home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt | [27][<<][>>] |
Ein kleiner dicklicher Wachmann mit etwas aufgedunsenem
Gesicht und überdimensionaler Brille steht vor dem Eingang der meist als
Cafe genutzten Mensa. Nur die blaue Kombi deutet daraufhin, daß er hier
nicht nur als personifizierter Teil deutscher Stammtischkultur fungiert,
sondern auch anderweitig von Bedeutung ist. Ein Schild mit einer in mehereren
Sprachen verfaßten Ankündigung der hier stattfindenden
Sicherheitsüberwachung und ein Bildschirm, auf dem sich alle
Ecken des Mensa-Inneren überblicken lassen, tun das Übrige zu seiner
Legitimation. Bereits nach 14tägiger Praxis zücken die meisten
Besucher ihre Studentenausweise automatisch, wenn sie an ihm
vorrübergehen, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Nein, eigentlich wisse er nichts über die genauen Hintergründe, die ihm zu diesen speziellen Job verhalfen. Doch nach einer Pause, die, weil sie so kurz war, sofort verriet, wie stark sein Interesse an einer aufklärenden Konversation ist, sagt er mit gewichtiger Mine: Man hätte ja die tollsten Dinger gehört. Über fünfzig Prozent des innerstädtischen Drogenhandels wären hier früher getätigt worden. Dazu noch Frauenhandel und selbst Kinderprostitution. Auf die Frage, was für eine Gruppe hier gedealt hätte, kommt die erwartete Antwort: Na die Asylanten. Die Studenten hätten sich deshalb hier auch überhaupt nicht mehr wohlgefühlt. Sie konnten nicht mehr in Ruhe arbeiten und dazu ein Cafe oder ein Bier genießen.Und auch das Küchenpersonal war über die Situation gar nicht mehr glücklich. Ständig wurden auf den Toiletten Spritzen gefunden, die Becken waren mit Papier verstopft und der Papierkorb war voller blutiger Taschentüscher. Pfui! Selbst im Vorraum hätten die ihr Heroin gekocht. Ich solle mir nur mal die beschmierten WCs angucken (Außer den obligatorischen Taggs auf einer von Jugendlichen frequentierten Toilette, nichts zu sehen), ob ich mich da noch wohl fühlen könnte. Ein bißchen Stil muß ja schon noch sein. Aber sofort beschwichtigte der etwas aufgebrachte Wachproll wieder. Trotzdem hätten die Maßnahmen nichts mit Überwachung zu tun: Die Studenten sollen sich in keinster Weise belästigt fühlen, das wäre ja verboten. Sie würden sich auch schon sehr oft bei ihm und seinen Kollegen bedanken, denn die Kriminalität wäre mit Beginn der Kontrollen um 98% gesunken und endlich könnten sich die Studenten wieder wohlfühlen; in ihrer Mensa. Daß die Mensa sowieso schon immer nur für Studenten und Uni-Angestellte offen wäre, betont auch die Sprecherin des Studentenwerks. Auf die Frage, warum es über Jahre keine Anzeichen dafür gab, diese, auch kommerzielle, Einschränkung durchzusetzen und dies jetzt ohne eine offizielle Verlautbarung geschieht, kommen dann im Prinzip die gleichen Argumente, die sich auch der Security-Typ zu eigen gemacht hatte. Verpackt in einem besseren Deutsch und mit der spürbaren Angst, bei einer ausländerfeindlichen Formulierung ertappt zu werden, spricht auch sie von der Gruppe von Leuten, die Drogen gedealt haben, den kaputten Toilettenbecken und Frauenbelästigungen.
Normale(!) Studenten hätten sich abends nicht mehr wohlgefühlt usw
usf. Natürlich wollen wir auf keinen Fall ausländerfeindlich
sein- und somit wäre die Gruppe von Leuten auch
hinreichend beschrieben. Nach einigem Überlegen berichtet sie dann noch -
quasi hinter vorgehaltener Hand - von einem Gespräch mit einem Freund, der
gesagt hätte, wenn man ausländerfreundlich sei, dürfe man nicht
in die Mensa gehen. Auf das meinerseitige Unverständnis gegenüber
dieser These, erklärt sie dann - und ich hätte es wissen müssen
- mit ihrer und der persönlichen Meinung ihres Freundes, wie man
hierzulande Opfer zu Tätern macht. Die sich ehemals in der Mensa
aufhaltenden Asylbewerber wären durch ihr Auftreten mit dafür
verantwortlich, wenn andere Leute zu Rassisten würden und diskreditierten
somit die überwiegende Zahl der anständigen Ausländer. Trotz
dieser Junge Freiheit-kompatiblen Argumentation schien das
Studentenwerk noch nicht jegliches Problembewußtsein im Zusammenhang mit
ihrer Maßnahme verloren zu haben. Man wisse schon um die Tatsachen,
daß die betroffene Gruppe von Asylbewerbern kaum
Möglichkeiten hätte, sich in öffentlichen Räumen zu
treffen, daß sie keine großartigen Alternativen habe, ihre
finanziell prekäre Lage aufzubessern, es also nicht der Logik entbehrt,
griffen sie wirklich zu vor allem für sie risikoreichen
Erwerbsmöglichkeiten, wie Schwarzarbeit, Drogenhandel etc. Und auch,
daß Drogenabhängige und Obdachlose einen halbwegs warmen und
hygienischen Platz brauchen, ist ihnen durchaus bewußt. Aber bitte
schön nicht die Uni. Man wolle eben nur das Problem vor Ort
lösen. Auf die Idee mit den Betroffenen zu sprechen, kam man
nach Aussagen der Sprecherin des Studentenwerks nicht. Außerdem
mußten spätestens, als es den Rektor der Universität
verärgerte, auch auf seinem Klo eines Spritzenbestecks angesichtig zu
werden, Taten folgen.
|