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Prozeßbeginn gegen die Mörder von Achmed Bachir.

„Bei der öffentlichen Verurteilung solcher Verbrechen muß deutlich gemacht werden, daß es sich nicht um gewalttätige Streitereien zwischen Ausländern und Deutschen handelt, sondern um fremdenfeindliche Angriffe rechter, deutscher Jugendlicher.“ Kahina, Nov ‘96

rassismus toetet, 11.2k Am 29. September ‘97 beginnt vor dem Landgericht Leipzig der Prozeß gegen Norman E. und Daniel Z. aus Leipzig. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen gemeinschaftlich begangenen Mord vor. Beide, damals 18 bzw. 20 Jahre alt (was die Anwendung von Jugendstrafrecht zur Folge haben kann), stürmten am 23.10.’96 in einen Gemüseladen in der Südvorstadt, randalierten und beschimpften die zwei Verkäuferinnen mit rassistischen Ausdrücken. Achmed Bachir, der im Geschäft aushalf, ging beschwichtigend dazwischen. Er verließ mit den beiden Jugendlichen den Laden und wurde kurz darauf von einem der beiden mit einem Messer niedergestochen. Der Syrer verstarb noch am Tatort.
Die Betroffenheit der Bevölkerung, die Bestürzung der Medien über diesen ungeheuerlichen „Einzelfall“ war groß. Kerzen, Blumen, Schweigemarsch, die LVZ läßt erschütterte Bürger zu Wort kommen, die Burschenschaft Plessaria („Unsere Kultur mag zwar nationalistisch sein, aber auf keinen Fal nationalsozialitisch. ... Außerdem sollte man männlich, deutsch, nicht vorbestraft und kein Kriegsdientverweigerer sein.“) richtete ein Spendenkonto ein, die Stadt Leipzig übernimmt die Überführungskosten nach Damaskus für den Leichnam von Achmed Bachir.
Und, was auszuführen heutzutage fast überflüssig erscheint, aus „irgendeinem ausländerfeindlichen Ausdruck“ könne man noch nicht auf eine ausländerfeindliche Grundhaltung der Täter schließen, erklären Polizeidirektion und Staatsanwaltschaft. Als „außergewöhnliches Vorkommnis“ stuft Leipzigs Ausländerbeauftragter Gugutschkow den Mord ein, die in „Antifa-Kreisen“ behauptete Zunahme von Gewalttaten gegen Ausländer in Leipzig könne er nicht bestätigen. Die LVZ setzt noch einen drauf und wirft all jenen, die auf den alltäglichen Rasissmus in Deutschland und die Praxis der Behörden, regelmäßige rassistische Übergriffe als zusammenhanglose Einzelfälle darzustellen, hinweisen, vor, neue Gewalt zu säen.
Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist auch ein Urteil des Amtsgerichtes Leipzig Ende Oktober ’96. Das Gericht konnte bei 8 Jugendlichen, die mehrere portugiesische Gastarbeiter zusammenschlugen und in deren Unterkunft randalierten, keine rechtsorientierte Gesinnung erkennen. Tatmotiv: Langeweile. Urteil: Bewährung.
Das, wenn auch ehrlich gemeinte Betroffenheit solche Taten nicht verhindert, wenn eine persönliche und öffentliche Auseinandersetzung mit rassistischen Normalzuständen nicht stattfindet, zeigt die Situation fast ein Jahr später.
Als Anfang August in Freiberg Bürger einen Aufruf zur Demonstration gegen die sich in der Stadt mehrenden Überfälle auf MigrantInnen folgen, werden kurz darauf in unmittelbarer Nähe erneut Ausländer von Rechtsradikalen zusammengeschlagen. Die „selbsternannten Gerechtigkeitskomitees und Antifa-Initiativen“ (LVZ) scheinen recht behalten zu haben. Meldungen in der Tagespresse über Angriffe auf Ausländerinnen sind Normalität geworden. Aber ob MigrantInnen verletzt, Flüchtlingswohnheime bzw. von Ausländern bewohnte Häuser angesteckt werden, Kirchen brennen, die Asyl gewähren – ein rassistischer, gar rechtsextremistischer Hintergrund wird von Ermittlungsbehörden und Gerichten in aller Regel negiert. Tatmotive wie jugendliche Rivalitäten, Frust, ob der eigenen sozialen Situation und Entschuldigungsgründe wie Alkoholkonsum eignen sich da erheblich besser, um rassistische Verhaltens- und Denkweisen der Täter nicht thematisieren zu müssen, die sich ebenso bei der asylgesetzgebenden Gewalt, den ausführenden Behörden und am Wahlkampfstamm- und Küchentisch finden lassen.
Im Fall des Mordes an Achmed Bachir taucht das Wort Alkohol bisher nirgends auf. Zum aktuellen Ermittlungsstand äußerte sich die Staatsanwaltschaft noch nicht. Eine diesbezügliche Presseerklärung ist erst 1-2 Tage vor Prozeßbeginn zu erwarten.
Die Täter sind jedoch „polizei- und gerichtsbekannt“ (Staatsanwaltschaft Leipzig, Okt. ‘96) im Zusammenhang mit Körperverletzung und Raubdelikten (Bild Okt. ‘96).
Da liegt die Vermutung nah, daß auch in diesem Prozess die Schiene „gewaltbereite Einzeltäter“ gefahren wird und rassistische Motivation nicht zum Thema des Verfahrens gehört. Wir werden den Prozess aufmerksam verfolgen.
Am 5.11.’96, zwei Wochen nach dem Mord an Achmed Bachir, griffen 3 rechtsgerichtete Jugendliche in einer Pizzaria in Grimma dort arbeitende Ausländer an. Zwei vorbeigehende Kurden eilten ihnen zu Hilfe. Sie wurden von den Jugendlichen mit Totschläger und Messer attackiert. Einer wurde leicht verletzt, sein Freund mußte durch Messerstiche schwer verletzt in’s Krankenhaus eingeliefert werden. Auch in diesem Fall gingen eindeutig fremdenfeindliche Rufe der Tat voraus.
Die Verhandlung gegen die drei Angeklagten T. Bohrmann, K. Pomelius und H. Kleifgen finden vom 27.-29.10.’97 ebenfalls vor dem Landgericht Leipzig statt. bis dann


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last modified: 28.3.2007