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Dabei bleibt nur, wem es gelingt, zu den Zwängen seiner bürgerlichen Existenz kritische Distanz zu wahren. (Hermann L.Gremliza, konkret-Herausgeber, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung) |
Die Schamgrenze des guten Geschmacks entpuppt sich immer
dann als gar nicht notwendig, wenn das Kalkül der öffentlichen
Präsenz sowieso alles erlaubt, was andere erst ein bißchen
später merken. So oder ähnlich funktioniert das Magazin
für Popkultur namens Spex seit etlichen Jahren. In
völliger Harmonie mit einer Leserschaft, die mit hechelnder Zunge nicht
etwa schlauer sein will als die Masse, sondern nur eher pseudo-wissend
verdummen, verkommt das Magazin zum Forum des atomisierten Paradigmenwechsels.
Darauf bilden sich die Redakteure des Blattes super viel ein. Und das lesende
Publikum bekommt regelmäßig allmonatlich einen
Spex taugt somit weniger zum karrieristischen Durchlauferhitzer, als vielmehr zur dauerbrennenden Betriebsanleitung für Leute, die was werden wollen. Daß das dann nur bedingt klappt, liegt nicht zuletzt an der horizontalen Beschränktheit der Themeneinfalt. Gerade deshalb aber geht das Fach-Blatt kräftig bei der Industrie hausieren. Das gehört bei Spex zum guten Ton im wahrsten Sinne des Wortes. Der inzwischen wirklich gefährlich-lächerliche Anschein von Unabhängigkeit, den die Klappsköpfe von Schpex immer noch vorgaukeln, entlarvte sich erst jüngst selbst. Die neuesten Anzeigentarife nebst Selbstdarstellung flatterten in die Büroetagen der Musikbonzen wo insbesondere Spex immer gern gelesen wird. Folgerichtig heißt es dann auch im Bettelbrief: Viele, die als Schüler oder Studenten schon die legendären, großformatigen Schwarzweiß-Nummern gelesen haben, sitzen heute an exponierten Stellen in der Musik- und Medienindustrie, vergeben Etats, erfinden Kampagnen ... und lesen natürlich immer noch Spex die einzig ernstzunehmende Instanz in Sachen Popkultur. Gelandet sind sie also dort, wo sie immer schon hin wollten. Interessant ist aber, daß man dies als Spex-Neueinsteiger niemals wollen dürfen darf, weil es sonst nicht funktioniert. Vielmehr muß der Erwerb der allerneuesten Platte als Kampf gegen das System verstanden werden darunter macht mans nicht. So erst prägt sich jene Authentizität löffelweise aus, die dann als Zertifikat das Wedeln mit dem Spex-Abo ihr eigen nennt. Nicht die Stillung von Bedürfnissen, sondern die Weckung neuer. Das ist der substantielle Gehalt des Marktfetischismus, der auch in Zeiten funktioniert, wo die Kultur als Popularisierung von Ideologieversatzstücken tatsächlich den Mainstream der Minderheiten allenthalben proklamiert. Dafür prägt Spex eine devote Haltung aus, die in der jüngsten Selbstdarstellung unverhohlen eingestanden wird: Spex-Leser gehen mit großer Bewußtheit durchs Leben: für ihre Ziele, ihre Haltung, ihren Stil. Spex-Leser wollen wissen, wie ES weitergeht wie klingt die neue Musik, wie geht die neueste Theorie, wie sitzt der neueste Turnschuh? Gut gewappnet zieht der Leser also 93 Prozent ... sind männlich, das Durchschnittsalter liegt bei 24 Jahren in den Stellvertreterkrieg gegen das, was man noch gestern selbst verteidigte. So prägt sich der Irrglaube von einem Weltverständnis aus, der tatsächlich nicht mal nur ein Mißverständnis ist. Vielmehr gerät er zur plumpen Propagandashow einer vorgegaukelten heilen Welt. Mit diesem Irrsinn im Gepäck marschiert man schnur-stracks ins Warengesellschaftsparadies: Die Plattenbesprechungen sind Grundlage für den Einkauf sowohl der angesagtesten Händler als auch deren Kundschaft ... Spex leistet so die wichtige Aufbauarbeit, die neue Produkte brauchen, um sich langfristig im komplexen wie schnellebigen Markt der Jugendkulturen behaupten zu können. Wer da behauptet, das Behaupten habe viel mit Hauen und Stechen zu tun, irrt an dem Punkt, wo die Wettbewerbsfähigkeit nur vermeintlich gesucht wird. Bei Spex weicht man der aus, indem das Blatt sich schneller geriert als der Rest. Was dabei abfällt, ist ein modernisierter Kapitalismus, der vor einiger Zeit den Berufszweig des Trendscouts gebar. Dieser Gilde ist, und das macht sie besonders schlimm, die Praxis der Ausbeutung endgültig scheißegal. Sie ist sozusagen das Totengräberinstitut. Jedoch nicht des Kapitalismus, sondern der Menschheit. Danke an Spex dafür. Ralf |