Sampling
- Sampling ist eine digitale Audiotechnik, die durch die Entwicklung der
Computertechnologie möglich wurde. Ein Signal, das analog in elektrische
Spannung umgeformt wird, transformiert der Sampler in digitale Informationen.
Auch die Rückübersetzung der digitalen Informationen in Schall
erfolgt über einen elektronischen Umweg, den Lautsprecher. Der Vorteil
digitaler Signalspeicherung besteht darin, das man die Informationen ohne
jegliche Qualitätsverluste wie Verzerrung oder Rauschen unbegrenzt
kopieren kann. Das Gespeicherte beansprucht außerdem wenig Raum und kann
problemlos weiterverarbeitet werden. Bei der Umsetzung analoger Signale in
digitale Informationen wird das Signal in regelmäßigen
Abständen abgetastet. Solche Proben des Signales nennt man Sample.
Die Firma Streetly Electronics brachte 1965 das erste Model, des Mellotron den
Mark 2, auf den Markt. Der Name des melancholisch klingenden
Ur-Samples ist eine Mischung der Begriffe Melo(dy) und (Elec)tron(ics). Aber
auch die Tonart Moll schwingt im Namen mit und bestätigt sich im
schwermütigen Klang der Maschine, der durch die unregelmäßigen
Schwankungen beim Abspielen der integrierten Tonbänder erzeugt wird. Das
Mellotron ist ein orgelähnliches Instrument, jeder Taste ist ein
bespieltes Tonband zugeordnet. Wird das Band mit dem Klang von Streichern
bespielt und drückt man eine Taste, dann erklingen echte Streicher, bis das Band zu Ende ist.
Mit der Frankfurter Musikmesse von 1982 endete die Erfolgsstory des analogen
Samplers Mellotron. An Präsentationständen aus Übersee waren die
ersten Sample-Keyboards zu bewundern, auf denen auch einige für das
Mellotron charakteristische Klänge gespeichert waren. Den Sampler gab es
also schon Anfang der Achtziger, nur war sein hervorstechendes Merkmal
zunächst der Preis. So kosteten die ersten Geräte mit besseren
Wandlern über 100.000 Mark. Trotzdem hinderte das die Produzenten nicht, sich solche Geräte anzuschaffen.
Wenn wir eine Sache mit der Hand berühren, möchten wir, daß
ein Ton herauskommt. Berührst du eine Taste am Sampler, werden 50 Noten
verschiedene Rhythmen zugeordnet. Das kommt nicht vom Herzen. (Steve,
»Revolutionary Dub Warriors«)
Die Leute haben immer Schwierigkeiten mit Samples und vergleichen sie mit
Live Musik. Ich finde nicht, daß Samples Musiker ersetzen
können. Sampling ist eine Alternative. Es ist einfach ein anderer Weg Musik zu machen.
(Amon Tobin, »Ninja Tune«) |
Als man die Maschine, von der man erwartet hatte, sie könne alle
hörbaren Klänge zur Verfügung stellen, zum erstenmal
ausprobierte, war das Entsetzen groß. Dem Sampler standen acht
Aufzeichnungen zu je einer Sekunde zur Verfügung (durch die technische
Hochrüstung des Samplers ist es jetzt möglich, Teile von bis zu einer
Minute und mehr in Stereo aufzunehmen). Wollte man die Aufzeichnungen
verlängern, war dies nur unter gleichzeitigem Verzicht auf
Höhenanteile möglich, was dann dumpf und muffig klang. Den ersten
großen Hit mit Hilfe der Maschine konnte die Gruppe Yes mit dem Song
»Owner of A Lonely Heart« landen. Dort ersetzte der Sampler ein
ganzes Orchester, und diese Anwendungsform sollte den Studios später so manche Ausgaben ersparen.
Die Frage »Woher nehmen, wenn nicht stehlen?« hat sich durch die
Einführung des Samplers nun endlich erübrigt, und je mehr diese
Geräte in die Produktionsstätten und Low-Fi Studios Einzug hält,
um so mehr man auf Flohmärkten die Platten der Nachspielcombo Stars auf
unter eine Mark handeln kann, desto seltener werden alte Begriffe wie
Autorenschaft, Handwerk und permanente Übung.-
Sampling hat als Arbeitsweise alle im Pop-Bereich tätigen Musiker mehr als
nur beeinflußt. Denn mag mit konventioneller Studiotechnik auch vieles
möglich sein einen Drumloop und die ihm verbundene
Produktionsmethoden hätte es ohne Sampler nie gegeben.
In Zeiten, in denen ein Sampler kaum mehr als ein Fernseher kostet und auch der
dazugehörige Speicherplatz immer bezahlbarer wird, bieten gerade Loops
auch den Nichtvirtuosen die Möglichkeit, ihre musikalischen Ideen mit
angemessenem Zeitaufwand zu verwirklichen. Das Loop als musikalisch sinnvoller
Ausschnitt einer Musikstrecke sorgt, im Kreis gespielt, für das passende
rhythmische Fundament, auf dem sich der musikalische Kontext aufbauen
läßt, außerdem verhilft es dem Stück zu einer Art inneren
Ruhe und Konstanz, die es dem Arrangeur ermöglicht, auch nervöse und
komplizierte Teile unterzubringen, ohne das eine hektische oder unangenehme
Stimmung erzeugt wird. Mit dem Vordringen der Sampler in den Produktionsalltag
verschwand zunehmend die Trennlinie zwischen handgemachter und programmierter
Musik, da von Menschen eingespielte Fragmente, eben Loops, unter Beibehaltung
ihres Feelings und ihrer Emotionalität wie programmierte Sequenzen
gekürzt, verlängert, mit Fills versehen oder im Tempo manipuliert
werden konnten. Auch der Komfort, der bei dieser Arbeitsweise entsteht, hat
sich schnell herumgesprochen was nicht ohne Folgen blieb: inzwischen
übernehmen Sampler und Sequenzer bei immer mehr Produktionen die Aufgabe,
für das rhythmische Grundgerüst zu sorgen. Die vielen Loop
Sample CDs, die der Markt zu bieten hat, stellen für fast alle
Stilrichtungen Samplerfutter in vielfach hoher Qualität bereit. Mit
wenigen Handgriffen kann sich jeder die weltbesten Musiker in sein Zimmer
holen. Im Gegensatz zu den Musikern dieser Welt spielt der Sampler seinen
Groove, wenn es sein muß, auch stundenlang ohne Murren oder die geringste Timingschwankung.
Sampling kann also als Chance gesehen werden, aus einem unerschöpflichen
Pool an kulturellen Erzeugnissen, Werbematerial, gespeicherten Ereignissen,
geldgierigen Utopien und allem anderen übriggebliebenen und
unübersehenen Mist etwas Neues zu formen, dessen kombinatorischer Stil in
seiner Anbindung an die Gegenwart und Vergangenheit auch bei nachlässiger
Produktionsweise dich von heute auf morgen mit cleverem Marketing zum Superstar machen kann.
zusammengestellt aus: - Testcard drei
- Keys 3/96
- Buzz 2/97
- Die Beute/Sommer 97
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