Es ist ziemlich genau zehn Jahre her, als in der britischen Hardcore-Szene eine neue Musik
entstand. Die Fusion zwischen extrem schnellem Grindcore mit seiner anarchistischen Attitüde
und dem oft nicht weniger temporeichen, jedoch sehr viel düsteren Death Metal mit seinen
inhaltlichen Bezügen zu Splatter, Tod und Teufel, führte zu einem Ergebnis auf das sich
in vielen Fällen Metaller und Coreler einigen konnten. Zur Institution, ja Definition jener
Novelty Sounds wurde und wird auch heute noch - nachdem der Stillstand auch in diesem
Musikbereich dem anfänglichen Innovationsschub folgte - Napalm Death erklärt.
Sie wurden einst als schnellste Band der Welt gehandelt
und der dieser Art oft kolportierte sensationelle Anschein trug nicht wenig zu ihrem Erfolg bei.
Napalm Death waren schneller groß als gedacht glaubten doch auch
die fanatischsten Liebhaber eine an sich nicht goutierbare Musik zu hören.
Doch auch ihr Weg führte von der Peel-Session über das britische NME
in alle anderen renomierten Popmagazine, auch in die Spex und natürlich in
den Rock Hard etc. (und somit sukkzessive zu einer breiteren
Käuferschicht). Und trotzdem läßt sich der Erfolg der Band
gerade in der Metal-Szene am Ende nur als verzerrte und beschränkte
Wahrnehmung verstehen. Selbiges gilt für eine ganze Reihe von
Grindcore-Legenden, die im Sog von Napalm Death auch noch im letzten deutschen
Kuhdorf rezipiert wurden, sich zwar oft auch über musikalische Anleihen
hinaus an Metalbands orientierten, immer aber aus einem politischen
Anarcho-Indie-Kontext heraus agierten. Im Spex feierte man die angebliche
Verbindung aus der proletarischen, oft hoffnunglosen, eskapistischen und
zuweilen reaktionären Erfahrung des Metals und dessen Radikalisierung im
Laufe der letzten Jahre mit der kleinbürgerlichen, ökologischen,
feministischen, linken Erfahrung des fortgeschrittensten, britischen Hardcore
anarchovegetarischer Prägung in der siebten bis neunten Generation.
Euphorisch analysierte der Autor, Diedrich Diederichsen, damals (1989) einen
neuen Ort/Stil/Punkt (...,) von wo aus (...) die Herrschaft der Vernunft
auf die krassest denkbare Weise attackiert werden könnte und sah aus
der zugespitzten Grindcore/Death-Metal-Entwicklung den wichtigsten Wert
jeder heutigen Jugend Unversöhnlichkeit
aufs neue entstehen. Zwei Jahre später standen in Deutschland neben
Faschoglatzen und Rassisten ohne besondere Kennzeichen auch auffallend viele
Metaller vor brennenden Flüchtlingsheimen und als unversöhnlich
erwies sich in dieser Zeit nur ihr Rassismus. Bands wie Carcass, Electro
Hippies, Terrorizer, ja selbst Sore Throat, alle mit eindeutig linker
Attitüde und linkem Backround konnten auch in diesen Kreisen ohne weitere
Identifikationsprobleme weiter gemocht werden. Und auch Napalm Deaths
Coverversion von Nazi Punks Fuck Off ließ die Band
keinesfalls für rechte Jugendliche mit Vorliebe für harte, schnelle
Musik ungenießbar werden. Daß die Band mit der
Morrisound-Produktion von Harmony-Corruption (1990) mehr in
Richtung Death Metal tendierte, damit für eine Szene relevanter wurde, die
statt eindeutiger politischer Codierung sowieso esoterisches Gedankengut bis
hin zur faschistoiden Provokation verbreitete und es das Metal-Magazin
Rock Hard hierzulande immer sehr erfolgreich schaffte, den Kontext
von Bands und ihrer Musik auf oberflächliche Stil-Fragen zu reduzieren,
mag ein Teil der Erklärung sein. Generell jedoch verloren Bedeutungen und
Symbole der Jugendkultur im Schein der Flammen von Rostock-Lichtenhagen ihren
bis dahin quasi-automatisch attestierten Hauch von Dissidenz und
Subversivität. Der mit dem Ich bin stolz Deutscher zu
sein-Aufnäher geschmückte Metal-Fan, der bei den
Reaktionskonzerten Einlaß begehrt einer Konzertreihe, die von
Leipziger Anarchos organisiert wurde und die mit ihren Veranstaltungsflyern,
ihren vor den Konzerten stattfindenden Ansprachen, der Auswahl der Bands usw.
von schon fast übercodiert links wirkte war da nur ein
weiteres Mosaiksteinchen in den unzähligen Beobachtungen, die den
Zusammenbruch aller Ideen von Rebellion und Dissidenz, so wie sie in
Jugendkulturen aufgehoben waren (Diederichsen, 1993) signalisierten.
Während sich in der Wahrnehmung und Bedeutung von Musikstilen allerhand
änderte, blieb bei Napalm Death eher alles beim alten. Abgesehen von
innovativen Projekten (Carcass, Scorn, Godflesh), die von ehemaligen
Bandmitgliedern mitgetragen wurden, passierte da nicht mehr viel
aufsehenerregendes. Sie verblieben bei ihrem alten und ersten Label
Earache und ihren explizit politischen Texten, sie
veröffentlichten Platten, die die Gratwanderung zwischen Death-Metal und
Grindcore, wie sie ihn mit ihren ersten LPs (Scum, 1987/ From Enslavement to
Obliteration, 1988) prägten. Sie sind die Legende, die es versäumt
hat abzutreten und sich deswegen praktischerweise ein Revival erspart. Ihre
Epigonen tingeln heute noch durch die letzten autonomen Jugendzentren.
Die linke Utopie, die auch von ihnen so energisch transportiert wird, ist schon
lange dem Mainstream der Minderheiten und hierzulande besonders den
Nazis zum Opfer gefallen. Das Original verteidigt seinen Ruf, obwohl es das
schon lange nicht mehr müßte, bei uns. ulle |