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Emperor Sly
Als gäbe es nicht genug schubladisierte
sichere Banken, kommen wir aus dem Experimentieren im Monat Januar nicht
heraus. Unter dem Eindruck des zukunftsweisenden Zion Train-Auftrittes im
November paart sich mit Marshall Jefferson und Markus Welby der UK-Dubhouse Act
Emperor Sly.
Die stetig wachsenden Facetten des House, die phillip N.
richtiggehend positiv bewertet (siehe vorstehenden Marshall Jefferson-Artikel),
erfahren in UK derzeit eine Weiterung, die als Ausgangspunkt den
geschichtlichen Rückgriff wähnt: wo phillip N. auch
Einfluß europäischer Electro- bzw. Technopopper wie Kraftwerk, Human
League, Cabaret Voltaire oder Depeche Mode geltend macht, verdrängt
er den Einfluß schwarzer Musiken einschließlich mit dem
Hinweis auf Disco.
Die Kausalität jedoch ist tiefergehend. Anfang der 70er brachen Jamaicaner
wie King Tubby und Lee Scratch Perry erstmals die Lanze für das Remixen.
(Der Dub entstand.) Das passierte im Reggae, deren Grundlagen schon immer im
Soundsystem-Prinzip bestanden (aus dem Selector wurde der DJ ). Ebenso griffen
in den Staaten Gruppen wie die Last Poets auf eine Gospel-Tradition
zurück, auf die sich auch Soul - und daraus resultierend - Funk, im
Zusammenspiel mit Jazz, berufen können.
Die Disco-Ära der 70er versteht sich als Rückgriff auf Funk und Soul,
lebt von der Affirmation des Soundsystem-Prinzips, ohne die Gruppendynamik
(Selector, Deejay, Operator) aufrechtzuerhalten. Geblieben ist im Disco das
Plattenauflegen.
Auf dieser Basis stöpselte man dann wieder das Micro an den Mixer. Verband
den Groove unter europäischem Electro-Einfluß mit
Versatzstücken der Last Poets Lyrics: Der MC (Master of Ceremony) war
geboren (Kool Herc). Auf diesem Fundament entwickelte sich der Hip Hop, aus dem
House oder auch (Detoit-)Techno wurden, indem sie auf die Prä-HipHop-Zeit
(Disco) zurückgriffen.
Schlimm wäre es, diese historische Bezugnahme zum
Qualitätsmaßstab für Kommendes und Gekommenes zu erheben. Umso
interessanter, daß sich in England eine Neo-Dub-Szene auf die Tradition
musikalischer Entwicklungen beruft. Beim Roots-Reggae und Dub angefangen,
über Funk, Soul, Electro, Hip Hop, Ragga, bis House, Techno, Acid,
Ambient, Trance und Jungle. Dabei unterscheidet sich diese Neo-Dub-Szene nicht
elementar, doch immerhin entscheidend, von den Trip Hoppern der
Gegenwart: Ihr ästhetisches Soundgerüst leugnet niemals die Grundlage
des Dub-Reggae als Mutter aller Remixe (SPEX). Stellt sie also
nicht paritätisch neben all die anderen o.g. Musiken wie im Trip
Hop.
Dabei diese Neo Dubheads auf die Unmöglichkeit des Hip-Seins
gegenüber dem jamaicanischen Ragga - Innovations - Feuer
ausschließlich festzulegen, wie es die SPEX tut, greift allemal zu kurz.
Ein Beleg dafür sind Emperor Sly. Die Bezugnahme: Public Enemy, BDP
and old school rappers with a lot of social politics in their stuff. Our
influences range from early electro - Arthur Baker, Todd Terry, Tyrees
Acid Over - right up to Hardfloor and current European techno, ... the
Dubmasters like Lee Perry and Adrian Sherwood, King Tubby, Scientist and Joe
Gibbs.
Gepaart mit einer entsprechenden Performance harrt man dem Ding,
das da kommt. Zumal der Resonanz-Effekt darauf bauen muß, ob ein als
House angekündigtes Event die blanke Unbedarftheit des Publikums für
sich nutzen kann, oder das Unverständnis, daß man fern der
intuitiven Rezeption leider als gegeben hinnehmen muß, einen Krampf
produziert - uns also in der Praxis eines Besseren belehrt - und somit wieder
mal natürliche Grenzen aufzeigt. Ralf |