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Die neue Weltgesellschaft outet sich als Furz.

Wenn es das Global Village gibt, dann stinkt es auf seinem Marktplatz erbärmlich. Und es sind nicht nur die Verwesungsdünste von Lady Di inclusive dazugehörigem Floristenmüll, die hier das ihrige beitragen. Auch die gegenwärtige Attraktivität anderer Zombies, vom Oberschäfer Johannes P. d. II bis zu den Christen-Fundis in den Staaten, spricht dafür, daß das Bewußtsein der Massen vielleicht nicht am Ende der Geschichte angekommen, zeitweilig aber in der Klärgrube versunken ist. Von Aufklärung oder gar Umwälzung der Besitz- und Produktionsverhältnisse will dort unten natürlich niemand was wissen.

Die Hälfte der Weltbevölkerung, 2,5 Milliarden Menschen, hatte sich entschieden, der „gruselig frisierten Bohnenstange mit dem devoten Dackelblick“ (G. Henschel) die letzte Ehre zu erweisen. Angesichts jenes Faktums muß man nicht unbedingt an die Wiederkehr einer breit legitimierten Adelsherrschaft glauben, auch wenn die „Medienmadonna“ (Spiegel) vorallem nach ihrem Entschwinden aller Orten als Reinkarnation eines reformierten Monarchismus präsentiert wurde. Völlig verblödet aber muß ein Mensch sein, wenn er in der Trauerhysterie, die einsetzte, nachdem ein Gegenstand mit relativ geringer Konsistenz aber hoher Geschwindigkeit auf einen anderen Gegenstand mit geradezu sturer Festigkeit auftraf, einen „elementaren Widerstand gegen die Entwertung des Menschen durch immer globalere Verwertungsmechanismen“ (Spiegel) vermutet.
natur, 10.4k Doch was sollten die Medien auch machen, als sich ihnen offenbarte, daß ihr Publikum vorhatte die Welt in eine Klappsmühle zu verwandeln. So lange die Anstalt nach den alten Bedingungen funktioniert, und diese versprach darüberhinaus eine noch nie erreichte Profitmaximierung (Auflagensteigerungen bis zu 50%), war man sich keiner Idiotie zu schade. Sie mußten dabei sein, ja den Anschein erwecken, als erste den Geist der Zeit verstanden zu haben und da macht es sich nicht gut, den Betroffenheitstaumel als banale Regression des menschlichen Denkens zu kennzeichnen. Und ganz böse wurde man denen, die es wagten, des Volkes Idol als Konstruktion der Medien zur Befriedigung von Scheinbedürfnissen zu beschreiben (Paul Virilio).
Nein, trotzig beharrten alle Beteiligten auf der Authentizität der Gefühle. Es sollte alles echt sein. Und sicher war es das meiste davon auch, denn so dumm wie die Prinzessin daher und schließlich auch davon kam, und so sentimental wie darauf überall reagiert wurde; läßt sich die Realität, jedenfalls die der Betroffenen, nicht entwirklichen. Ein in dieser Richtung weisender Realismus beeinträchtigt jedoch nachhaltig das Geschäft; die Ratio der nüchtern gebliebenen hat keine Chance gegen die infantile Emotion, wenn diese von der Yellow Press bis zu den Opinion Leadern der Intelligenz geadelt und angeheizt wird.
Die wenigen rational handelnden Akteure des Jahrhundertspektakels, die kurz nach dem fürchterlich entzückendem Hinscheiden der Lady und auch im folgenden Trauertaumel ihren Verstand bewahrten, bekamen dann auch ordentlich eins auf die Mütze. Die Paparazzi, die letzte ehrliche Bastion des Journalismus, bezichtigte man des Voyeurismus, nicht ohne die Preise für deren Arbeit in die Höhe zu treiben. Ein paar allerdings landeten im Knast und deren Unverständnis ob solcher scheinheiligen Nichtanerkenntnis ihres Berufszweiges war nun ebenfalls echt, was aber nicht zu höherem Ansehen ihres Standes führte. Der britische Observer kam mit Mühe und Not um eine breite Boykottbewegung herum, hatte er doch die Pietätlosigkeit gewagt, das Notwendige über die geistigen Fähigkeiten der Frau zu offenbaren, „deren einzigstes Verdienst es gewesen ist, ein paar Fototermine auf Wohltätigkeitsveranstaltungen gelegt zu haben“ (R. Wieland): Zwar würden ihre Worte immer wie philosophische Weissagungen behandelt, wäre ihr Intelligenzquotient aber nur fünf Punkte niedriger gewesen, hätte die Prinzessin täglich gegossen werden müssen.
Der Frevel gegenüber der Hofschranze war aber die Ausnahme, wer beschmutzt schon gerne einen Bestandteil des Gefüges, indem man selber eine Institution darstellt. Hier muß anders verfahren werden, hier braucht auch noch die schrecklichste Banalität, die soziale Verhältnisse zum Märchentraum verklärt, ein bittersüßes Sahnehäubchen.
Also wird ein bißchen umgemodelt und dann sind die Kritiker die Traumtänzer, Dianas Welt aber tiefste Wirklichkeit und also „ist auch die Trauer um sie eine reale“ – was leider stimmt. Aber vor allem ist es „eine Trauer aus guten Gründen“ (FAZ). Und bei der Suche nach denselben wetteiferten die Medien und ihr Volk um den bescheuertesten Einfall. Im Allgemeinen einigte man sich dann darauf, daß „die archaische Macht der einfachsten Gefühle wie Trauer, Liebe, Mitleid, Verehrung, ungebrochen“ (Spiegel) wirksam sind. Das Ergebnis der neuen Emotionalität ist dann die Ausrufung der „Gemütsgemeinschaft“ (Spiegel) oder „Gefühlsgemeinschaft“ (ein Soziologe in der FAZ), die nicht nur die Analyse sozialer Ungleichheit verleugnet, sondern auch gegenüber dem Paradigma der Aufklärung eine Kampfansage darstellt.
natur, 17.6k Zurück ins Mittelalter, so scheint der politisch-geistige Weg beschrieben zu sein, den die massenhysterischen Irrationalisten beschreiten wollen. Als Vorreiter unter mehreren könnte sich dabei auch eine Clique erweisen, die in ihrem Denken noch gar nicht in der Moderne angekommen war. Dem Papst und seinen Jüngern könnte jedenfalls ein steiniger und langwieriger Rückweg erspart bleiben. Daß mittlerweile aber relevante Menschenmengen der westlichen Zivilisation zurück in den Schoß der Kirche wollen; wer hätte das gedacht nach 40 Jahren Rock‘n’Roll. Dem 77jährigen Oberopi bereitet es heute nicht die geringsten Probleme, hunderttausende Jugendliche zum Märtyrium in sommerlicher Hitze zu seinen Füßen zu versammeln.
Zum Abschlußgottesdienst der „katholischen Weltjugendtage“ pilgerten diesen August gar eine Millionen Menschen, um im Schatten des Eifelturms das Gezetere gegen „hedonistische Mentalität, Ehrgeiz und Egoismus“ und die Propaganda für die patriarchalische Ehe und Familie zu beklatschen.
Es sieht nicht gut aus für verbissene Atheisten, hier nicht und auf den anderen Kontinenten ebensowenig. In Brasilien strömten die Gläubigen diesen Sommer ebenfalls zuhauf in die Arenen der Weltkirche, die sich angesichts solcher Zustimmung wieder anmaßt, um die Meinungsführerschaft innerhalb des Ideenwettbewerbs zu ringen. Und auch in Nordamerika zählt man die Anhänger des religiösen Fundamentalismus in Millionen.
Folgten die schwarzen Männer vor einigen Monaten den antisemitischen Parolen des Predigers des Islam, Louis Farrakhan, während des Million Man Marches, so versammelten sich unlängst die weißen Männer (700000) unter Anleitung der Promise Keepers, ein evangelikaler Verbund, um den Verfall der Moral und althergebrachten Werte zu beklagen.
Noch muß ein Mensch mit rationaler Weltsicht nicht befürchten, demnächst in den Folterkellern irgendwelcher Spiritualisten oder religiöser Fundis der heliozentrischen Lehre abzuschwören. Allerdings verabschieden sich die Sternstunden der Emanzipation im selben Tempo wie die religiös-konservativen Think Tanks an Einfluß und Massenbasis gewinnen. Die Voraussetzung für die Befreiung des Menschen ist die Fähigkeit des Menschen, die Verhälnisse in denen er lebt, analysieren zu können. Mit dem Glauben an Gott und andere höhere Wesen wird genau jener erste Schritt negiert und übrig bleiben die Anschaungen von einer naturgesetzlichen Ordnung mit ihrer impliziten Rechtfertigung von Eliten, Ausbeutung, Rassismus und Patriarchat.
Der Backlash, der von den Massen und ihren Medien so traurig-freudig-kämpferisch umjubelt wird, ist ein Schlag gegen zweihundert Jahre aufklärerische Philosophie. Die Denker der französischen rationalistischen Schule, die einst mit iherer Enzyklopädie das Prinzip „Aufklärung“ gegen die Form „Autorität“ setzten, die sich strikt gegen Gefühle und Emotionen religiöser Natur und gegen die Liebe zum König, zum Fürsten, zu den politischen Institutionen und Traditionen wendeten, sollen in einer Art politischer Spätlese auf den Müllhaufen der Ideengeschichte verfrachtet werden. Dort können sie sich dann mit Marx und seinen Genossen, die dort schon ein paar Jahre mehr rumdümpeln, gegenseitig gute Nacht sagen. Dem Spiegel fällt auch dieser Abschied vom klugen Denken nicht schwer. Selbstbewußt setzt sich das Vorzeigeblatt des Bildungsbürgers bei diesem schwerwiegendem Schritt in Pose: „Wenn das eine Art von schwerer Geisteskriminalität sein soll, ein Hereinfallen auf Talmi-Glanz, ein Rückfall ins Mittelalter - dann zum Teufel mit den Aufklärern.“
Und so erweisen sich das Regime des Sentiments und die Erweckung durch die Religion (respektive Esoterik und Spiritualismus) als die zwei Seiten der selben Medaille, mit der sich die Gewinner der Systemauseinandersetzung zu allem Überfluß jetzt auch noch schmücken wollen.
Am Ende muß die verbliebene Linke noch die liberale geistige Tradition des Kapitalismus gegen Propheten und Scharlatane verteidigen. Vielleicht mit Immanuel Kant und seiner Erkenntnis vom Geistersehen als Produkt hypochondrischer (eingebildeter) Winde (remember „candel in the ...“): „Gehen sie nach unten los, so ergibt sich ein Furz, gehen sie nach oben los, so sieht man eine Erscheinung.“ Vielleicht mit Toxoplasma: „Millionen Fliegen fressen Scheiße und sie können sich nicht irren, Millionen Fliegen fressen Scheiße denn siehaben kein Gehirn.“ Et cetera, et cetera. ulle

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last modified: 28.3.2007