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Anknüpfend an den im September-CEE IEH erschienenen Beitrag über Coverversionen folgt hier der zweite Teil.

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Der Ton macht die Musik. II

Woher nehmen wenn nicht stehlen oder
zurück gespult und nach vorn geworfen

Von R.O.L.I.

Sampling

tja, 4.4k
Sampling ist eine digitale Audiotechnik, die durch die Entwicklung der Computertechnologie möglich wurde. Ein Signal, das analog in elektrische Spannung umgeformt wird, transformiert der Sampler in digitale Informationen. Auch die Rückübersetzung der digitalen Informationen in Schall erfolgt über einen elektronischen Umweg, den Lautsprecher. Der Vorteil digitaler Signalspeicherung besteht darin, das man die Informationen ohne jegliche Qualitätsverluste wie Verzerrung oder Rauschen unbegrenzt kopieren kann. Das Gespeicherte beansprucht außerdem wenig Raum und kann problemlos weiterverarbeitet werden. Bei der Umsetzung analoger Signale in digitale Informationen wird das Signal in regelmäßigen Abständen abgetastet. Solche Proben des Signales nennt man Sample.

Die Firma Streetly Electronics brachte 1965 das erste Model, des Mellotron den „Mark 2“, auf den Markt. Der Name des melancholisch klingenden Ur-Samples ist eine Mischung der Begriffe Melo(dy) und (Elec)tron(ics). Aber auch die Tonart Moll schwingt im Namen mit und bestätigt sich im schwermütigen Klang der Maschine, der durch die unregelmäßigen Schwankungen beim Abspielen der integrierten Tonbänder erzeugt wird. Das Mellotron ist ein orgelähnliches Instrument, jeder Taste ist ein bespieltes Tonband zugeordnet. Wird das Band mit dem Klang von Streichern bespielt und drückt man eine Taste, dann erklingen echte Streicher, bis das Band zu Ende ist.
Mit der Frankfurter Musikmesse von 1982 endete die Erfolgsstory des analogen Samplers Mellotron. An Präsentationständen aus Übersee waren die ersten Sample-Keyboards zu bewundern, auf denen auch einige für das Mellotron charakteristische Klänge gespeichert waren. Den Sampler gab es also schon Anfang der Achtziger, nur war sein hervorstechendes Merkmal zunächst der Preis. So kosteten die ersten Geräte mit besseren Wandlern über 100.000 Mark. Trotzdem hinderte das die Produzenten nicht, sich solche Geräte anzuschaffen.
„Wenn wir eine Sache mit der Hand berühren, möchten wir, daß ein Ton herauskommt. Berührst du eine Taste am Sampler, werden 50 Noten verschiedene Rhythmen zugeordnet. Das kommt nicht vom Herzen.“
(Steve, »Revolutionary Dub Warriors«)
„Die Leute haben immer Schwierigkeiten mit Samples und vergleichen sie mit Live – Musik. Ich finde nicht, daß Samples Musiker ersetzen können. Sampling ist eine Alternative. Es ist einfach ein anderer Weg Musik zu machen.“
(Amon Tobin, »Ninja Tune«)
Als man die Maschine, von der man erwartet hatte, sie könne alle hörbaren Klänge zur Verfügung stellen, zum erstenmal ausprobierte, war das Entsetzen groß. Dem Sampler standen acht Aufzeichnungen zu je einer Sekunde zur Verfügung (durch die technische Hochrüstung des Samplers ist es jetzt möglich, Teile von bis zu einer Minute und mehr in Stereo aufzunehmen). Wollte man die Aufzeichnungen verlängern, war dies nur unter gleichzeitigem Verzicht auf Höhenanteile möglich, was dann dumpf und muffig klang. Den ersten großen Hit mit Hilfe der Maschine konnte die Gruppe Yes mit dem Song »Owner of A Lonely Heart« landen. Dort ersetzte der Sampler ein ganzes Orchester, und diese Anwendungsform sollte den Studios später so manche Ausgaben ersparen.
Die Frage »Woher nehmen, wenn nicht stehlen?« hat sich durch die Einführung des Samplers nun endlich erübrigt, und je mehr diese Geräte in die Produktionsstätten und Low-Fi Studios Einzug hält, um so mehr man auf Flohmärkten die Platten der Nachspielcombo Stars auf unter eine Mark handeln kann, desto seltener werden alte Begriffe wie Autorenschaft, Handwerk und permanente Übung.

Sampling hat als Arbeitsweise alle im Pop-Bereich tätigen Musiker mehr als nur beeinflußt. Denn mag mit konventioneller Studiotechnik auch vieles möglich sein – einen Drumloop und die ihm verbundene Produktionsmethoden hätte es ohne Sampler nie gegeben.

In Zeiten, in denen ein Sampler kaum mehr als ein Fernseher kostet und auch der dazugehörige Speicherplatz immer bezahlbarer wird, bieten gerade Loops auch den Nichtvirtuosen die Möglichkeit, ihre musikalischen Ideen mit angemessenem Zeitaufwand zu verwirklichen. Das Loop als musikalisch sinnvoller Ausschnitt einer Musikstrecke sorgt, im Kreis gespielt, für das passende rhythmische Fundament, auf dem sich der musikalische Kontext aufbauen läßt, außerdem verhilft es dem Stück zu einer Art inneren Ruhe und Konstanz, die es dem Arrangeur ermöglicht, auch nervöse und komplizierte Teile unterzubringen, ohne das eine hektische oder unangenehme Stimmung erzeugt wird. Mit dem Vordringen der Sampler in den Produktionsalltag verschwand zunehmend die Trennlinie zwischen handgemachter und programmierter Musik, da von Menschen eingespielte Fragmente, eben Loops, unter Beibehaltung ihres Feelings und ihrer Emotionalität wie programmierte Sequenzen gekürzt, verlängert, mit Fills versehen oder im Tempo manipuliert werden konnten. Auch der Komfort, der bei dieser Arbeitsweise entsteht, hat sich schnell herumgesprochen – was nicht ohne Folgen blieb: inzwischen übernehmen Sampler und Sequenzer bei immer mehr Produktionen die Aufgabe, für das rhythmische Grundgerüst zu sorgen. Die vielen Loop – Sample CD’s, die der Markt zu bieten hat, stellen für fast alle Stilrichtungen Samplerfutter in vielfach hoher Qualität bereit. Mit wenigen Handgriffen kann sich jeder die weltbesten Musiker in sein Zimmer holen. Im Gegensatz zu den Musikern dieser Welt spielt der Sampler seinen Groove, wenn es sein muß, auch stundenlang ohne Murren oder die geringste Timingschwankung.
Sampling kann also als Chance gesehen werden, aus einem unerschöpflichen Pool an kulturellen Erzeugnissen, Werbematerial, gespeicherten Ereignissen, geldgierigen Utopien und allem anderen übriggebliebenen und unübersehenen Mist etwas Neues zu formen, dessen kombinatorischer Stil in seiner Anbindung an die Gegenwart und Vergangenheit auch bei nachlässiger Produktionsweise dich von heute auf morgen mit cleverem Marketing zum Superstar machen kann.

zusammengestellt aus:

  • Testcard drei
  • Keys 3/96
  • Buzz 2/97
  • Die Beute/Sommer ‘97


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last modified: 28.3.2007