Um Rückgriffe geht es. Deren motivische Basis und
die Umsetzung: Die Lineraität von Geschichte liest sich bei Stereolab als
elementare Verschüttung - festgemacht an den jeweiligen historisch
anerkannten Brüchen.
Ebene eins - die symphatischste Pop-Musik des Jahres |
Von wem diese anerkannt und demzufolge vollbracht wurden, ist eine Frage, die
sich Stereolab nicht stellen: Ein Kontext existiert - oder auch nicht. Wenn es
ihn gibt, wird er für die Band interessant. Steht ihnen doch die
Beliebigkeit als für sie notwendiges Abgrenzungsmodell zur Seite.
Anfänglich bewirkte das eine musikalische Interpretation von sich selbst,
die nach außen hin zu allem Überfluß auch noch als ansehnliche
Retrokiste daherkam. Ein Grund dafür mag in der Vergangenheit von Tim Gane
und Laetitia Sadier gelegen haben. Ende der Achtziger in die Band McCarthy
involviert, mußten sie sich immer dagegen wehren, nicht von der
C86-Britpop-Umarmung erdrückt zu werden.
Wenn sie deshalb auf Can, Neu, Faust, Velvet Underground, Sun
Ra-Universalismus oder Burt - die Leichtigkeit des Seins, die gar
keine ist - Bacharach verweisen, kommt das ihrem Theoretisieren über
Revolution, von der sie oft singen, so nahe, wie der virtuelle
Fortschritt der Klassenkampftheorie von Antiimps: Die Revolution, die keine
sein darf, ist eine, weil eine Zukunft nur möglich ist, wenn man
die Vergangenheit wiederholt. Es geht keineswegs darum, Traditionen
fortzuschreiben, sondern den Teil an der Vergangenheit aktiv werden zu lassen,
die in ihr schlummernden Potentiale, all die Versprechen wach werden zu
lassen, die nicht abgegolten oder übersehen worden sind. Diese
umstürzlerischen Worte Tim Ganes (in SPEX) brauchen nur ein Satzzeichen,
um beim genauen Gegenteil anzukommen. Für mich ist es verlockend,
diesen Aspekten den Platz in der Geschichte zuzuweisen, der ihnen
bislang verweigert worden ist.
Die Revolution, die keine sein darf, ist eine. |
Symptomatischer kann man meines Erachtens nicht zitieren, um den
ästhetisierenden Zirkelschluß Stereolabs aufzuzeigen. Die
Aneinanderreihung als eine Neuinterpretation, die sich auf die
subjektivistischen Elemente beschränkt, auch Reduktion genannt, wehrt den
Vorwurf des Eklektizismus erfolgreich ab. Heraus kommt eine Musik, die trotzdem
auf zwei Ebenen funktioniert. Die eine macht es möglich, ihnen die
symphatischste Pop-Musik des Jahres zu attestieren, die andere,
wichtigere, daran zu glauben, daß Gesellschaftsmodelle immer noch aus der
Geschichte erwachsen und somit ihr Bestandteil sind.
Doch nicht nur Laetitia Sadier weiß: Dann sind wir schon wieder
weiter. Ralf |