Irgendwie fand ich es ja schon damals toll, als mir der
Udo im Staubitzbad so selbstsicher den Arsch tätschelte und während
er mich dann im Schatten seiner naturgeformten Männlichkeit zur Bar
schleppte, da bestätigte sich, was die fünf armdicken Finger bereits
auf meinem Hinterteil angedeutet hatten: Das ist er!
Ein bißchen überrascht war ich am Anfang. Immerhin gab es nicht so
viele Jungs in meinem Bekanntenkreis, die freiwillig zum Bund gingen. Aber
spätestens als Udo so lustig über die Pißpottschrubber
erzählte, wußte ich, daß die schnuggeligen Zivis auf der
Station weltfremde Drückeberger sind, mit denen man ganz gut schwatzen
kann, die aber keinen hochkriegen und nur vom Labern wird eben nichts.
Mittelmacht mit weltweiten Interessen. (Naumann, Bundeswehr-Generalinspekteur)
Der Rest ging dann ziemlich schnell, war ja auch relativ einfach, und es war
auch gar nicht so schlimm, wenn ich den Schatzi bloß am Wochenende sah.
Der Udo hat sich ganz doll verändert, seit er bei den Soldaten ist. Am
Anfang erzählte er öfter interessante Geschichten aus dem Kraftraum
und was da alles für verrückte Maschinen drinne stehen und sein
Bizeps wuchs auch wirklich von Woche zu Woche. Doch irgendwann wollte er
wissen, ob denn mein Opa auch gedient hätte und ob man den mal nicht
besuchen könne, weil der bestimmt ein paar interessante Geschichten auf
Lager hat. Naja, das war leider nicht mehr möglich, denn olle Heinrich
ging 44 in der Festung Breslau vor die Hunde, wie Oma zu sagen pflegte und da
könne man ihn auch nicht besuchen, denn da sind immer noch die Russen
(oder warns die Polen?). Der Udo wurde dann auch richtig traurig, was
wirklich selten vorkam, er ist ja eher eine Frohnatur. Außer wenn wir
zusammen Nachrichten schauten, da war er manchmal fast nicht wiederzuerkennen.
Aber ich weiß auch warum. Weil die serbischen Faschisten dort unten auf
dem Balkan einfach so Völker schlachten und Frauen vergewaltigen,
daß find ich nämlich auch Scheiße. Und wenns in Sarajevo
aussieht, wie in Fleischerei Haeders Abfallkübel, muß einem doch das
Kotzen kommen. Deshalb fand ich es nicht schlimm, daß die Zuckerschnecke
mit der Faust auf den Glastisch kloppte, der war nur gebraucht. Nur, daß
er immer mit vollem Mund schrie, daß man die Serben alle erschlagen
müsse, und das ganze Bier auf die neue Plüschcautch sabberte, fand
ich nicht so erotisch. Trotzdem, recht hatte er ja und außerdem trug
einer von den Schieberschnuggis auf Station oft so ein T-Shirt, da stand drauf
Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!, und der las ziemlich
viel, der mußte es ja wissen.
Ja, Verantwortung. Ja, Tapferkeit. Ja, Dienen. (Slogan der Bundeswehr, Mai, 1994)
Aber, daß sich der Udo deswegen gleich freiwillig für diesen Einsatz
melden mußte, um diese Schweine eigenhändig fertig zu machen,
empfand ich schon als eine schwere Belastung für unser junges Glück.
Nicht, daß ich ihm das nicht zugetraut hätte, nein, der Udo ist echt
ein Hammer, aber die Trennung! Doch all meine Gegenwehr zerbrach an seinem
harten Willen, und er war ja auch so glaubwürdig. Man müsse
nämlich Verantwortung beweisen, wenn es einem in Deutschland so gut gehe,
und tapfer sei er ja auch. Außerdem sollte ich auch mal an den Opa
denken, hätte der nicht sein Leben so mutig eingesetzt, hätten die
Russen vielleicht zu dem Bauernhof auch noch das Fuhrwerk mit der schönen
Kommode und die Oma obendrauf weggenommen und was die Russen mit Frauen machen,
das würden deren slawische Stammesbrüder in Bosnien zeigen und
deshalb müßte er dorthin. Das hab ich natürlich
eingesehen, vorallem wegen der Oma, wenn die nämlich die Russen..., was
wäre da mit mir und wer wäre mit Udo...? Also ich war einverstanden,
nur Schatzimaus war noch nicht vollkommen überzeugt von meiner
Überzeugung (manchmal hab ich das Gefühl, er hält mich für
blöde) und deshalb mußte ich zu diesem Zapfenstreich, weil man das
bei so etwas richtig verstehen würde, und außerdem könnte ich
gleich mal die Truppe kennenlernen, die seien nämlich ziemlich dufte
Kameraden.
Aggressor mit einer fanatisch-kommunistischen Heerführung. (Schwarz-Schilling, CDU)
Ach, es war auch wirklich wunderbar.
Die Jungs standen alle in Reih und Glied, der Fackelschein beleuchtete ihre
Gesichter, die sahen richtig gut aus, und irgendein hohes Tier hat ganz
mitreißend erzählt, daß die Bundeswehr Teil des Volkes ist und
in seine Mitte gehört. Da hab ich gemerkt, daß der Udo und ich
auch ein Teil davon sind und irgendwie war das, wie in einer großen
Familie und das war schön.
Ein Anderer sprach dann von einer Mittelmacht mit weltweiten Interessen und vom
Ende der Zeit, in der man im zweiten Glied steht, ein bißchen erregt hat
mich das schon, bloß verstanden hab ichs nicht so richtig.
Einmal wurde es sogar gruselig, als so ein alter Haudegen, wie Udo immer sagt,
von der Feuerprobe und militärischem Risiko redete und der Schnuggi guckte
mir von weitem ganz ernst in die Augen, da wurde mir richtig Angst und Bange.
Zum Glück spielte dann die Blasmusikkapelle und die Soldaten sangen mit
ihren schönen tiefen Stimmen (mir hat ja auch schon damals gefallen, wenn
die FDJler im Chor ganz tief Freundschaft gerufen haben, um
die Schulleitung zu begrüßen). Die sangen auch gar nicht solchen
Soldaten-Kitsch, sondern Ich bete an die Macht der Liebe und das
ging viel tiefer rein als diese Affenmugge im Staupitzbad, da lief mir vor
lauter Stolz ein kalter Schauer den Rücken herunter. Den konnte ich aber
gar nicht voll auskosten, weil als der bei der Schlüpfer ankam, merkte
ich, daß der Feuerzauber ein bißchen Tribut verlangt hatte, zum
Glück wars ja im Freien und es klebte auch gar nicht so dolle, aber
ich war ein bißchen wütend auf mich, weil das mit der
Selbstbeherrschung noch nicht so gut klappt, wie bei Opa und Udo.
Es wäre unmoralisch, sich hier zu verweigern. (Volker Rühe)
Der Schnurzelpurzel kam danach gleich zu mir und sagte, daß ich jetzt
keine normale Frau mehr wäre, deren Mann auf Montage ist oder so, sondern
die Angetraute eines deutschen Soldaten im Kriegseinsatz, die Vorbild sein
müsse, da hats dann doch ganz schön gejuckt. Der Udo denkt aber
an alles, der gab mir nämlich Termine für den Soldatenmütter-und
Frauen-Club, da kann man über alles reden.
Leider war der Udo dann ziemlich schnell weg, dafür bekam der Briefkasten
eine völlig neue Bedeutung für mich. Zu Oma gehe ich auch öfter,
die ist richtig aufgelebt in letzter Zeit. Neulich hat sie mich gefragt, ob sie
schon ihre Sachen packen solle, doch da mußte ich ersteinmal den Udo
fragen, verstehen kann ichs ja schon, wenn sie vor lauter Heimweh keine
ruige Minute mehr hat. Sie ist so durcheinander, daß sie ieden Tag fragt,
obs was neues mit der Feldpost gab. Ich hab ihr schon erklärt,
daß das jetzt Bundespost heißt, sie kommt aber nun mal vom Lande.
Stricken wollte sie mir auch lernen, aber das ist nicht notwendig, hat der
Mausi geschrieben. Sie hätten alles in Hülle und Fülle, das
beste Zeugs, nur an Weibern fehle es. Der Schelm, so war er schon immer. Aber
das ist es nicht, was ihn so stört, sondern, daß sie noch nicht so
richtig losschlagen dürfen, obwohl doch diese fanatischen
kommunistisch-faschistischen Wichser weiterhin ihr Unwesen treiben, und wenn
sie schon dort unten sind, dann wollen sie bitte schön auch kämpfen.
Ein Offizier hat den Udo dann aber beruigt und gesagt, helfen wollen,
heißt,kämpfen müssen. Der Oma hat das auch geholfen, die war
verunsichert, weil die in letzter Zeit viel vom Frieden geredet haben, und sie
sah dann auch gar nicht mehr so glücklich aus, wenn sie vom Packen
sprach.
Kämpfen-Können und Helfen-Wollen (General de Maiziere)
Naja, seit gestern gehts der Oma wieder besser und dem Udo machts bestimmt auch
wieder mehr Spaß. Von wegen der Tornado hätte den jugoslawischen
Luftraum verletzt, da lachen ja die Hühner. Das weiß ja sogar ich,
daß es den nicht mehr gibt. Und die Jungs waren doch noch so jung, aber
gut sahen sie nicht mehr aus. Wie das ganze stumpfe Holz durch die Kombi gehen
konnte? Ist wirklich eine Schweinerei die über nem Waldstück
abzuschießen, und das die Fallschirme nicht funktionierten, war bestimmt
Sabotage.
Natürlich freue ich mich für die Beiden, bloß mir gehts nicht
so richtig gut. Die sprechen in den Nachrichten immer noch von vereinzelter
Gegenwehr und Widerstandsnestern und wenn die Bilder zeigen, wie da alles
explodiert und der ganze Rauch, da erkennt man ja keine Sau und wenn der Udo
mal wieder zu weit vorne ist, wie bei der Saalkloppe, weil er doch solche Wut
hat und die dann vielleicht von hinten oder von oben...? Wir hatten noch so
viel vor.
Ernsthaft und besonnen werden unsere Soldaten dort hingehen. (Kossendy, CDU)
Auch wenns der Udo etwas voreilig finden würde, ich hab gleich
nachdem die im Fernsehen gezeigt haben, wie sie die zwei Jungs
zurückgebracht haben, bei der Psycholgin vom Club angerufen und gefragt,
ob sie sich, wenn dem Udo was passiert, auch so viel Mühe geben
würden und ob sie auch so eine schöne Fahne über den Sarg legen
würden, wenn der Udo nicht mehr so gut aussieht. Sie hat mir das auch
alles versprochen, auch das die vielen Leute am Flughafen genau so traurig
gucken würden und Rotz und Wasser heulen. Nur dem Vogel, der auf den
vielen Fahnen drauf ist, noch ne Trähne unters Auge zu mahlen, konnte sie
mir nicht versprechen. Aber an den Fahnen wird sowieso noch gearbeitet, da
wäre noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Jetzt muß ich aber erst mal aufs Klo, ja ich dachte auch es
wäre überwunden. Vielleicht liegts aber diesmal an den Spinnern
von Nebenan, die mich so wütend machen. Seit Gestern hören die noch
schlimmere Affenmugge, als die vom Staupitzbad und grölen total laut
Serbien muß sterbien, prusten dann los und klopfen sich auf die Schenkel.
Ich glaube die meinen das nicht so ernst, wie die Jungs vom Zapfenstreich und
traurig sind die schon gar nicht.
Wenn der Udo das miterleben würde, bräuchte ich einen neuen
Glastisch. Deine U.
Das Bewußtsein schicksalshafter Verbundenheit von Regierung und Regierten, wenn immer es um den Einsatz militärischer Mittel geht (FAZ)
Die Zeit ist vorbei, in der Deutschland versteckt im zweiten Glied mit einer dazu passenden Auslegung des Grundgesetzes ausharren konnte. (Georg Leber, SPD) |
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