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Was nun?
Die Tresor-Tour wird von Marlboro unterstützt.


Seit Wochen schlagen wir uns nun im Rahmen unseres Montags-Plenums, in diversen Tischplaudereien und im CEE IEH (März-Ausgabe) mit dem leidigen Thema Sponsoring herum:
ALLIANCE ETHNIK spielten hier nicht, weil wir uns gegen den Tour-Sponsor „Gauloises“ ausgesprochen haben. Bei TOCOTRONIC/CHOKEBORE verwahrten wir uns gegen das Anbringen des MTV-Logos während der Veranstaltung. Mit „Afri-Cola“ haben wir einen Deal... und nun prangt in Anzeigen und auf Plakaten der Tresor-Tour das „Marlboro“-Logo.

Quo vadis Conne Island?



„Konzern hin, lancierte Gerüchte her, andere Firmen dieser Größenordnung sind ja wohl auch nur halb so PC wie manche sich’s und uns eifrig-gern vormachen würden.“
(„Style and the family tunes“ März/April ‘96 zum Deal vom „Mo Wax“-Label mit Marlboro-Music)


Wer von uns erinnert sich noch der Tage, als wir alle wußten, daß „Phillip Morris“ über den US-Senator Jesse Helms Radikal-Homophobie und direkt (Helms half dem KKK) Rassisten finanziell unterstützte, nur weil Helms sich als Lobbyist dem Tabakkonzern andiente?
Außer einigen älteren Autonomen, Schwulen- und Lesbengruppen und HC-lern wohl niemand. Als das Conne Island von uns erkämpft wurde, war es ein Allgemeinplatz, „Phillip Morris“-Produkte zu boykottieren. Damit stießen wir allseits auf Unverständnis. (Zumal damals Boykott noch mit einem bestimmten Politisierungsgrad verbunden war, der ja heutzutage derlei Aufrufe unmöglich macht.) Mit der obligatorischen Anmerkung, daß sich durch uns die Welt ganz bestimmt nicht ändern ließe.
Nun, dieses Argument hat sich bewahrheitet - wer hätte das gedacht -, doch „Phillip Morris“ nicht daran gehindert, seine Finanzspritze für Jesse Helms zu entsorgen.
Dank der Boykott-Kampagne in den westlichen Industrieländern wurde der Konzern gezwungen, den US-Senator fallen zu lassen, und im Gegenzug erreicht, durch ihn finanzielle Unterstützung für Aids-Selbsthilegruppen auszulösen (was zwar schlimmerweise das Anerkennen des Konstruktes Aids voraussetzt, hier aber nicht Gegenstand der Kritik sein soll). Dabei an mehr, als Imageaufpolierung zu glauben, wäre natürlich blauäugig.
Dennoch vermarktet sich der Konzern in Westeuropa neben der Floskel von der „Freiheit“ traditionell amerikanischer Werte ganz bewußt im Bereich des Club-Movements. Sei es nun der „Minister for Music and Nightlife“ (Michael Reinboth - siehe Kruder & Dorfmeister-Artikel im Heft) oder „The pulse of America“.
In der März-Ausgabe des CEE IEH ging es darum, den Zusammenhang von öffentlicher Kulturförderung und Sponsoring in der Gegenwart zu verdeutlichen. Und zwar deshalb, weil die Komplexität einer Thematik aufzuzeigen ist, die auch in Strukturen, wie denen des Conne Island, Antworten auf Entwicklungen im Club-Bereich hergeben muß.
Sponsoring zählt in der Tradition gegenkultureller Entwürfe als Teil eines „falschen Verhältnisses“ (D. Diederichsen). Dabei bröckelten hierzulande Feindbilder erstmalig in der Auseinandersetzung mit Hip Hop. Überlagern sich doch dort Für und Wider zu einem undurchsichtigem Konglomerat, wo vermeintliche Gegensätze die ganze Sache überhaupt zusammen halten, ausformen und erweitern.
Ist es im Hip Hop das Zusammenbrechen eines monolithen weißen Mittelklasse-Wertegefüges, so kommt im Club-Movement noch die Kategorie der Geschlechteridentität hinzu.
Ein traditionell autonomer Linker muß an der vermeintlich schizophrenen Situation, daß Gay-Parties von „Marlboro“ gesponsert werden, schier zerbrechen. So einfach ließe sich auch die Situation im Conne Island auf den Punkt bringen, würden wir nicht mit einem gewissen Stolz linke Anwürfe wie „MTV Island“ („Klarofix“ - Leipziger Autonomen-Magazin ) über uns ergehen lassen.
Wer glaubt, unter Leugnung der Realität Antworten auf Fragen zu finden, manövriert sich schon deshalb ins Aus, weil nicht einmal mehr die Voraussetzung dafür gegeben ist, die richtigen Fragen zu stellen.
Es geht hier bei diesem Statement nicht um das Schönreden eines Versuches mit offenem Ausgang. Als solcher ist die „Tresor“-Tour hier bei uns zu betrachten. Klar ist, daß wir uns niemandem andienen, nur um finanziell besser klar zu kommen.
Wer sich kulturell nur ein bißchen angelesen und -gehört hat, weiß, wofür die ATKINS, BLAXTER und FOWLKES stehen.
Und da haben wir, hinsichtlich der Zukunft des Sponsorenmodells, noch nicht einmal über den Hammer der erhöhten Ausländersteuer geredet...(1)

Ralf

(1) Von mir aus über alles aufregen, doch bitte, bitte nicht darüber, daß wir uns Gedanken über das Zahlen von Steuern machen (müssen). Danke.

Als Reaktion auf diesen Artikel erreichten uns zwei LeserInnenbriefe, die wir in CEE IEH #22 dokumentierten.

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last modified: 28.3.2007