Zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung des ersten
Teils von Feuer und Flamme hat Geronimo geschrieben: Was wir brauchen,
ist die unbeugsame rebellische Subjektivität von vielen
großzügigen und zugleich liebenswürdigen Tätern und
Täterinnen ihrer eigenen selbstbewußt gemachten Geschichte. Im
zweiten Teil hat er versucht, die Vision eines reichen,
generationsübergreifend bewegten Alltag von kontinuierlichen
Neuanfängen zu skizzieren, die frei von allen Formen des Zynismus sind.
Rund ein halbes Jahrzehnt später möchte er diesen naiven Bemerkungen
die Bekräftigung des Wunsches nach Gesellschaftsveränderung sowie den
brisanten Gedanken hinzufügen, daß es in unserer tätigen
Lebenspraxis darauf ankommt, einen Kampf für weltweit egalitäre
Verhältnisse zu führen, in denen mann und frau, und
damit ein konkretes, nicht vermanschtes wir endlich frei von
Furcht, verschieden und doch glücklich miteinander sein können.
Dieses Buch Glut und Asche ist sowohl als Fortsetzung wie auch als
eine Art Abschluß der beiden von Geronimo in den Jahren 1992 und 90
publizierten Feuer und Flamme Bände zu verstehen. Es geht ihm nicht
mehr um Überlegungen zu einer Geschichte der Autonomen,
sondern um den Begriff einer auf die Gegenwart und Zukunft gerichteten Politik
einer autonomen Bewegung, die sich gegen die Trübsal der herrschenden
Verhältnisse auf den Weg ins 21. Jahrhundert macht. Als Voraussetzung
dafür stellt Geronimo die Trennung zwischen Privatheit und
Öffentlichkeit konstitutiv für die Verfaßtheit der
bürgerlichen Gesellschaft dar. Auf keinen Fall ist die
Privatheit im Kapitalismus eigentlich frei, sondern sie
ist als Eigentumschutzsphäre oder
Konsumsphäre politökonomisch überformt von den
staatlich regulierten Reproduktionsbedingungen des Kapitals. Auf der anderen
Seite werden Leute, politisch betrachtet, von der Öffentlichkeit in die
Privatheit abgedrängt, um sie öffentlich mundtot zu machen, d.h.
politisch unwirksam zu machen. Um weiterführenden Abhandlungen jedoch zu
entgehen, komme ich jetzt zu den einzeln behandelten Themen des Buches. Diese
Themen reichen von der NOlympia-Kampagne, der politischen Relevanz von Bad
Kleinen über den Tod des Faschisten Kaindl und der darauffolgenden
Solikampagnen zum Herzstück des Buches über den Autonomie Kongress.
Zur NOlympia-Bewegung will ich nur auf den zukunftsweisenden Verdienst für
sich selbst und den in Berlin lebenden Menschen verweisen. Laut Geronimo wurde
damit der Brutalisierungsschub der Stadtentwicklung für den Rest dieses
Jahrtausends in einem wichtigen Punkt ausgebremst und so in seiner Wucht
abgemildert. Womit allerdings nur eine Verzögerung der Entwicklung
erreicht wurde. Es drängt also auch weiterhin nach innovativer,
zukunftsweisender Arbeit von Autonomen. Besagte Arbeit steht und fällt
schlicht mit der Fähigkeit von Autonomen, sich in Zukunft in dem, was sie
denken und tun erneut zu einer radikalen praktischen Kritik an den
herrschenden Vorstellungen der Lohnarbeit, des Zeitregimes, des Kultur-, des
Raum- und des Körperverständnisses durchzubeißen.
Zur politischen Relevanz von dem Ereignis in Bad Kleinen möchte ich
lediglich zitieren: ...erhielt deshalb eine ganz andere Relevanz, weil
sie zu diesem Zeitpunkt in keinen gesellschaftlichen Erwartungshorizont mehr
hinein paßten., mehr ist, finde ich, nicht dazu zu sagen. Ganz
anders jedoch die politische Auswirkung durch den Tod des Faschisten Kaindl auf
die autonome Bewegung, welche durch den Vorwurf des Mordes hochstilisiert
werden konnte. Geronimo führt den Beweis, nach dem es offenkundig ist,
daß mit dem Vorwurf des Mordes gegenüber AntifaschistInnen der
ganzen Bewegung die Legitimtät ihres Anliegens abgesprochen werden sollte,
da sie insgesamt eine potentielle Mörderbande sei, im Sinne der
bürgerlichen Gleichung: Linksextremismus gleich
Rechtsextremismus. Zum Abschluß dieser Rezension möchte ich
noch einige Abschnitte zum Autonomie-Kongress partiell erwähnen. Zum
Disfunktion des Kiezes-Thema beleuchtet der Autor, Bezug nehmend auf die
Organisation des Kongresses, das Paradox eines Kiezes, á la Ab
irgendwann wurde, vielleicht auch durch Einfluß der Massenmedien, so
etwas wie ein Mythos Kiez komponiert, was immer auch eine
Enteignung direkter Kommunikation und den Entzug von direkten Resonanzen zur
Folge hat. Der Kiez war plötzlich bei allen Themen
vorausgesetzt. Was einmal ein banaler lokaler Ausgangspunkt war, um in die
Gesellschaft einzugreifen, wurde so zu einem bereits vorausgesetzten Endpunkt
gesellschaftlicher Veränderung.
Für erwähnenswert halte ich auch noch Geronimos Überlegungen zur
Sexismusdebatte auf dem Autonomiekongress. Das Problem ist die
unterschiedliche, geschlechtsspezifische Auslegung einer Mann-Frau (bzw.
Frau-Mann) Beziehung. Der Wunsch nach dem Ausleben auch sexueller Begierden mit
dem anderen Geschlecht ist nicht allein deshalb verwerflich, weil
in der Tat unter den gegebenen verkehrten Verhältnissen zu vermuten steht,
daß die Praxis der Sexualität eher zur patriarchalen Okkupation
tendiert, als zu einer in jeder Hinsicht wilden erotischen Überraschung.
Der Gegenbegriff zur Brutalität des Sexismus ist aber nur in der
bloßen Notwehr der Begriff des Anti-Sexismus, in der Perspektive der
Emanzipation heißt er Liebe und Respekt. Die Zuspitzung dieser
Herangehensweise endet mit dem Satz: Sofern die getrennte
Geschlechter-Organisierung nicht als eine absolut vorübergehende
Notwehrorganisierung verstanden wird, wird sie in eine in jeder Hinsicht
antiemanzipatorische Identitätspolitik münden., d.h. es ist
notwendig, sich als eine Geschlechtergruppe auf Notwehr zu berufen, ansonsten
vermutet Geronimo eine Sackgasse in der Privatheit. Stellt sich die Frage, ob
es sich bei den Begriffen Anti-Sexismus und Liebe
überhaupt um politische Kategorien handelt? Das alles machts sowohl
spannend als auch zuweilen hochdramatisch, was doch eigentlich bei
längerem Nachdenken in einem ersten Vorgriff auf die Perspektive einer
befreiten Gesellschaft nur inspirierend und herausfordernd sein kann. Poldi |