home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[41][<<][>>]

Einmal Deutschland – und zurück.

Wie ein Taxifahrer aus Zittau zu 18 Monaten Haft verurteilt wurde, weil er drei Jugoslawen von Zittau nach Bautzen beförderte.

Während Innenminister Kanther mit seiner aktuellen Panikmache und Einflußnahme auf die Situation der kurdischen Flüchtlinge in Italien Schlagzeilen macht, finden die Prozesse um die „Zittauer Taxifahrer im Zwielicht“ (LVZ) überregional weniger Beachtung. In dem exemplarischen, Ende Dezember vor dem Görlitzer Landgericht verhandelten Berufungsverfahren wurde der 43jährige Taxichauffeur Bernd Ludwig des „Einschleusens von Ausländern“ bezichtigt und verurteilt, da er im März ’95 drei „illegal“ eingereiste Männer aus Jugoslawien vom Zittauer Marktplatz zum Bautzner Bahnhof fuhr. Wohlgemerkt: Die Beförderung fand auf bundesdeutschem Territorium statt; der 1994 eingeführte Passus des Ausländerrechts allerdings gestattet es, „Beihilfe zu illegaler Einreise und Aufenthalt“ unter Strafe zu stellen. Angezeigt wurde er von einem als „professionellen Schleuser“ aufgeflogenem Kollegen, der inzwischen zum Spitzel der Polizei und Kronzeugen der Anklage avanciert war. Auf die Entgegnung Ludwigs, wonach er erstens nicht gewußt habe, daß es sich bei den Fahrgästen um „Illegale“ handelte und zweitens, daß die Beförderungspflicht ein „Aussortieren“ nicht gestatte, entgegnete der Richter „daß durchaus die Möglichkeit bestanden hätte, durch einen Anruf beim BGS die Personen überprüfen zu lassen“ bzw. daß die im Landkreis gemeldeten AusländerInnen „in der Regel nicht über ein solches Einkommen“ zur Beförderung im Taxi verfügen und damit als potientielle Fahrgäste ausscheiden würden.

bgs-werbung, 6.9k
„Bei Aufnahme der Fahrgäste achten Sie bitte auf das äußere Erscheinungsbild, Kleidungszustand und andere äußere Auffälligkeiten.“

Daß die Verurteilung des Taxifahrers kein Einzelfall ist, zeigen die 22 Ermittlungsverfahren, die derzeit allein im Landkreis Löbau-Zittau laufen. Während einerseits die Gerichte mit hohen Strafmaßen hantieren, ist andererseits auch der BGS entlang der „deutschen Ostgrenze“ in der Offensive.(1) In einem vom Grenzschutzamt Frankfurt/Oder in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer erarbeiteten Aufruf, der auch in sächsische Branchenblätter übernommen wurde, heißt es u.a.: „Bei Aufnahme der Fahrgäste achten Sie bitte auf das äußere Erscheinungsbild, Kleidungszustand und andere äußere Auffälligkeiten.“ Unter Androhung von Konsequenzen wie Geld- und Freiheitsstrafen, Führerschein- und Konzessionsentzug wird der Aufruf zur Denunziation mittels einer dringend empfohlenen „telefonischen Kontaktaufnahme über Code“ gleich mitgeliefert.
Und wie reagieren die TaxifahrerInnen? Wenn es auch nicht gleich Allgemeinplatz ist, daß, selbst wenn „professionell“ geschleust wird, dies als Folge der repressiven Zustände nur legitim ist, so ist es doch wenigstens erfreulich, daß das Ziel dieser Maßnahmen, die FahrerInnen zum Erfüllungsgehilfen der deutschen Flüchtlingspolitik zu machen, im Taxigewerbe auf Kritik und Ablehnung stoßen. Die Genossenschaft „das taxi“ aus Hamburg und Berlin erklärte sich in einer zum Prozeßbeginn veröffentlichten Presseerklärung mit ihren KollegInnen und den Flüchtlingen solidarisch: „Wir weigern uns ausdrücklich, zur Denunziation illegalisierter Menschen beizutragen. Wir lassen uns nicht zu Handlangern einer rassistischen Politik machen!“ Weiter heißt es dort: „Offene Grenzen! Bleiberecht für alle!“ Die Realität allerdings sieht anders aus. Eine solche Identifikation dürfte den – wohl eher nicht im alternativen und linksradikalen Spektrum verorteten – Lausitzer TaxifahrerInnen fern liegen. Auch wenn es zu ablehnenden Äußerungen, wie z.B. der eines Zittauer Chauffeurs „Nix da, wer ein Taxi will, wird mitgenommen. Und damit basta.“ kam, wird die neue Linie des BGS und der Behörden nicht zuletzt aufgrund des abschreckend hohen Urteils bedeuten: Nichtdeutsche bekommen im Grenzgebiet keine Taxe mehr. Philipp

(1) Als umfangreicher Überblick zur Situation an der deutsch-polnischen/tschechischen Grenze sei an dieser Stelle der Reader zur antirassistischen Fahrradtour vom Sommer ’95, Der BGS und die deutsche Ostgrenze empfohlen, der im Infoladen zum Preis von DM 5,- erhältlich ist.



home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[41][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007