnen
zurück, der 1982 formulierte, daß das Hauptgewicht der
NS-Bewegung in den nächsten Jahren hauptsächlich die
Ausländerfrage sein [wird]. D.h. die Überfremdungsdiskussion... Ich
hoffe langfristig darauf, daß es gelingen wird, die Frage
Umweltzerstörung und Überfremdung in eine einheitliche
systemgegnerische Organisation zu bringen. Die Führer und
Organisationen, auf die sich die neofaschistische Bewegung in Fragen der
Rettung des Geisteserbes des deutschen Volkes derzeitig beziehen
und die sie einen, werden ausführlich beschrieben, sollen hier aber nicht
Gegenstand einer genaueren Betrachtung sein. Für Deutschland sind dies
u.a.: der in neofaschistischen Kreisen äußerst agile und
geschätzte Rechtsanwalt Jürgen Rieger aus Hamburg oder der
Ernährungspapst Dr. med. Max Otto Bruker, ehem.
SA-Mitglied und Inhaber einer marktführenden Bio-Kette, deren Produkte in
nahezu jedem Naturkostladen zu finden sind. Interessanter allerdings sind die
Theorien, die zusammengefaßt als folgende beschrieben werden
können: Der Haß auf die soziale Gleichheit und die Freiheit des Menschen.
Biozentrismus
Alle rechtsökologischen VertreterInnen beziehen sich dabei auf den
Biozentrismus, der mit seinen zahlreichen Bausteinen wie z.B. Bioregionalismus,
Tiefenökologie, Erdbefreiung, Speziezismus und rechtem Veganismus einen
wichtigen Baustein faschistischer Theorie darstellt.(1) Dahinter
verbirgt sich vereinfachend gesagt die Entwertung des Menschen
durch die Gleichsetzung mit der Natur. Der Mensch als sozial handelndes
Wesen wird negiert, denn, so David Ehrenfeld, führender US-Biozentrist:
Existenz ist das einzige Kriterium für den Wert von Teilen
der Natur. Dabei wird schlicht ausgeblendet, daß der Mensch
aufgrund seiner zweiten Natur der Kultur, die sich aus der ersten, der
Biologie, ergibt mit Bewußtsein ausgestattet ist, das ihm
erlaubt, sich auf Distanz zur Natur zu begeben und planvoll auf sie
einzuwirken. Die Verneinung dieser Realität treibt dann auch herausragende
Blüten: Das schlimmste, was wir in Äthopien machen können,
ist zu helfen, das beste wäre, laßt die Natur ihr eigenes
Gleichgewicht finden, laßt die Leute dort einfach sterben... (David
Foreman, Gründer von Earth First USA). Dabei sind dies nicht die einzigen
Lösungsvorschläge zur Rettung der Welt durch
Reduzierung der Überbevölkerung, auch AIDS als
Geißel Gottes und die Atombombe als Erlösung
werden gerne und oft angeführt. Auch im sogenannten Bioregionalismus,
einem anderem Wort für den von extremen Rechten gebrauchten Begriff des
Ethnopluralismus, der besagt, daß Menschen, die an einem Platz
eingeboren sind, ein Erstrecht dort haben... (Peter Berg, USA), treffen
sich die Vorstellungen. In seiner weitergedachten Form bedeutet dies:
Deutschland den Deutschen!, verpackt als verträgliche Parole
für die Nachbarn. Soviel als Auswahl. Auf diese Art und Weise wird ein
völkisch-konservatives Gemisch zusammengebraut, das dem rechten Rand nicht
nur neue gesellschaftliche Erfahrungen und Mobilisierungsthemen liefert,
sondern auch auf offene Ohren bei etablierten Gruppen stößt und so
in gesellschaftliche Normalität einfließt.
Der Weg in den Mainstream und die Aufgabe progressiver Positionen
Mit der besagten Attraktivität und Verschmelzung dieser Positionen in den
gesellschaftlichen Mainstream und vormals fortschrittlicher Strukturen befassen
sich zwei weitere Kapitel. Hier verläuft die Einflußnahme
häufig nach demselben Muster, es gibt zahlreiche inhaltliche
Überschneidungen, die Themen aber sind subtiler. Blühten so z.B. noch
in den 80er Jahren in Esoterik- und Naturkostläden vorwiegend Kitsch und
Dummheit, so ist inzwischen vielerorts (prä-)faschistische Literatur zu
finden. Ein gutes Beispiel für das vergrößerte Spektrum liefert
das übergreifende Engagement unzähliger Gruppierungen zur
Erhaltung der tibetischen Kultur, Religion und Identität
der gesamte Bundestag unterstützte den gleichnamigen Aufruf wo
natürlich auch die PDS und Bündnis 90/Die Grünen nicht fehlen
durften. Dabei ist die Verzückung für das vom verehrten Dalai Lama
geführte feudalistische und patriarchalische System wohl am besten mit dem
mystisch eingefärbten Bild vom unberührten Bergvolk, der
eigenen Zivilisationsfeindlichkeit und immanenten Kommunismushaß zu
erklären. Die historische wie auch aktuelle Unterstützung durch
(neo-)faschistische Kreise z.B., die der tibetanische Lamaismus immer erfahren
hat und erfährt, wird völlig ausgeblendet. Auch für diese Art
der Begeisterung und Zusammenarbeit sind zahlreiche Beispiele aufgeführt;
an dieser Stelle soll aber noch kurz auf die schon besagte Infiltrierung und
Aufgabe ehemals linker Positionen eingegangen werden. Während sich die
ehemals als progressive ökologische Partei angetretenen Grünen
inzwischen vollends zu einer staatstragenden und auf Reformen beschränkten
Kraft entwickelt haben, zieht die Isolierung weitere Kreise. Großen
Zulauf und dabei von einer kritischen linken Öffentlichkeit
weitgehend ignoriert haben in den letzten Jahren VertreterInnen der
sogenannten Erdbefreiungs- und Veganszene erfahren. Teils einer linksradikalen
und autonomen Verortung entstammend, sind auch hier inzwischen
antihumanistische Bestrebungen Programm. Zu nennen wären hier die auf eine
US-Gründung zurückgehende, auch in der BRD aktive Gruppe Earth
First sowie die aus der Hardcore-Straight-Edge Bewegung kommenden
TierschützerInnen, organisiert u.a. in Frontline und Hardline.(2)
(1) Aus Platzgründen kann an dieser Stelle nicht auf alle
Variationen eingegangen werden, sie werden im vorliegenden Buch
ausführlich erklärt und dekonstruiert.
(2) Mit den Theorien der zum Teil militanten Hardcore-AktivistInnen
wird sich ein Beitrag von Kay in einer der nächsten Ausgaben des CEE IEH beschäftigen. |
So sympathisch, so Ditfurth, viele Aktionen [von Earth First]
für sich genommen sind, das Menschenbild ist voller Verachtung.
Propagiert werden u.a. die Philosophie der totalen Ökologie,
einer Wildnis, die zu ihrem eigenem Nutzen existieren soll... oder,
direkter: Das menschliche Leben ist nicht das wichtigste in der Welt. Ein
menschliches Individuum hat nicht mehr immanenten Wert als ein individuelles
Grizzlybär-Leben. Positionen also, die an die strammer
Öko-Nazis errinnern, zumal auch hier, neben einer Dezimierung der
Weltbevölkerung, eine erdnahe Rolle der Frau festgeschrieben
werden soll. Daß dann aber auch eine Auseinandersetzung mit
fortschrittlichen Weltbildern und Faschismus, Rassismus,
Sexismus und Speziezismus vorgegeben wird, wirkt in diesem Zusammenhang
eher als Makulatur und birgt die ernstzunehmende und bereits vollzogene Gefahr
für die undifferenzierte Aufnahme in linksradikalen Strukturen.
Entspannt in die Barbarei?
Nicht zuletzt steht das Buch unter dem Titel Entspannt in die
Barbarei. Neben den ausführlichen Darstellungen der zahlreichen und
doch nicht verschiedenen Organisationen und Gruppierungen gibt Ditfurth auch
die Herleitung dieser in deutscher Tradition stehenden
UmweltschützerInnen. Die Annahme ökofaschistischer
Positionen ergibt sich laut Ditfurth vor allem aus einer jahrhundertealten
soziokulturellen Prägung der Deutschen: so aus den gescheiterten
bürgerlich-demokratischen Revolutionen; dem germanisch-völkischen
Nationalismus; aus Größenwahn und Niederlage im Ersten Weltkrieg,
die nationalistisch umgedeutet wurde; aus dem erneuten Scheitern der Revolution
von 1918/19 und nicht zuletzt aus der Erfahrung des Faschismus und der
Volksgemeinschaft, aus welchen sich die Deutschen nicht selbst befreiten, weil
sie in ihrer überwältigenden Mehrheit beide stützten. Daraus
skizziert sie auch eine neue Gefahr eines im Antlitz gewandelten Faschismus:
Dieser kommt theoretisch ohne Esoterik aus, aber esoterische Ideologie
enthält eine Vielzahl von Elementen, die mit faschistischer Ideologie
kompatibel sind. Esoterik hilft dabei, den Menschen jeden emanzipatorischen
Gedanken auszutreiben. Und als Warnung: Damit die einen mitmachen,
die anderen es dulden und die dritten Opfer werden können, muß
umgedeutet werden, bis das bislang gültige diffuse,
bürgerlich-demokratisch-humanistische Bild vom Menschen vollends
diskreditiert ist. Dieser Prozeß kann nicht einfach
ungeordnet-experimentell laufen. Er wird beispielsweise mit politischen
Repressionen und bald totalitärer Überwachung abgesichert. Hoffen
wir, daß die politische Vorstellungskraft linker Opposition auch für
einen möglichen künftigen Technofaschismus ausreicht und nicht am
äußerlichen Bild historischer Erscheinungsformen des Faschismus
hängenbleibt. Neben der Darstellung der Gefahrensituation einer
neuen (Öko-)Diktatur ist sie auch um die Verteidigung linker
ökologischer Standpunkte und Definitionen bemüht, die nicht
losgelöst von einer linken Kapitalismuskritik und der sozialen Frage
betrachtet werden kann. Denn, wer dies nicht praktiziert, gerät schnell in
Gefahr, Ökologie und Natur zu mystifizieren und sich so
emanzipationsfeindliche und antihumanistische Sichtweisen zu Eigen zu machen.
Allgemeinplatz bei Ditfurth ist natürlich, daß umweltschützende
Maßnahmen gegen den kapitalismusimmanenten Zerstörungsdrang
notwendig sind. Auch wenn hier vorrangig von Gefahrenabwehr die Rede ist
was eben der offensiven Bedrohung geschuldet ist bildet der Schutz der
Natur und damit menschlichen Lebens immer noch den Ausgangspunkt allen Engagements.
Die Hauptaussage Ditfurths ist somit klar: Wenn die Erde zuerst
kommt, sind logischerweise Mord, Massenmord oder sogar Krieg aus
ökologischen Gründen erlaubt. Der nicht mehr selbstverantwortliche
Mensch geführt durch Natur, Götter, Führer oder inneres
Selbst verstärkt die herrschenden Ausbeutungsverhältnisse
und führt letztendlich in die (erneute) Barbarei. Dies sollte dann auch
folgerichtig Anregung geben, sich mit eigenen unbewußten oder
bewußten idealisierten und mystischen Vorstellungen an der Grenze zu
ökofaschstischen Positionen, auseinanderzusetzen und selbige abzulegen.
Denn, die Bilder und Symbole haben überlebt. Schon die
überlagerte Vorstellung vom deutschen Wald oder vom Haus
am See in Mecklenburg und anderswo, gliedert sich ein in das Konzept des
Biozentrismus, welches die Biologisierung aller sozialen Beziehungen des
Menschen durch die Festlegung auf Rasse, Gene und Geschlecht anstrebt. Diese
Vorstellung ist aber [nicht als] nette große Ökogemeinschaft
[zu verstehen], sondern [als] ein aggressiver, germanenmythischer, rasssistischer (Sau!-)Haufen.
Entspannt in die Barbarei? Wir sind näher dran, als wir denken... Philipp |