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Die CEE IEH-Redaktion dokumentiert im Folgenden das
Gründungspapier einer Plattform, die sich gegen Antisemitismus und
Antiamerikanismus in der Linken positioniert. Der neu gegründete
Bundesarbeitskreis (BAK) Shalom ist Teil des ebenfalls neu gegründeten
Linksjugendverbandes [solid]. Es ist sehr begrüßenswert, dass sich
damit auch innerhalb der Partei-Linken eine Instanz herausbildet, die linken
Antisemitismus und Antiamerikanismus entgegentreten will. Die Grundsatzerklärung wurde am 18. Oktober 2007 veröffentlicht. |
Erklärung des BAK Shalom |
Die Gründung einer Plattform gegen Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und regressiven Antikapitalismus innerhalb des Jugendverbandes linksjugend ['solid] ist seit langem überfällig. Die Linke in Deutschland hat diese Themen nie als zentralen Bestandteil ihrer Gesellschaftskritik gesehen. Die Entwicklungen der letzten Jahre, besonders nach den islamistischen Anschlägen in New York City am 11. September 2001, haben die Virulenz deutlich werden lassen, sich genau mit den Themen unseres Bundesarbeitskreises zu beschäftigen. Entgegen ihrer Selbsteinschätzung war die Linke nie gefeit vor regressivem Denken. Gesamtgesellschaftlich gibt es einen erschreckend hohen Prozentsatz an antisemitisch eingestellten Personen aus allen politischen Lagern und nicht zuletzt auch in der Mitte der Gesellschaft. Der Antisemitismus ist eine Ideologie, die aus einer kapitalistisch strukturierten Gesellschaft entsteht. Er bietet eine ideologische Welterklärung und erfüllt das Bedürfnis nach einfachen Antworten. Die komplexen, abstrakten kapitalistischen Verhältnisse werden personifiziert und die Juden als individuell Verantwortliche für die Verwerfungen der Moderne ausgemacht. Die Personifizierung zeigt sich beispielsweise in den Kampagnen gegen so genannte Heuschrecken. Nicht zuletzt in der Linken und im gewerkschaftlichen Spektrum wird auf diese Weise gegen das Finanzkapital gewettert. Dies verkennt die widersprüchliche Totalität kapitalistischer Vergesellschaftung und zerreißt den Zusammenhang zwischen Produktions- und Zirkulationssphäre, was an die Trennung zwischen raffendem und schaffendem Kapital erinnert, die von den Nationalsozialisten vorgenommen wurde. Derartigen Tendenzen innerhalb der Linken ist entschieden entgegenzutreten. Heute manifestiert sich der Antisemitismus meist nicht mehr in seiner klassischen Gestalt. Die Ermordung der europäischen Juden hat zu einer Verschiebung des antisemitischen Ressentiments geführt. Die neue Form des sekundären Antisemitismus zeigt sich unter anderem im Antizionismus. Israel fungiert als der Jude unter den Staaten (Léon Poliakov). So haben in einer europaweiten Untersuchung im Jahre 2003 59% der Befragten Israel als die größte Bedrohung für den Weltfrieden bezeichnet. Es ist überflüssig zu betonen, dass es nicht darum geht, jede Kritik an Israel als antisemitisch zu bezeichnen. Dieser Vorwurf verkennt, dass die Kritik an Israel gesellschaftlich sehr weit verbreitet ist. Israel zu kritisieren, war niemals ein Tabu, weder in der DDR noch in Westdeutschland. Dennoch wird die Forderung, dies tun zu dürfen, immer wieder als Tabubruch inszeniert und häufig ist die Israelkritik antisemitisch motiviert, wie die z.B. Skandale um Möllemann und Hohmann zeigen. Israel ist auch die Staat gewordene Konsequenz aus Auschwitz und den anderen Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. Der gesellschaftliche Umschlag in die Barbarei macht einen jüdischen Staat als Bollwerk gegen antisemitische Verfolgung zu einer Notwendigkeit. Deshalb sind wir solidarisch mit Israel, was auch eine Solidarität mit Verteidigungsmaßnahmen aller Art einschließt. Die deutsche Linke wird den Nahostkonflikt nicht lösen. Deshalb geht es uns nicht um konkrete Vorschläge für ein Vorankommen des Friedensprozesses. Natürlich ist das langfristige Ziel ein Frieden, der für beide Seiten akzeptabel ist. Wir machen jedoch nicht Israel für ein Stocken des Friedensprozesses verantwortlich. So lange die palästinensische Regierung von einer Organisation gestellt wird, deren Ideologie antisemitisch ist und die die Zerstörung Israels propagiert, kann es keinen Fortschritt geben. Die Charta der Hamas ist offen antisemitisch und die Sprache ist die eines eliminatorischen Judenhasses. Derartige Organisationen dürfen keinen positiven Bezugspunkt für progressive Positionen sein. Deshalb verurteilen wir aufs Schärfste die Versuche von einigen Abgeordneten und Funktionären der Partei DIE LINKE., die Hamas als Gesprächspartner einzuladen. Zu kritisieren ist die Ignoranz gegenüber der reaktionären Ideologie der Hamas und weiterer Organisationen wie etwa der Hisbollah. Ebenso verurteilen wir das Schweigen eines großen Teiles der Linken zur Bedrohung Israels durch den Iran. Der iranische Präsident ist ein Antisemit, der Israel zerstören möchte. In seinem Auftrag werden Konferenzen mit Holocaustleugnern in Teheran durchgeführt. Schwule und Lesben unterliegen dem Terror der islamischen Sittenpolizei und werden für ihre Lebensweise gehängt oder gesteinigt. Gerade im Interesse der Menschen im Nahen Osten treten wir für eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse in diesen Gesellschaften ein. Zu einer Demokratisierung und Liberalisierung gibt es keine Alternative. Aufgabe der Linken ist die Unterstützung emanzipatorischer Bewegungen wie der Frauen- und der Studierendenbewegung in den arabischen und islamischen Ländern. Dass Linke häufig reaktionäre Regime verteidigen statt diese zu kritisieren, resultiert aus einem obsoleten Antiimperialismus, der durch ein manichäisches Denken gekennzeichnet ist. Eine kompromisslose Absage an den Antiimperialismus ist die Voraussetzung für die Neukonstituierung einer emanzipatorischen Gesellschaftskritik. Das Kernstück des Antiimperialismus ist der Hass auf die Vereinigten Staaten von Amerika, auf die alle Übel der Welt projiziert werden. Im schlimmsten Fall wird die vermeintliche jüdische Dominanz angeprangert. Dies ist die offene Flanke hin zum Antisemitismus. Historisch betrachtet war der Antiamerikanismus immer im konservativen Spektrum bzw. bei der extremen Rechten zu verorten. Die Linke hatte entweder eine positive Haltung zu Amerika (1848er Revolutionäre) oder zumindest eine ambivalente Position. Dies veränderte sich im 20. Jahrhundert vor allem durch den Ausbruch des Kalten Krieges. Diese Konstellation ist durch den Zusammenbruch der Sowjetunion beendet worden. Die Mehrheit der heutigen Feinde Amerikas sind keine nationalen Befreiungsbewegungen mehr, die fortschrittliche Ziele verfolgen, sondern antimoderne, frauenfeindliche, antisemitische Bewegungen des politischen Islam. Insofern ist es nur konsequent, dass deutsche Nazis die Anschläge am 11. September in New York City bejubelt haben. Ebenso wenig erstaunt ihr Hass auf Israel und ihre Solidaritätsaufrufe mit den Palästinensern. Dass das Pali-Tuch heute eher auf Nazi- als auf Antifa-Demos zu sehen ist, ist keineswegs eine Übernahme linker Symbolik, sondern ideologisch kohärent. Die nazistische Hetze gegen den liberalen Kapitalismus, das Finanzkapital und die Globalisierung sind ebenso folgerichtig. Es muss klar sein, dass nicht jede Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft fortschrittlich ist. Nationalistische und rassistische Positionen sind konsequent zurückzuweisen und alle Querfronttendenzen innerhalb der Linken zu bekämpfen. Eine emanzipatorische Position darf weder eine Apologie der bürgerlichen Gesellschaft betreiben noch deren abstrakte Negation fordern. Eingedenk der ihr innewohnenden Dialektik geht es um die Bewahrung der Errungenschaften der bürgerlichen Gesellschaft wie z.B. der individuellen Freiheitsrechte, die notwendigerweise die Basis für ihre fortschrittliche Aufhebung darstellen. Eine grundlegende Diskussion über die Ausrichtung fortschrittlicher Gesellschaftskritik und eine schonungslose Kritik von Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und regressivem Antikapitalismus innerhalb wie außerhalb der Partei DIE LINKE. ist die Aufgabe des Bak Shalom. |