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Soundnavigator, Conne Island Soundclash

aus Leipzig:Far East Sound (Dancehall)
aus Hamburg: Silly Walks Sound System (Dancehall)
Dub Me Ruff System (Dub)
Ruff Cutz (Jungle)
Link (House)
Das Hamburger Reggae- und Jungle- Veranstaltungs- und Produktionskombinat Sound Navigator tritt an, um der erwachenden Musikszene Leipzigs ein Happening jenseits des musikalischen Mainstreams zu bieten, bei dem neben Dancehall- und Dub-Reggae, Jungle und Techno-House von dem Medium Sound System präsentiert werden. Die einzelnen Sound Systems treten dabei in einen Wettstreit um die Publikumsgunst. Die “Kontrahenten“ sind:

Auf dem Conne Island-Gelände wird tagsüber outdoor um das Publikum gerungen. Nach Sonnenuntergang wird der Clash in der Halle fortgesetzt, während im Club geraved wird. Sowohl das Gelände, als auch die Räumlichkeiten werden aufwendig dekoriert, bzw. beleuchtet, so daß das visuelle Ambiente die Intensität der dargebotenen Musik stützt.

Es gehört inzwischen zum Non-Plus-Ultra, allem, was als „authentisch“ durchgeht, die Daseinsberechtigung nicht abzusprechen. Sich der Definition von Authentizität zu nähern, ist jedoch auch ein Unterfangen, deren Ergebnisse sich einer übergreifenden (sub-)kulturellen Determination entziehen. Verständlich ist zwar schon seit langem, warum sich jeweilige Puristen zu Grenzschützern ihrer eigenen Szene aufschwingen, doch der inflationäre Umgang von Leuten, deren Codierung sich im fesgelegten Nicht-Festlegen widerspiegelt, gibt genug Anlaß zum Bedenken, daß hier eher Schindluder denn Verteidigung eigener kultureller Moralien- also Grundwerte angesagt ist.

„Es fällt auf, daß die Hamburger Musiker... mittlerweile das Niveau der Londoner Kollegen erreichen.“, schreibt die junge Welt und stellt damit einmal mehr klar, daß die ganz bewußte Orientierung an anglo-amerikanischer Kultur grundsätzlich richtig ist. Gerade weil das Schönreden von (Selbst-)Ethnisierung (siehe das Hip Hop- Unternehmen Cartel sowie alle einschlägigen Pressereaktionen) und die Kritiklosigkeit gegenüber deutscher Markenware (sic!) a la „Wo ist zu Hause Mama“ und „Sturm und Twang“ (Zweier Compilations, die vor einiger Zeit erschienen und als einzigstes Kriterium ihrer Zusammenstellung das Deutsch -Sein und -Singen der vertretenen Bands zur Grundlage haben.) derlei Positionierung unabdingbar macht. Nun kommt kommt man aber gern im Gegenzug zu der Argumentation, wie ethnisiert doch die sogenannte schwarze Kultur daherkommt, und die sei ja nun bei weiten „progressiv“, da sie ja der Inbegriff richtiger Verhältnisse im Falschen - nämlich unten gegen oben - sei.

Es würde jetzt hier den Rahmen sprengen, die Veränderungen in der Situation der Afro-Americans oder Anglo-Africans umfassender darzustellen (siehe dazu den Artikel zu Mumia Abu-Jamal in diesem Heft). Der Hinweis sei trotzdem gestattet, daß es schon lange nicht mehr darum geht, wie sich Unterdrückte ihrer Unterdrücker entledigen, um frei zu sein, sondern wie sie gleichberechtigt an der Ausbeutung anderer teilhaben können. Daß dabei die „Rasse“ eines ihrer Hauptansatzpunkte ist, läßt sich nur begreifen, wenn man bereit ist, historische Geschehnisse zur Kenntnis zu nehmen.

Klar muß aber sein, daß, wenn von einer „für deutsche Verhältnisse überraschend vitalen Sound System-Kultur“, wie in den Liner-Notes der ersten Veröffentlichung von Sound Navigator die Rede ist, diese(!) „Kultur“ eben „keine Vollzeitidentitäten“ (SPIEGEL) kennt. Eine Tatsache, die Macher und Publikum von Sound Navigator im gleichen Maße akzeptieren müssen, wie deutsche Linke, deutsche Antifas oder alle anderen, die ihre Identität in der Öffentlichkeit ganz simpel ablegen oder gar kaschieren können.

„Es gab ein Publikum, das sich 1988 von Hardcore, Punk und Rock abgewendet hat, dann Public Enemy gehört, und später zum Reggae gefunden hat“, so Thorsten Krüger von den allseits wohlgesonnenen Di Iries. Und da bekommt eine Sache eine Wurzel, die gar keine hat, sondern ein Produkt der Fortpflanzung, wenn man so will, ist, das man sich zwar ästhetisch aneignen kann, aber nicht dieselben Codes in Besitz nehmen darf, die, um die Kastrierten Philosophen zu bemühen, nur zum Preis der Kolonialisierung einer schwarzen Kultur zu haben wären. Oder anders: ON-U Sound wäre nicht ON-U, wäre nicht auch (oder gerade) dort die Differenz der Grundstock einer eigenen Soundästhetik, deren Weiterung dann kein Problem darstellt (Remember The Beginning of „Techno-Reggae“).

Es ist den Sound Navigators zu danken, daß ihre Sounds nicht von Populismus geprägt sind, wie es beispielsweise erst jüngst das englische Dub-House-Team von Dreadzone verzapft hat. Der Rückgriff auf vermeintliche Essentials einer Musik ist dort aus einem Komplex von Gemeinsamkeit und Differenz gerissen worden, wie es nur passieren kann, wenn man nicht versteht, welches intuitive Zusammenspiel aus Kargheit und Reduktion den Dub ausmacht. Wie er ein Gegenstück zum Eklektizismus und vorgeblicher Radikalität ist, um wirklich radikal zu sein. So radikal, daß Liebe und Respekt sich nicht aufheben dürfen. Und deshalb gehört der Dubwise die Zukunft.

Ralf

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last modified: 28.3.2007